Die Verratenen – oder der Friedhof der Illusionen – Tag Zwei

von Susanne Kablitz

„Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Hörer und Hörerinnen des Deutschlandfunks.

Ich freue mich, Sie heute zum zweiten Tag unserer Berichterstattung von der wahrlich imposanten Beerdigung der Illusionen begrüßen zu dürfen. Da wir einen besonders illustren Gast erwarten, wollen wir so schnell wie möglich fortfahren. Zwar ist das Wetter heute  besonders schlecht, passt es aber doch optimal zu der ein wenig gedrückten Stimmung der Menschen und Menschinnen. Auch in dieser Hinsicht haben sich die Manhattan-Jungs nicht lumpen lassen und Gottes Werk getan. Und da ist ja auch schon Lloyd Blankfein, der Chef-Gotteswerker.

DF.: „Lieber Mr. Blankfein, wie nett, Sie hier begrüßen zu dürfen. Wie fühlen Sie sich an diesem denkwürdigen Tag?

LB.: „ Ach, mir geht es ganz ausgezeichnet. Mir geht es seit vielen, vielen Jahren ganz ausgezeichnet. Eigentlich geht es mir jeden Tag besser“.

DF.: „ Nun, das freut mich für Sie, aber in Anbetracht der zahllos geplatzten Illusionen der Bürger und Bürgerinnen ist Ihr Wohlbefinden da nicht ein kleines bisschen dekadent?“

LF.: „ Ach was, es hat doch in den ganzen Jahren, eigentlich seit Anbeginn dieses ganzen Papiergeldspektakels immer wieder so ein paar ganz Schlaue gegeben, die vor dem, was nun eingetreten ist, gewarnt haben. Erfreulicherweise hat auf diese armen Wichte niemand gehört, ganz im Gegenteil, die wurden sogar noch lächerlich gemacht. Ist das nicht eine besondere Wonne? Die, die den breiten Massen die Wahrheit gesagt haben, wurden nicht ernst genommen und so konnten meine „Best Buddies“ und ich die ganzen letzten Jahrzehnte dazu nutzen, um die ahnungslosen Schafe gnadenlos zu scheren. Die sollen also jetzt mal nicht so überrascht tun, das war doch alles absehbar! Außerdem ist es nur zu deren Besten (das mit dem „zu Ihrem Besten“  funktioniert immer)!“

DF.: „ Sie sehen mich ein wenig konsterniert. Würden Sie das mit dem „Schafe scheren“ bitte ein wenig genauer erklären?“

LF: „ Klaro! Jetzt ist ja sowieso die Katze aus dem Sack. Die Menschen und Menschinnen werden jetzt so offensichtlich ausgeplündert, da kann sogar mein Freund Peer nichts mehr abstreiten. Er versucht es zwar immer noch, aber nach all den vielen Jahren der Lügen ist es so enorm schwer, die Wahrheit zu sagen, da muss man schon Verständnis für den Guten haben.

Als ich im Mai 2013 für das Blatt „Die Welt“ ein Interview gab, konnte man an meinem Gesicht ablesen, wie ungemein befriedigend das Bankgewerbe ist. Aber dieses Gewerbe wäre niemals in dem atemberaubenden Maße zufriedenstellend gewesen, wenn uns die Regierungen nicht so überaus hilfreich zur Seite gestanden hätten. Ohne deren fast schon perverse Unterstützung seit Anbeginn des Zentralbankwesens wären wir nur ein Schatten unseres Selbst.“

DF.: „ Ich verstehe nur Bahnhof. Wir haben seit den letzten Finanzkrisen doch immer wieder von den Regierungen gehört, dass diese die Finanzmärkte zügeln und die Banken an die Kette legen wollen.“

LB.: „ Ja, das ist niedlich, nicht? Dabei ist gerade das Bankengewerbe eines der reguliertesten Gewerbe der Welt. Allein in Amerika gab es schon vor einigen Jahren über 80.000 Regeln und Vorschriften. Das war ja unser großes Glück. Wenn das Bankengewerbe wirklich unreguliert wäre, dann gäbe es die meisten der Halsabschneider heute gar nicht mehr. Wir wären wie normale Wirtschaftsteilnehmer einfach pleite gegangen, so wie das eben ist, wenn man Mist baut und die Kunden um ihr Erspartes bringt. Aber so war das super! Wir wurden als „systemrelevant“ definiert (weiß der Teufel warum) und siehe da, wir konnten machen, was wir wollten. Riskante Geschäfte – kein Problem! Wenn es gut ging, ging es uns gut, wenn es schlecht lief, ging es den Steuerzahlern schlecht. Es war also für alle etwas dabei.

Die ganze Retterei hat die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen Unmengen gekostet, gebracht hat es nichts. Die Leute haben mit ihrem eigenen Geld ihr eigenes Geld „gerettet“.  Wenn das mal nicht clever von uns Superhirnen war.“

DF.: „ Na ja, so super ist das doch wohl nicht. Die Banken sind die Buhmänner der ganzen Welt – ist das wirklich ihr Anspruch?“

LB.: „ Also mir ist das absolut recht. Ehrlich! Besser, wir sind die Bösen als dass die noch nicht ganz geschorene Schafsherde dahinter kommt, dass ihre Volksvertreter und Volksvertreterinnen eine ganz bedeutende Rolle in diesem ausgeklügelten Spiel spielen. Wenn das nämlich klar wird, dann werden meine Freunde und Freundinnen auf der nahezu ganzen Welt zum Teufel gejagt und wir können unsere Spielchen nicht mehr weiterspielen.

Wenn die Leute und Leutinnen keine neuen Schulden mehr dulden und diesen Papiergeldschnipseln Adieu sagen, dann ist das Spiel aus. Das wäre für uns alle sehr bedauerlich. Zum einen für uns Gottspieler, die nur noch ödes Einlagengeschäft tätigen dürften und  alle erkennen würden, dass wir so gar nichts Besonderes sind und zum anderen für die Regierungszampanos, die ohne die ganze Gesellschaftsklempnerei  durch immer mehr Schulden nur farb- und gesichtslose Lemminge sind, die lediglich auf Kosten anderer enormen Schaden anrichten. Wissen Sie, kein Mensch braucht uns, wir sind in unseren Funktionen vollkommen überflüssig. Damit wir dies aber kaschieren, schwingen wir schwachsinnige Reden und blasen uns auf Maximalgröße auf. (=> das löschen Sie sofort wieder!)“

DF.: „ Ist gelöscht!! Lieber Mr. Blankfein,  Sie haben im Jahr 2012 über 20 Millionen Dollar nur an Boni kassiert. Damit lässt es sich doch hervorragend leben, oder?“

LB.: „ Na, Sie sind mir ja ein Herzchen. Ich muss mich da schon einschränken – schließlich habe ich Unkosten, da können Sie nur von träumen! Außerdem war 2012 kein besonders gutes Jahr – 2013 war etwas besser! Aber es ist noch Luft nach oben – ich gedenke, diese einzuatmen.“

DF.: „ Sie sprachen in Ihrem Interview im Mai 2013 davon, dass es äußerst schlecht für Europa und den Rest der Welt wäre, wenn das europäische Experiment nicht gelänge und dass Sie sich wünschen, dass die Arbeitslosenquoten in Deutschland und Spanien künftig nicht mehr so unterschiedlich sind.“

LF.: „ Wenn Experimente scheitern, dann ist das meist sehr traurig. Aber das ist ja zum Glück nicht passiert. Der Euro wird das Letzte sein, was in Deutschland stirbt. Und sehen Sie, mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen – die Arbeitslosenquoten haben sich  vor allem in Deutschland und den südeuropäischen Nachbarn auf um die 45 % angeglichen, das ist doch wirklich ein schöner Erfolg.

Wir haben immer gesagt, dass Deutschland viel zu sehr vom Euro profitiert hat. Das stimmte zwar nie und außer den Deutschen und Deutschinnen hätten sie auch keinem anderen Land diesen Bären aufbinden können.“

DF.: „ Aber Moment, die Zahlen belegen doch, dass Deutschland der größte Profiteur des Euro war. Da ist es doch nur recht und billig, wenn sich die Bürger und Bürgerinnen nun dafür das letzte Hemd ausziehen müssen.“

LB.: „ Wissen Sie, schon Yasuhiro Nakasone, der japanische Ministerpräsident (1982 – 1987) sagte, dass ein Volk, das sein Land nicht liebt und nicht stolz auf sich selbst ist, weder andere Völker achten kann noch von anderen Völkern geachtet werden. Besonders der zweite Teil trifft auf Deutschland wie auf kein zweites Land zu. Die deutschen Volksvertreter- und vertreterinnen  haben die Opferrolle stellvertretend schon immer mit Leidenschaft und Inbrunst ausgefüllt und waren nur zu gern bereit, die Arbeitskraft, den Fleiß, die Zuverlässigkeit und die Leidensfähigkeit ihrer Bürger und Bürgerinnen noch nicht einmal meistbietend zu verschachern. Außer ein paar wenigen kartellartigen Konzernen, die ausschließlich im Exportgewerbe unterwegs und massiv subventioniert wurden und denen, die diesen Quatsch gebetsmühlenartig wiedergekäut haben, hat niemand vom Euro profitiert.

DF.: „Noch eine Illusion, die heute zu Grabe getragen wird, aber der Tag bietet sich dafür ja auch hervorragend an. Lieber Herr Blankfein, wir kommen nun zum Ende unseres Interviews, vielen Dank für Ihre Zeit, die Sie sich für uns genommen haben.“

LB.: „No problem, es war mir ein Vergnügen. Übermorgen reise ich nach Japan, da finden die gleichen Trauerfeierlichkeiten statt. Sehen Sie, diese ganze Reiserei wird mich auf Dauer noch arm machen!“

DF.: „ Wir verabschieden uns für uns heute und werden uns morgen zum dritten und letzten Tag hier zusammenfinden. Als Interviewpartner erwarten wir unter anderen den frisch gewählten Europapräsidenten Francois Hollande, den ehemaligen Top-Banker Josef Ackermann und unsere Aussenministerin Claudia Roth. Auf Wiederhören und bis morgen.“

(Bitte beachten Sie, dass es sich auch bei diesem Interview um eine reine Fiktion handelt; die handelnden Personen haben nichts mit der Realität zu tun, die Namen sind rein zufällig und die ihnen in den Mund gelegten Worte entspringen erneut meiner blühenden Phantasie!)

Quelle: susannekablitz

 

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