Die Parteien-Demokratie

Auszug aus dem Pranger vom 01.03.2017 von Michael Winkler

In Partei steckt das lateinische „pars“, was „Teil“ bedeutet. Eine Partei ist somit eine Abspaltung, ein Teil des Ganzen. In der Partei haben sich Menschen mit gleichen Interessen zusammengeschlossen, um diese politisch durchzusetzen. In der Weimarer Republik gab es eine Partei der Kaninchenzüchter, heutzutage bemüht sich eine Partei bibeltreuer Christen bei den Wahlen. So manche Partei legt sich selbst Attribute zu („Arbeiterpartei“) oder bekommt diese zugesprochen („Partei der Besserverdienenden“). So manche bezeichnet sich als „Volkspartei“, also als Interessenvertretung des ganzen Volkes. Das aber widerspricht dem Grundgedanken der Partei, eben der Abspaltung.

Die Partei erfüllt zwei Funktionen: Ich als Wähler kenne zwar den Kandidaten nicht, aber ich kenne seine Partei und weiß, wofür die steht. Daraus leite ich ab, wofür der Kandidat steht und kann entscheiden, ob ich ihm meine Stimme gebe. Auf der anderen Seite kennen sich die Parteimitglieder untereinander, das heißt, sie wählen keinen Unbekannten zum Kandidaten, sondern jemand, der für die Partei und deren Werte eintritt. Die Partei ist dabei auch ein Regulativ, das verhindert, daß der Kandidat zu sehr vom Kurs abweicht.

Das System der Partei erzwingt allerdings auch eine Abhängigkeit der Kandidaten von ihrer Partei. Der Abgeordnete ist eben nicht frei und nur seinem Gewissen unterworfen, denn für seine Wiederwahl benötigt er seine Partei. Er ist damit der Parteidisziplin unterworfen, er muß im Parlament für das eintreten, was seine Partei haben will. Die Partei hat außerdem den klaren Auftrag, die Interessen ihres eigenen Klientels durchzusetzen, auch wenn diese den Interessen und dem Nutzen der Allgemeinheit und des gesamten Volkes widersprechen.

Eine Partei ist zudem eine kleine Gruppe, die leichter zu beeinflussen und zu übernehmen ist als eine ganze Wählerschaft. Nehmen wir Bayern als Beispiel und runden die Zahlen, um das Ergebnis qualitativ darzustellen. Bayern habe 12,5 Millionen Einwohner und zehn Millionen Wähler, wovon 60% die CSU wählen, also sechs Millionen. Nichtwähler lassen wir unter den Tisch fallen. Die CSU hingegen hat 180.000 Mitglieder, d.h., ein Mitglied „vertritt“ 33 Wähler. Im bayerischen Landtag sitzen 180 Abgeordnete, wovon die CSU 120 stellt – ein Abgeordneter steht damit für 1.500 Parteimitglieder und 50.000 Wähler. Tatsächlich erhält der Abgeordnete seine Anweisungen vom Parteivorstand, einer kleinen Gruppe, die bestenfalls 20 Personen umfaßt. Alles unterhalb des Parteivorstands hat bestenfalls sehr geringen, in der Regel gar keinen Einfluß auf die Partei.

Ich kenne noch die Zeiten der „Volksrepublik Hessen“, als es in Stein gemeißelt schien, daß dort die SPD die Regierung stellt. Diese Erbhöfe in den Bundesländern sind zum größten Teil geschleift, den alteingesessenen Parteienfilz gibt es noch in Bremen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Allerdings versucht jede Partei, die Gewaltenteilung in ihrem Sinne auszuhebeln. Das parlamentarische System sorgt bereits dafür, daß Gesetzgebung und Regierung in einer Hand sind, denn die Mehrheit im Parlament ist die Voraussetzung, die Regierung zu stellen. Die Justiz ist zwar formal unabhängig, doch die Regierung bestimmt die Zugangsvoraussetzungen zu den jeweiligen Ämtern, und die Regierung entscheidet letztlich über die Beförderung. Insofern werden Richter und Staatsanwälte sich so gut wie möglich mit der Politik stellen, sich also viel stärker unterordnen als widersetzen.

Die Presse wird als „vierte Gewalt“ angesprochen, als Regulativ der Demokratie. Allerdings kann sich eine oppositionelle Zeitung im Parteiensystem nicht wirklich entfalten. Die Mehrheit der Wähler bevorzugt die Regierungspartei(en), denn sonst würden die nicht die Regierung stellen. Damit möchte die Mehrheit der Wähler keine Zeitungen lesen, die ihrer eigenen politischen Einstellung widersprechen. Unternehmen, die Werbeanzeigen schalten, wollen sich lieber mit der Regierung gut stellen, außerdem wollen sie eine große Reichweite ihrer Werbung. Sie inserieren deshalb bevorzugt in regierungstreuen Zeitungen. Öffentlich-rechtliche Medien werden von der Öffentlichkeit kontrolliert – diese „Öffentlichkeit“ besteht aus den Mehrheitsträgern im Parlament, also der Regierung.

In der Marktwirtschaft wirkt ebenso wie in der Politik die „normative Kraft des Faktischen“. Wenn das Publikum Gummibärchen mit Fruchtgeschmack kauft, solche mit Essiggeschmack jedoch nicht anrührt, werden die nach Essig schmeckenden Gummibärchen schließlich aus den Regalen verschwinden. Wenn eine Partei mit „sozialer Marktwirtschaft“ ständig mehr Stimmen erhält als eine, die „staatliche Planwirtschaft“ anpreist, wird die Planwirtschaft schließlich als Parteiziel aufgegeben. Die Parteien werden sich immer ähnlicher, sie verlieren immer mehr an Profil. Die eher deutsch-nationale FDP des Jahres 1950 hat mit der sozialliberalen FDP des Jahres 1975 nur noch den Namen gemein. Weitere 25 Jahre später versuchte es die FDP mit einem wirtschaftsliberalen Kurs als Steuersenkungspartei. Der CDU ist als Markenkern nur noch das „Mitte“ geblieben, die SPD ist kaum noch als eigenständige politische Kraft zu erkennen.

Die nächste Schwächung der Demokratie erfolgt, wenn eine Partei lange an der Macht ist. Die guten, ehrgeizigen Leute, die arbeiten und nach vorne kommen wollen, versuchen es in Bayern gar nicht erst bei der SPD oder den anderen Parteien, da nur die CSU Aussicht auf die begehrten Pöstchen bietet. Die besten Leute der anderen Parteien benutzen den bayerischen Landesverband allenfalls für eine Karriere auf Bundesebene. Eine solche Partei verliert zudem an Anziehungskraft für neue Mitglieder.

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Und, was wählen Sie demnächst? Die gleiche überflüssige Partei wie beim Letzten mal oder überhaupt eine Partei? Dann haben Sie es auch nicht anders verdient, legal von dem „Pack“ ausgeraubt zu werden.

Bedenken Sie aber dabei, dass auch die vom Ausplündern betroffen sind, die schon lange von diesem korrupten Politsystem die Schnauze voll haben.

Oder ist Ihnen inzwischen alles nur noch Banane?  

Nun ja, die Regierungen machen es ja vor, dass soziale Verantwortung immer mehr an Bedeutung verliert.

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