Die Ökonomie der Finanzblasen

von Andre Damon (wsws)

Am letzten Freitag sanken alle drei großen amerikanischen Aktienindizes, damit endete der größte wöchentliche Abschwung der amerikanischen Aktienmärkte seit fast zwei Monaten. Auslöser für die Massenverkäufe am Freitag waren eine Reihe von sehr schwachen Verkaufszahlen und Vorhersagen von drei Konzernen, die von Verbraucherausgaben abhängen: Amazon, der größte Onlineversand; Wal-Mart, die größte Einzelhandelskette und das Kredit- und Kundenkartenunternehmen Visa.

Allgemeiner gesagt, zeigt die Unruhe an der Börse die wachsende Besorgnis innerhalb der herrschenden Klasse, dass die Aktienkurse, die sich seit dem Tiefstand von 2009 verdoppelt und teilweise verdreifacht haben, am Rande eines historischen Zusammenbruches stehen.

Es ist ein offenes Geheimnis der amerikanischen Wirtschaft, dass der außergewöhnliche Anstieg der Aktienkurse völlig vom Produktionsprozess losgelöst ist. Das Wirtschaftswachstum betrug im letzten Jahr zwar nur 1,8 Prozent und lag damit unter dem Durchschnitt der letzten drei Jahre, der Aktienindex S&P 500 jedoch stieg um mehr als zwanzig Prozent. Im ersten Quartal dieses Jahres ging die Wirtschaft um fast drei Prozent zurück, die Kurse aller drei amerikanischen Aktienindizes dagegen stiegen.

Der Börsenboom basierte auf zwei miteinander verbundenen Elementen: Der systematischen Umverteilung des Reichtums von der Arbeiterklasse an die Finanzelite und der Bereitstellung nahezu unbegrenzter Gelder für das Finanzsystem durch die Federal Reserve.

Die Aktienblase hat Fusionen und Aufkäufe erleichtert, die darauf abzielten, die Aktienkurse durch Massenentlassungen und Kostensenkungen in die Höhe zu treiben, was das Wirtschaftswachstum weiter abgewürgt hat. Die Zahl solcher Fusionen und Aufkäufe sind im vergangenen Jahr um etwa 50 Prozent gestiegen. Ein Beispiel dafür war die Ankündigung von Microsoft im Juli, nach dem Aufkauf der Mobilfunksparte von Nokia weltweit 18.000 Stellen abzubauen.

Der Anteil der Unternehmensgewinne am amerikanischen Bruttoinlandsprodukt war im letzten Jahr der höchste seit Beginn der Aufzeichnungen Ende der 1940er. Das Spekulationsfieber, das die amerikanische Wirtschaft wieder einmal gepackt hat, zeigt sich daran, dass die Unternehmen diese Gewinne nicht für Investitionen benutzen, sondern um die Gehälter der Vorstände zu erhöhen, Dividenden zu zahlen und ihre eigenen Aktien zurückzukaufen. Aktienrückkäufe erreichten im ersten Quartal den bisherigen Höchststand, noch vor dem zweiten Quartal 2007 – kurz vor dem Finanzzusammenbruch.

Die Tatsache, dass der Börsenboom so deutlich instabil ist, hat einige Kreise in eine gewisse Unruhe versetzt. Anfang des Monats warnte die Rating Agentur Fitch vor „zunehmender Sorge unter Investoren, dass Bewertungen zeigen, dass zuviel Geld hinter zu wenig Einkommen produzierenden Anlagegütern herjagt.“ Die Ratingagentur fügte hinzu: „Investoren spüren, dass sie kaum eine andere Wahl haben, als in alles zu investieren, was auf den Markt kommt, trotz des andauernden Rückgangs von Erträgen und Zinsscheinen.“

Ein Kommentator warnte im Juli in der New York Times vor einer „Alles-Blase,“ in der es „sehr wenige eindeutig billige Vermögenswerte“ gibt. Diese Warnungen wiederholten die Befürchtungen, die die Bank für internationalen Zahlungsausgleich geäußert hatte – sie war letzten Monat zu dem Schluss gekommen, es sei „schwer, das Gefühl der verwirrenden Trennung zwischen den steigenden Märkten und den zugrundeliegenden wirtschaftlichen Entwicklungen zu ignorieren.“

Die kategorischste Warnung kommt von John P. Hussman, einem ehemaligen Professor der University of Michigan, der momentan als Investmentfonds-Manager arbeitet und letzte Woche ein Memo mit dem Titel „Ja, das ist eine Aktienkapitalblase“ herausgab. Er erklärte darin: „Machen Sie keinen Fehler – das ist eine Aktienkapitalblase, und zwar eine sehr weit fortgeschrittene. In den historisch zuverlässigen Maßstäben gesagt, ist sie größer als 1972 und 1987, als 1929 und als 2007, und sie liegt nur fünfzehn Prozent unter dem Extrem von 2000.“ Er endet: „Die Federal Reserve kann das Platzen dieser Blase sicherlich aufhalten, allerdings wird das unausweichliche Ergebnis damit nur noch schlimmer.“

Steigende Unternehmensgewinne und Aktienkurse sind mit einem enormen Niedergang der sozialen Lebensbedingungen der großen Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung einhergegangen. Laut einer aktuellen Studie ist der Nettowert eines typischen amerikanischen Haushaltes zwischen 2003 und 2014 inflationsbereinigt um 36 Prozent zurückgegangen. Das Medianeinkommen der Haushalte in den USA sank zwischen 2007 und 2012 um 8,3 Prozent und die Zahl der Empfänger von Lebensmittelmarken ist seit 2008 um 70 Prozent gestiegen.

Der enorme gesellschaftliche Rückschritt der amerikanischen Gesellschaft lässt sich in einer Statistik zusammenfassen: eines von vier Kindern in den USA lebt unter der offiziellen Armutsgrenze, eines von fünf ist von Hunger bedroht.

Der Zusammenbruch von 2008 hätte beinahe das Weltfinanzsystem zu Fall gebracht und hat eine weltweite Rezession ohne Aufschwung ausgelöst. Die Fed hat die Zinssätze auf nahezu Null gesenkt, wo sie seit fast sechs Jahren verharren, sodass die Banken Zugang zu kostenlosem Geld haben. Durch eine Reihe von Programmen für Wertpapieraufkäufe hat die Fed die Größe ihrer Bilanz seit 2008 verdreifacht. Diese Politik fand weltweit Nachahmer, verbunden mit immer brutaleren Sparmaßnahmen gegen die Arbeiterklasse.

Dieses Spiel kann nicht ewig weitergehen. Letzten Endes müssen die Bewertungen der Vermögenswerte zusammenbrechen. Die Folgen des bevorstehenden Absturzes werden noch dramatischer sein als in der Finanzkrise ab 2008.

Die herrschende Elite Amerikas hat eine historische Sackgasse erreicht. Sie torkelt von einer Krise zur nächsten und versucht, Feuer mit Benzin zu löschen. Diese pragmatische, kurzsichtige und parasitäre Herangehensweise an die Krise der amerikanischen Wirtschaft ist Ausdruck der grundlegenden Physiognomie der Finanzelite. Es handelt sich bei ihr um eine Gesellschaftsschicht, die ihren Reichtum nicht durch produktive Aktivitäten anhäuft, sondern durch die Plünderung der Gesellschaft: Rentenfonds wurden ausgelaugt, Löhne gesenkt, Industrieanlagen wurden geschlossen, Arbeiter entlassen.

Diese innere sozioökonomische Krise des amerikanischen Kapitalismus ist ein wichtiger Faktor in der amerikanischen Außenpolitik, der außergewöhnlichen Rücksichtslosigkeit, mit der die herrschende Klasse und ihre Vertreter im politischen Establishment und den Mainstreammedien weltweit Konflikte schüren.

Angesichts einer wirtschaftlichen und politischen Katastrophe im eigenen Land versucht die amerikanische herrschende Elite verzweifelt, durch Kriege ihre Position in der Weltwirtschaft zu stärken und die soziale Wut im eigenen Land auf Kriege und Interventionen im Ausland abzulenken. Jedes Stadium der Wirtschaftskrise ging einher mit immer größeren Ausbrüchen imperialistischer Gewalt.

Die Politik der amerikanischen herrschen Klasse ist, im wahrsten Sinne, irrsinnig. Allerdings ist es ein sozial konditionierter Irrsinn, ein Irrsinn, in dem sich der Bankrott eines Wirtschaftssystems und eine Gesellschaftsordnung ausdrücken, die am Rande einer Revolution stehen.

Andre Damon

 

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