Die Weltmarktpreise für Gas zeigen, warum Nord Stream 2 gut für Europa ist

Gas aus Russland

Eines der Argumente gegen Nord Stream 2 ist die angebliche Abhängigkeit von Russland. Die aktuelle Entwicklung auf den Weltmärkten zeigt, dass das Unsinn ist und was ein Umstieg auf Flüssiggas für Europa bedeuten würde.

Die Weltmarktpreise für Gas zeigen, warum Nord Stream 2 gut für Europa istvon Thomas Röper (anti-spiegel)

Der Vorteil einer Pipeline ist, dass sie Gas nicht mal eben woanders hin liefern kann, wenn dort mehr Geld geboten wird. Derzeit steigen die Gaspreise in Europa auf neue Rekordmarken. Darüber hat das russische Fernsehen berichtet und ich habe den Bericht übersetzt.

Nach der Übersetzung werde ich noch erklären, warum die Verträge mit Gazprom vor den hohen Preisschwankungen, die die Weltmärkte gerade erleben, schützen und dabei werden wir – quasi nebenbei – sehen, dass die Behauptung, Russland könne Gaslieferungen als Druckmittel gegen Europa einsetzen, Unsinn ist.

Beginn der Übersetzung:

Die Gaspreise in Europa haben die psychologisch wichtige 500-Dollar-Marke überschritten. In den Niederlanden kosten tausend Kubikmeter mit Lieferung an diesem Freitag 505 Dollar.

Der wichtigste Faktor ist nach wie vor der Anstieg der Preise für Flüssiggas (LNG) in Asien. Der Grund dafür ist der heiße Sommer, der dazu führt, dass die Klimaanlagen auf Hochtouren laufen, was den Stromverbrauch in die Höhe treibt. Außerdem wird längerfristig mit einem Anstieg der weltweiten Industrieproduktion gerechnet, da sich die Weltwirtschaft erholt.

Infolgedessen stieg der September-Future, der die LNG-Lieferungen nach China, Japan und Südkorea widerspiegelt, auf 544 Dollar. Der langfristigste Vertrag – für Februar 2022 – stieg auf 613 Dollar pro tausend Kubikmeter.

Angesichts dieser Preise ist es für wichtige Lieferanten aus dem Nahen Osten viel profitabler, mit Asien zusammenzuarbeiten als mit Europa. Gleichzeitig erinnert Fitch daran, dass der Markt sehr volatil ist. Vor nicht allzu langer Zeit – im Mai 2020 – kostete Gas in Europa aufgrund der Pandemiebeschränkungen nur 34 Dollar.

Ende der Übersetzung

Europa und die Energielieferungen

Europas Bedarf an Erdgas wächst. Das hat mehrere Gründe. Zum Einen gehen die europäischen Fördermengen in der Nordsee zurück, zum anderen wächst der Bedarf, weil der Ausstieg aus Kohle und Atomkraft nicht vollständig von alternativen Energiequellen kompensiert werden kann. Hinzu kommt, dass der Stromverbrauch in Europa in den nächsten Jahren stark ansteigen wird, denn der geplante Umstieg auf Elektroautos wird ihn in die Höhe treiben, wie auch die Bundesregierung gerade erst bemerkt hat.

Wer gegen Nord Stream 2 ist, der ist damit automatisch dafür, in Zukunft vermehrt Flüssiggas in die EU zu importieren. Diese Gas wird entweder in den USA durch Fracking gefördert, oder kommt aus dem Nahen Osten, der allerdings hauptsächlich Asien beliefert. Das Flüssiggas ist teurer als Pipelinegas, weshalb die wichtigsten Märkte für Flüssiggas die Regionen sind, die nicht mit Pipelines beliefert werden können.

Die aktuelle Preisentwicklung zeigt, dass ein Umstieg auf Flüssiggas automatisch nicht nur höhere Preise bedeutet, sondern auch größere Preisschwankungen und damit weniger Planungssicherheit. Die Liefermenge durch Pipelines kann bei Bedarf erhöht werden und so für stabilere Preise sorgen, mit Tankern ist das nicht möglich, denn die liefern immer die gleiche Menge Gas.

Übrigens hängen die auch in Europa schwankenden Gaspreise nicht mit Russland zusammen, denn der Preis für russisches Gas wird in langfristigen Lieferverträgen geregelt, wobei die möglichen Preisschwankungen begrenzt sind. Die Preise innerhalb des europäischen Marktes werden von externen Faktoren bestimmt, wie zum Beispiel der derzeitigen hohen Nachfrage in Asien.

Die Lieferverträge mit Gazprom

Gazprom schreibt über die Gaslieferungen an die EU und die Preisfindung:

„Gazprom exportiert Gas hauptsächlich im Rahmen langfristiger Verträge nach Mittel-, West- und Südosteuropa.
Langfristige Verträge unter der Bedingung „Take-or-pay“ sind die Grundlage für stabile und zuverlässige Gaslieferungen. Nur solche Verträge können dem Produzenten und Exporteur eine Rendite für die milliardenschweren Investitionen garantieren, die für große Gasexportprojekte erforderlich sind, und dem Importeur eine zuverlässige und ununterbrochene Gasversorgung über einen längeren Zeitraum.
Zu den wichtigsten Merkmalen von langfristigen Verträgen gehören:

  • Eine Preisformel, die die Preisänderungen des Referenzwarenkorbs in den vorangegangenen 6-9 Monaten berücksichtigt;
  • Bedingungen, die eine einseitige Beendigung von Verträgen ausschließen, außer in Fällen von anhaltender höherer Gewalt;
  • Die Take-or-pay-Klausel für bedeutende Vertragsmengen, die vorsieht, dass der Käufer für die im Laufe des Jahres nicht abgenommenen Mengen zahlt und sie später nach Abnahme der in dem betreffenden Jahr die vertraglich vereinbarten Mindestmengen mit einem angemessenen Aufschlag abnehmen kann;
  • Bei den langfristigen Verträgen handelt es sich im Wesentlichen um Dienstleistungsverträge, die dem Käufer eine tägliche und jährliche Flexibilität einräumen und den Verkäufer verpflichten, spätere Mengen, die der Käufer zuvor im Rahmen von Take-or-pay-Vereinbarungen bezahlt hat, auszugleichen. Darüber hinaus bieten langfristige Verträge den Abnehmern Sicherheit für die Gasversorgung über einen längeren Zeitraum. Spotgas ist in der Tat ein völlig anderes Produkt, und ein direkter Vergleich zwischen Vertrags- und Spotpreisen ist unzulässig.

Dabei bleibt die teilweise Ölindexierung in den Verträgen relevant. Die Erdölindexierung ist ein langfristiges Instrument der Unternehmensplanung, das die Kontinuität und Nachhaltigkeit des Investitionszyklus in der Branche gewährleistet.“

Die Preise für Pipelinegas schwanken also nicht aufgrund kurzfristiger Ausschläge an den Börsen, sondern werden nach längerfristigen Durchschnittswerten berechnet. Gleichzeitig sind Lieferungen durch Pipelines flexibler und können gedrosselt werden, wenn der Bedarf unerwartet niedrig ist, sie können aber auch erhöht werden, wenn der Bedarf unerwartet steigt. Versuchen Sie das mal mit einem Flüssiggas-Tanker.

Und nebenbei zeigt das auch, dass die Behauptung, Russland könne Europa mit Gas unter Druck setzen, Unsinn ist: Die Gaspreise werden nach einer vertraglich festgelegten Formel berechnet und die Liefermengen sind in langfristigen Verträgen auf Jahre hinaus festgeschrieben.

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