Die Straße zur Privatisierung

von Gert Flegelskamp (flegel-g)

Nun hat der EU-Kommissar ja bedingt einer PKW-Maut zugestimmt. Bedingt insofern, dass es eine Maut nur für Ausländer nicht geben wird, weil das eine Diskriminierung für die anderen EU-Länder bedeuten würde. Doch da ist man in Deutschland ja flexibel, man senkt einfach die KFZ-Steuer und führt stattdessen die Maut ein.

Den deutschen Michel (davon gibt es einfach zu viele) stört es natürlich, dass die Ausländer auf den deutschen Straßen umsonst fahren dürfen, obwohl der Deutsche in etlichen anderen EU-Ländern eine Maut bezahlen muss. Aber Deutschland ist nun mal ein Transitland und man sollte nicht vergessen, dass viele Ausländer Deutschland nicht nur durchqueren, sondern hier auch Urlaub machen, hier tanken, hier einkaufen und damit Geld in deutsche Kassen spülen. Und deutsche Michels die mit oder ohne Wohnwagen durch Holland oder Belgien kurven, ohne Maut zu zahlen, sind ja etwas völlig anderes. Aber soweit reichen Michels Überlegungen nicht und, weil er ohnehin Politiker für dumm hält, geht er Seehofer voll auf den Leim Denn Seehofer weiß genau, dass

  1. Michel auf das Ausländer-Getue hereinfällt und
  2. Die EU eine nur für Ausländer geltende Maut nicht akzeptieren wird.

Und Michel? Nun, der glaubt, dass er ja dann weniger KFZ-Steuer zahlen muss, dafür eben ein wenig Maut. Nun ist die KFZ-Steuer ja vom Hubraum abhängig und der Smart-Fahrer und andere Kleinwagenbesitzer legen in jedem Fall drauf.

Nun, wäre das alles, könnte man meinen, gut, ich zahle ein wenig mehr, aber dafür werden die Polen, die Niederländer, die Nordländer usw. auch zur Kasse gebeten. Und weil Schadenfreude auch die reinste Freude ist, ist man auch bereit, dafür ein wenig zu berappen.

Und dann gibt es da noch die grün Angehauchten, die ja schon immer gesagt haben, dass der Gütertransport auf die Schiene gehört und die Michels und auch die übrigen Deutschen doch gefälligst den (weitgehend privatisierten) Personennahverkehr nutzen sollen. Denen empfehle ich mal eine Brille, denn die Bahn ist mit den Strecken, über die der meiste Güterverkehr staatfindet, durchaus ausgelastet und der Ausbau der Bahn in die weniger ausgelasteten Strecken würde dem Bahnchef und der Politik die schon so lange ersehnte endgültige Privatisierung versauen, ist also nicht erwünscht. Und die Kosten für die Nutzer des Personennahverkehrs sind wohl eher den Diäten von grünen Ministern angepasst, als denen von Rentnern und Geringverdienern, mal ganz abgesehen von den Verkehrskonzepten des ÖPN.

Würde Michel mal einen Blick über den Tellerrand wagen, wäre er von den Mautgedanken wohl weniger begeistert, weil diese Maut der Einstieg in die Privatisierung der Straßen ist. Man überträgt die Bauvorhaben über PPP-Modelle an Private, die dafür dann die Maut kassieren, die sie nach einer Eingewöhnungszeit dann anheben und wenn Michel erst mal 15 bis 30 Jahre Maut gezahlt hat, fällt ihm nicht mehr auf, wenn die Straßen dabei den Besitzer gewechselt haben, anders als bei bestehenden Vorhaben, bei denen die Privaten gleich den Bau übernehmen, wie der französische Konzern Vinci es im Norden Deutschlands plant.

Nun muss selbst ich zugeben, dass ÖPP (auch PPP) Projekte sich eignen, die Schulden zu mindern. Sie haben eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Leasingvertrag, Sie leasen einen Wagen, nehmen also dafür keinen Kredit auf. Aber sie verpflichten sich, die monatlichen Leasingraten zu zahlen. Während aber ihre Leasingverpflichtung dennoch bei der Schufa eingetragen wird, werden PPP-Verträge in der EU nicht als Schuldenaufnahme gewertet. Aber die Zahlungsverpflichtung besteht dennoch für die staatlichen Stellen, die sich auf diese Verträge eingelassen haben. Im Falle der Straßen und der Maut kassieren dann die Privaten die Mautgebühren und dem Staat verbleiben weniger Einnahmen, wenn er die KFZ-Steuer senkt.

Die Presse schweigt zu solchen Verträgen. So konnte ich in keinem normalen Presseorgan etwas darüber finden, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund mit dem amerikanischen Unternehmen „Iron Mountain“ einen PPP-Vertrag abgeschlossen hat, die Akten aller Rentner zu archivieren. Dabei hat der Direktor der Rentenversicherung Bund dafür sogar einen Innovationspreis Public Private Partnership 2013 vom Bund für PPP-Modelle bekommen. Auch im Behördenspiegel wurde darüber berichtet, aber Spiegel, FAZ, WELT, TAZ, Focus? Fehlanzeige.

Ich wurde von einem Leser darauf aufmerksam gemacht, der mir einen fotokopierten Artikel der Zeitschrift Junge Freiheit geschickt hat. Was ich dort lesen durfte, hat mir die letzten Haare zu Berge stehen lassen. Dass eine Software Schwierigkeiten hat, die Daten von Leuten zu erfassen, die am 31. eines Monats Geburtstag haben, halte ich für ausgeschlossen. Kalenderprogramme, die das Datum um tausende von Jahren vorwärts und zurück berechnen können, incl. der Diskrepanz, die sich durch die Umstellung vom gregorianischen Kalender auf den julianischen Kalender bezieht, gab es bereits und waren wirklich nicht schwer zu programmieren. Wenn nun also solche Schwierigkeiten auftreten, frage ich mich, ob es sich dabei nicht um eine Sollbruchstelle handelt, um auch noch die Rentenberechnung outsourcen zu können.

Dass nun ein US-Unternehmen über ein PPP-Modell die Akten aller Rentenversicherten archivieren soll, finde ich ungeheuerlich und alle geäußerten Argumente pro dieser Auslagerung sind absolut scheinheilig. PPP-Modelle haben noch in keinem Fall zur Kostensenkung beigetragen, ganz im Gegenteil. Die Verträge, die über diese „Partnerschaften“ abgeschlossen werden, sind in der Regel einige tausend Seiten stark und ein großer Teil davon geheim, dass nicht einmal die Verantwortlichen sich ein vollständiges Bild von dem machen können, was dort vertraglich von zumeist amerikanischen Anwaltskanzleien ausnaldowert wurde. Das galt für die CBL-Verträge ebenfalls, was etliche Kommunen nach dem Platzen der CBL-Blase Millionen gekostet hat bzw. immer noch kostet.

Doch diese Auslagerung an ein US-Unternehmen ist dank der Diskussion über die Ausspähung ganzer Völker besonders kritisch zu sehen. Wer garantiert, dass diese Daten nicht auf dem direkten Weg an die NSA weitergeleitet werden? Nennen Sie mich getrost paranoid, aber mein Vertrauen in den Staat und alle seine Dienststellen ist dauerhaft gestört, denn wir wurden stets nur belogen und betrogen. Wer garantiert mir, dass diese Daten nicht parallel digitalisiert und an die NSA übermittelt werden? Was die NSA denn mit diesen Daten soll? Sie bekommt damit lückenlose Aufzeichnungen von jedem Arbeitnehmer, wann er wo gearbeitet hat, welches Einkommen er/sie hatte (soweit es unter der Beitragsbemessungsgrenze liegt), wie oft er den Arbeitsplatz gewechselt hat, in welchem Bundesland er tätig war usw.

Wie oft sehen sie im Fernsehen, wenn so genannte Profiler ein Täterprofil erstellen. Sehen Sie, dafür sammelt die NSA oder der britische Geheimdienst die Daten aller Menschen, um daraus maschinell Profile zu erstellen, die aufzeigen, wann sich ein Mensch wie verhält. Dieses Wissen ist vielfältig verwendbar, sowohl kommerziell wie auch in Krisensituationen. Für normale Menschen war der Roman 1984 eine Warnung, für die Geheimdienste eine Inspiration.

Manchmal denke ich, einige mittelalterliche Gepflogenheiten könnten wir auch heute gebrauchen, z. B. den Pranger. Nur dürfte nicht die Obrigkeit oder die Justiz bestimmen, wer an den Pranger kommen soll sondern das Volk. Und es wäre auch ökonomisch von Vorteil, weil der Einkauf von faulen Tomaten, faulen Eiern und anderen etwas stärker duftenden Naturprodukten sprunghaft steigen würde.

 

(Visited 5 times, 1 visits today)
Die Straße zur Privatisierung
0 Stimmen, 0.00 durchschnittliche Bewertung (0% Ergebnis)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*