Die Österreichische Schule der Nationalökonomie …

Gastbeitrag von Alexander Scheibe (1. Vorsitzender der PARTEI DER VERNUNFT, Regionalverband Bielefeld)

… beschreibt nicht die aktuelle österreichische Volkswirtschaft und Politik. Vielmehr sind die Austrians (wie die Anhänger dieser Schule genannt werden) eine auch jetzt noch aktive Gruppierung, die nicht nur eine eher untypische Sicht auf die Wirtschaft hat, sondern auch für eine echte Marktwirtschaft und einen liberalen Eigentumbegriff einsteht. Die Geburtstunde dieser Schule wird allgemein mit dem Erscheinen von Carl Mengers Buch über die Grundlagen der Volkswirtschaftslehre im Jahre 1871 gleichgesetzt. Berühmte Vertreter der Austrians sind z.B. Eugen von Böhm-Bawerk, Ludwig von Mises und Friedrick A. von Hayek. Viele Publikationen der Austrians handeln von Kapital- und Zinstheorie sowie der Geld- und Wirtschaftskreislaufpolitik. Dennoch fußen all die wirtschaftlichen Aussagen auf einer gemeinsamen sozialphilosophischen Grundlage, da Wirtschaft für die Austrians nur Teil einer breiteren und viel tieferen Wissenschaft ist – einer allgemeinen Theorie des menschlichen Handelns (und nicht nur der menschlichen Entscheidungen): die sogenannte Praxeologie.

Ein wichtiges Element der Betrachtungsweise der Austrians ist das systematische Beschreiben der Bedeutung, der sozialen Einflüsse sowie die Reaktionen auf das Handeln anderer bezüglich eigener Erwartungen. Die Heterogenität der Bedürfnisse führt nämlich immer zu einer subjektiven Beurteilung des Wertes von Gütern. Ein Glas Wasser ist einem Verdurstendem in der Wüste sicher mehr wert als ein Diamant, ab dem zehnten Glas Wasser hat dieses aber auch einen geringeren Wert als die neun vorherigen (Prinzip des Grenznutzens). Bei einem anderen könnte das schon bei Glas 5 der Fall sein. Bedeutend ist daher auch das Problem der Informationsasymmetrie: Für die Austrians existiert keine allumfassende feststehende Werteskala für Güter, weshalb es ihrer Meinung nach auch unmöglich ist, die unendlichen Variationsmöglichkeiten der verschiedenen Bedürfnisse verschiedener Menschen und Völker zu verstehen, die alle in einem Wettbewerb um verfügbare Ressourcen stehen und den Dingen unterschiedliche Werte zuordnen. Keine Macht oder Institution kann vorhersagen oder berechnen, was für die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft von größtem Nutzen ist.

Die Essenz des sozialen Prozesses wie Hayek und die anderen Austrians ihn verstehen liegt in der streng subjektiven und praktischen Information, die jeder Einzelne abhängig von den jeweiligen Umständen schrittweise entdeckt und die Wege menschlichen Handelns, die jeder Einzelne unternimmt, um seine jeweiligen Ziele zu erreichen und Bedürfnisse zu befriedigen. Daher beschreibt der noch aktive Austrian Huerta de Soto Gesellschaft als eine dynamische Struktur, die sehr spontan reagiert und dadurch nicht bewusst von jemandem errechnet oder erschaffen werden kann. Sie ist höchst komplex, da sie Abermillionen von Menschen beinhaltet, die eine unendliche Anzahl von sich ständig ändernden Zielen, Geschmäckern, Bewertungen, Bedürfnissen und praktischem Wissen vorgeben, welche durch menschliches Handeln die Gesellschaft überhaupt erst formen. In Huerta de Sotos Augen ist jegliches menschliche Handeln durch die Kraft des individuellen „Unternehmers“ motiviert, welche kontinuierlich Information und Wissen schafft, entdeckt und übermittelt und somit die unterschiedlichen Lebenswege der Menschen koordiniert und es so ermöglicht, dass alle friedlich in einer reichen und komplexen Umgebung leben können.

Für viele Austrians, inbesondere die jüngeren, beschreibt dieser Aspekt überhaupt den Kern ökonomischen Denkens: Wie können menschliche Ziele, die sich gegenseitig widersprechen, ohne Zwang und Betrug erreicht werden? Die freiheitliche Austausch ist daher von größter Bedeutung für die Gesellschaft. Daher hat Hayek auch ein neues Wort für Wirtschaft vorgeschlagen: Katallaxie. Dieses Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet gleichsam „tauschen“ und „den Feind zum Freund machen“. Emil Sax beschreibt in diesem Sinne auch den wichtigsten Antrieb für Kompromisse im menschlichen Handeln, da die einzelnen Menschen realisieren, dass sie sich nur weiterentwickeln können, indem sie auch anderen einen Vorteil verschaffen. Das bedeutet, dass individueller wirtschaftlicher Egoismus, Mutualismus und Altruismus zu freien und wertschaffenden Beziehungen in einer Gesellschaft führen.

Folgt man dieser Logik ist natürlich jeder politisch motivierte Interventionismus, welcher die Vorteile individuellen Handelns und Wettbewerbs missachtet, kritisch bzw. negativ als Kollektivismus oder zwanghafte Gleichmacherei zu betrachten. Daher auch die oftmals sehr negative Beurteilung von Marxismus und Kommunismus seitens der Austrians. Ludwig von Mises beschrieb daher den Kapitalismus als das einzige vorteilhafte Gesellschaftssystem (immer unter Berücksichtigung der Einhaltung der Eigentumsrechte, ohne die dieses System nicht für alle vorteilhaft funktioniert).

Heutzutage werden die Austrians gerne mit der sogenannten neoklassischen Theorie in Verbindung gebracht. In Wirklichkeit beziehen die Austrians aber eine andere Position: sie suchen nach wirtschaftlichen (katallaktischen) Gesetzen, verweigern sich aber der künstlichen Theorie eines Homo Ökonomikus, welcher so handelt wie die klassischen Ökonomen es gerne hätten.

Die Austrians teilen sich grob in zwei „Lager“ auf: Auf der einen Seite stehen die fundamental Liberalen (Paläoliberale), welche jegliche staatliche Regulierung massiv ablehnen, während auf der anderen Seite die gemäßigteren Liberalen in der Tradition F.A. von Hayeks stehen, die vorsichtige staatliche Steuerungen (z.B. bezüglich der inneren und äußeren Sicherheit) durchaus akzeptieren. Ein Hauptgrund für die paläoliberale Ablehnung staatlicher Eingriffe ist, dass der Staat sich ein durch Zwang erhaltenes Monopol über weite Felder gesellschaftlichen Lebens angemaßt hat. Murray N. Rothbard erklärt daher z.B. auch, dass Besteuerung im Grunde Diebstahl ist, also eine erzwungene Ausbeutung des Eigentums der Bewohner eines Landes.

Obwohl es also in Details einige Unterschiede bei den Austrians gibt, sind die Gemeinsamkeiten ungleich stärker. Die typischsten Charakteristika der Österreichischen Schule der Nationalökonomie sind nach F. Machlup:

1. Methodischer Individualismus: Die Erklärungwirtschaftlicher Erscheinungen geht zurück auf die Handlungen (oder Unterlassungderselben) von Individuen. Gruppen oder „Kollektive“ können nur durch die Handlungen der einzelnen Mitglieder agieren.

2. Methodischer Subjektivismus: Die Erklärung der wirtschaftlichen Erscheinungen geht zurück auf Urteile und Entscheidungen von Individuen auf der Basis von Wissen, was sie haben oder glauben zu haben und die Erwartungen in Bezug auf externe Entwicklungen unddie Folgen ihrer eigenen Handlungen.

3. Geschmäcker und Vorlieben: Subjektive Bewertungen von Waren und Dienstleistungen bestimmen die Nachfrage nach ihnen, so dass ihre Preise von tatsächlichen und potentiellen Konsumenten beeinflusst werden.

4. Opportunitätskosten: Die Kosten eines Produzenten oder anderen Wirtschaftsteilnehmers, welche die ausgefallenen Alternativen des Unterfangens widerspiegeln.

5. Marginalismus (Grenznutzenprinzip): Alle wirtschaftlichen Konstruktionen, die Werte, Kosten, Erlöse, Produktivität usw., werden von der Bedeutung der letzten Einheit bestimmt, addiert oder subtrahiert von der Gesamtmenge.

6. Zeitliche Struktur von Produktion und Verbrauch: Entscheidungen zum Sparenbedeuten „Zeitpräferenz“ über den Verbrauch in der unmittelbaren, entfernten oder unbestimmten Zukunft. Investitionen werden im Hinblick auf größere erwartbare Einnahmen getätigt.

7. Konsumentensouveränität: Den Einfluss den Konsumenten auf die effektive Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und, über die Preise die im freien Wettbewerb entstehen, auf die Produktionspläne der Hersteller und Investoren haben, ist nicht nur eine harte Tatsache, sondern auch ein wichtiges Ziel. Erreichbar nur durch kompletten Verzicht von Einmischungen der Regierung auf die Märkte und Verzicht der Beschränkungen der Freiheit von Verkäufern und Käufern, ihrem eigenen Urteil in Bezug auf Mengen, Qualitäten und Preise von Produkten und Dienstleistungen zu folgen.

8. Politischer Individualismus: Nur wenn Individuen volle wirtschaftliche Freiheit gegeben wird, kann es möglich sein, politische und moralische Freiheit zu sichern. Beschränkungen der wirtschaftlichen Freiheit führenfrüher oder später immer zu einer Erweiterung der Zwangsmaßnahmendes Staates.

Mit der Ankunft von Ludwig von Mises und seine spätere Arbeit in den Vereinigten Staaten (durch die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs eben nicht mehr in Österreich) entstand eine heterogene Strömungfreiheitsbewusster Denker, die sich „Libertäre“ nannten, da das Etikett „liberal“ schon von den amerikanischen Demokraten besetzt war.

 

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