Die USA haben Europas Wirtschaft (und Politik) im Würgegriff

Urs P. Gasche (infosperber)

Das Sanktions-Diktat der USA ist nicht neu. Die EU-Staaten und die Schweiz haben sich US-Gesetzen meist ohne zu murren unterworfen.

Unter dem Titel «Warum Trump Europa bedenkenlos ignorieren kann», schreibt Jeremy Shapiro, Direktor des «European Council on Foreign Relations»: «Die Europäer rufen ab und zu aus. Sie tun jedoch nie etwas, das Washington beunruhigen könnte.»

Tatsächlich haben sich europäische Staaten, einschliesslich der neutralen Schweiz, in der Vergangenheit gesetzlichen Übergriffen der USA meistens unterworfen – sogar ohne grossen Protest seitens der Regierungen. Diese akzeptieren, dass einige US-Gesetze und -Erlasse «extraterritorial» gelten, also auch in der EU und in der Schweiz. Diese fordern nicht einmal ein Gegenrecht.

«Ich spürte die Macht der USA eindrücklich», erzählt der damalige Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Es war im Jahr 2003, als die USA einseitig auf die Daten der Swift in Brüssel zugriffen. Das heisst: auf den Grossteil des internationalen Zahlungsverkehrs. Seither habe sich das Machtgebaren der USA «noch massiv verschärft», erklärt Hildebrand.

Gegenwärtig geht es vor allem um das Sanktions-Diktat der USA: Europäische Konzerne – und US-Bürger in diesen Konzernen – müssen sich an den verschärften US-Wirtschaftsboykott gegen den Iran halten, obwohl die EU und die Schweiz die Sanktionen lockern möchten.

Duckmäusertum der Europäer

Die Europäer sind in einer schwierigen Lage, weil sie solche Übergriffe der USA in der Vergangenheit ohne Gegenmassnahmen schluckten. Aufgrund des unter anderem Namen immer noch aktuellen «Trading with the Enemy Act» aus dem Kriegsjahr 1917 können US-Präsidenten schon seit hundert Jahren Sanktionen gegen Länder, Unternehmen und Privatpersonen im Ausland verordnen. Gegenwärtig sind Sanktionen gegen über 6000 Unternehmen und Personen in Kraft, die mit über zwei Dutzend Ländern finanziell verflochten sind, beispielsweise mit dem Iran, Russland, Venezuela, Nordkorea, Libanon oder Libyen.

Eine umfassende Liste mit allen betroffenen Ländern, Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen veröffentlicht das «Office of Foreign Assets Control» Ofac.

Diese Amtsstelle ist beim US-Schatzamt dem «Unterstaatssekretär für Terrorismus und finanzieller Geheimdienst» unterstellt. Die «Umgeher von Sanktionen» sind säuberlich aufgeführt («Foreign Sanctions Evaders List»).

Unter den «Umgehern» befinden sich gegenwärtig 15 Unternehmen oder Personen mit Sitz oder Wohnsitz in der Schweiz.

Auszug aus der US-Liste von Schweizer «Sanktionsumgeher»

Kein US-Bürger – auch wenn er im Ausland wohnt – und kein Unternehmen der Welt darf mit den rund 6000 Eingetragenen auf der Sanktionsliste Geschäfte betreiben.

Das Ofac veröffentlicht alle verhängten Strafen und Bussen. Im Juli 2017 beispielsweise musste die chinesische «Zhongxing Telecommunications Equipment Corporation» 106 Millionen Dollar zahlen, weil das Unternehmen gegen die US-Sanktionen gegen den Iran verstossen hatte.

US-Bürger und Bürgerinnen, die in Verwaltungsräten oder in Geschäftsleitungen europäischer oder Schweizer Unternehmen arbeiten, machen sich nach US-Gesetzen strafbar, wenn sie gegen Sanktionen verstossen, welche die USA gegen den Iran, Personen aus der Ukraine oder gegen andere Länder und Personen verhängt haben. Sie müssen in den USA mit ihrer Verhaftung, der Blockierung ihrer Konten oder der Konfiszierung ihres dortigen Eigentums rechnen.

Europäische und Schweizer Aussenpolitik wird zur Makulatur

Banken, Versicherungen und Konzerne müssen entweder die lange Sanktionsliste der USA einhalten oder sich aus allen Geschäften mit den USA und in Dollar zurückziehen. Die meisten europäischen Banken und Konzerne unterwerfen sich der Sanktionspolitik der USA.

Wenn die Regierungen der EU oder der Schweizer Bundesrat verkünden, sie würden sich bestimmten Sanktionen nicht anschliessen, streuen sie der Öffentlichkeit Sand in die Augen.


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Im August 2017 gab ein Sprecher der UBS gegenüber der «Sonntagszeitung» zu: «Wir berücksichtigen die Sanktionen der USA und setzen sie weltweit um.» Auch die Credit Suisse räumte ein, sie halte «die verschiedenen nationalen und internationalen Sanktionsprogramme ein». Allfällige Kundenbeziehungen mit Personen und Unternehmen, welche die USA auf ihre Sanktionsliste setzen, würden möglichst aufgelöst.

  • Im Klartext: Man spielt nach den Regeln der USA. Die Schweiz und die EU sind aussenpolitisch nicht mehr souverän. Die angeblich eigenständige Sanktionspolitik gegenüber Russland oder dem Iran ist reine Makulatur.

Angekündigter Wirtschaftsboykott gegen den Iran

Das zeigt sich exemplarisch an der jüngsten Ankündigung Präsident Trumps, den Iran mit umfassenden Sanktionen wirtschaftlich auszubluten.

Der Iran hat vom europäischen Flugzeugkonzern Airbus hundert Passagiermaschinen im Wert von 27 Milliarden Dollar bestellt. Der französische Energiekonzern Total hat einen Auftrag von 5 Milliarden Dollar zur Erschliessung iranischer Erdgasressourcen. Der deutsche Siemens-Konzern baut im Iran Kraftwerke. Auf diese und viele andere Geschäfte mit dem Iran werden Europas Konzerne verzichten, um die USA zufriedenzustellen.

Offiziell hält die EU am Atomvertrag mit dem Iran fest. Dieser sieht eine weitere Lockerung der Wirtschaftssanktionen vor. Doch diese Vertragsbedingung können Europas Länder nicht einhalten, weil sich die genannten Banken und viele weitere Konzerne dem Boykott und den Sanktionen anschliessen müssen, welche die USA gegen den Iran verhängen.

Da helfen auch die Massnahmen nichts, welche die EU-Kommission am 18. Mai lautstark verkündete. Denn multinationale Unternehmen riskieren in den USA Bussen und andere Repressalien, wenn sie ihre Iran-Geschäfte weiterführen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker räumte denn auch kleinlaut ein, dass die EU vor allem kleineren und mittleren Unternehmen, die in den USA nicht tätig sind, zu Geschäften mit dem Iran verhelfen wolle.

Das wird nicht genügen, um die im Atomvertrag versprochene Lockerung der Sanktionen einzuhalten. Dann dürften im Iran die Hardliner die Oberhand gewinnen und sich nicht mehr an den Atomvertrag gebunden fühlen.

«Sich mit vereinten Kräften wehren»

In einem Leitartikel vom 17. Mai ruft die «New York Times» Europa auf, sich gegen das Tyrannisieren («bullying») der USA mit vereinten Kräften zu wehren. Die Folgen von Konflikten, welche die USA mit verursacht haben, bekämen die Europäer mit Flüchtlingen, Migranten, Terrorismus, Islamphobie und Rechtspopulismus zu spüren. «Vor allem Deutschland, Grossbritannien und Frankreich müssen gegenüber Washington eine harte Haltung zeigen und den Iran-Vertrag sowie die internationale Ordnung mit allen Mitteln retten», fordert der Leitartikel der «New York Times».

Die Erfahrungen der Vergangenheit legen nahe, dass dies ein frommer Wunsch bleibt.

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