Die Gier der Banken

Gert Flegelskamp

Wer stoppt die Gier der Banken? fragt die WELT. Welch naive Frage! Niemand, am wenigsten etwas, was aus dem Hause Springer oder Bertelsmann kommt.

Nun ja, ich gebe zu, dass das eine ziemlich emotionale Einschätzung ist, aber dass diese beiden Häuser auch nur im geringsten ein Interesse daran haben könnten, der sich ausweitenden Gier etwas entgegenzusetzen, halte ich ernsthaft für sehr zweifelhaft.

Im Artikel geht es um die Festsetzung von Zinsen, den so genannten Libor-Zins. Ich denke, den Begriff „Libor-Zins“ kannten bisher nur wenige Menschen. Erst durch die Aufdeckung von Manipulation dieses Zinses durch die Barkley-Bank, von der offenbar auch die Bank von England (englische Notenbank) Kenntniss hatte, macht (vielleicht) den Menschen bewusst, dass der gesamte Finanzmarkt der Allgemeinheit ein Buch mit sieben Siegeln ist. Lesen wir normalerweise in der Presse etwas über „den Finanzmarkt“, dann dort unter dem Sammelbegriff „die Märkte“, weil man eigentlich nicht so recht möchte, dass der Begriff „die Märkte“ mit dem Finanzmarkt in direkte Verbindung gebracht wird. Schließlich ist das neoliberale Credo gefährdet, dass der Markt ohne Einflussnahme durch Regierungen alles selber regelt, wenn man „die Märkte“ nun als Finanzmarkt identifiziert. Immerhin sind es diese dubiosen „Märkte“, die die ganze Eurozone wie eine Hammelherde vor sich hertreiben. Da könnte man ja fast an der Seriosität unserer Banken zweifeln, wenn man den Blick scharf stellt und in den Märkten plötzlich den globalen Finanzmarkt erkennt.

Wie auch immer, der Libor-Zins ist der täglich festgelegte Zinssatz für den Handel der Geldinstitute untereinander, ausgenommen Geschäfte zwischen Banken und Notenbanken. Es gibt auch einen 3-Monats-Libor bis hin zu einem 12-Monats-Libor, aber ich möchte erst gar nicht versuchen, hier den Libor zu erklären, denn damit wäre ich völlig überfordert. Nur noch eines, es gibt den Libor auch in der Euro-Zone, aber dort spielt er eine geringere Rolle, weil im Interbankenhandel dort der EURIBOR verwendet wird (sagt Wikipedia). Haben EU-Politiker eigentlich den EURIBOR schon mal auf ordnungsgemäße Abwicklung hin überprüft? Nein, sicher nicht, denn seit wann dürfen Knechte die Herren kontrollieren?

Inzwischen ist Otto-Normalverbraucher schon fast zu einem Finanzfachmann geworden, weil etliche der vorgenannten sieben Siegel erbrochen wurden (Hm, ist das eine Freudsche Formulierung?). Was hat Otto-Normalverbraucher in letzter Zeit nicht alles gelernt, ABS, CDF’s, CFD’s, Futures, Optionsgeschäfte, Optionsscheine und nun auch noch den Libor-Zins, wir haben gelernt, dass diese Papiere in unterschiedlichen Risikoklassen gehandelt werden und so gut wie nie ihr Geld wert sind, dass diese Risikoklassen wiederum von Bankern, Brokern und Ratingagenturen festgelegt werden und dass der Handel untereinander sich am Libor-Zins orientieren soll und beim Handel untereinander die größte Gefahr besteht, übers Ohr gehauen zu werden. Eigentlich sind wir doch inzwischen reif, selbst in dieses Geschäft einzusteigen, vorausgesetzt, wir haben genügend kriminelle Energie.

Franklin D. Roosevelt soll mal gesagt haben: „Vom organisierten Geld regiert zu werden, ist genauso schlimm, wie vom organisierten Verbrechen regiert zu werden.“ Ich bin verwirrt, weil ich nicht erkennen kann, worin der Unterschied besteht?

In der Presse weiß man auch zu berichten, dass die Gruppierung um Sinn und seinen Aufruf an die Bevölkerung zum Protest zu einer in etwa gleich große Gruppe mit konträren Ansichten geführt hat. Dabei muss man „Ansichten“ wohl in Anführungsstriche setzen, denn aus beiden Gruppen kommen nur nebulöse und verschwommene Aussagen, wie man die Krise um den Euro bereinigen könnte. Auch, ob sie evtl. Gegenpositionen zur so genannten „Euro-Rettung“ beziehen, kommt bei beiden Gruppierungen nicht so recht rüber. Die Gruppe um Sinn möchte der Schuldenunion ausweichen, was für mich wie der Zuruf an einen Schwimmer (der Schwimmer sind wir) mitten im Atlantik klingt, einfach einen Stöpsel zu ziehen, um das Wasser abzulassen. Die zweite Gruppe um Horn, Rürup, Bofinger und Straubhaar hingegen glaubt, wir könnten das Ufer auch mit schwimmen erreichen, wenn wir in die entgegengesetzte Richtung schwimmen und die Finanzhaie, die uns umkreisen, seien sicher momentan nicht so hungrig. Und eine kleine dritte Gruppe vertritt scheinbar die Meinung, am besten sei es, ständig im Kreis zu schwimmen, das würde die Haie verwirren. Nun, ich glaube, alle 3 Gruppen haben irgendwie recht, denn alle Vorschläge führen zum gleichen Ziel: Wir saufen ab!

Na ja, die Presse tut sich auch noch schwer, Position zu beziehen. Aus meiner Sicht präferiert die FAZ schon alleine durch die Überschrift Angriff auf Hans-Werner Sinn die Gruppe um Prof. Sinn. Ich allerdings bin nicht bereit, dem nun scheinbar leuchtenden Glorienschein um Sinn und „seine Gruppe“ noch Energie zuzuführen, damit er heller leuchtet. Hinzu kommt, dass beide Primärgruppen, die um Sinn mit Raffelhüschen, Zimmermann, Krämer etc., oder die um Horn, Hüther, Rürup und Straubhaar nie wirklich unterschiedliche Positionen vertraten. So sind z. B. Hüther (Chef des IW) und Raffelhüschen beide Botschafter bzw. Kuratoren der INSM und das IW (Institut für Wirtschaft, Köln) ist das Wirtschaftsinstitut der INSM. Man kann diesen Herren viel nachsagen, aber übermäßige Wahrhaftigkeit ganz bestimmt nicht.

Ich würde mir eher die Frage erlauben, ob man nicht allmählich darüber nachdenken sollte, ob die Ökonomie wirklich eine exakte Wissenschaft ist.

Was eint alle die aufgeführten „honorigen Professoren“? In ihrem liberalen Gebetbuch nahmen die Faktoren „freie Wirtschaft, bar jeglicher staatlicher Kontrolle, und ungezügeltes Wachstum“ die Position ein, die das „Vaterunser“ in der Religion einnimmt. Um das Wachstum zu gewährleisten, wurden niedrige Löhne und niedrige Sozialleistungen als Motor des Wachstums angepriesen. Eine Aufsicht und/oder Regulation der Wirtschaft und der die Wirtschaft mit Krediten versorgenden Banken war und ist nach wie vor für diese Herrschaften pure Ketzerei. Sie waren zwar in ihrer Ideologie relativ einheitlich verantwortungslos, nur ihre Klientel war unterschiedlich, weil die eine Gruppe eher das internationale Großkapital, die andere mehr die Familienunternehmen vertraten. Entsprechen auch die Hinwendung zu den Parteien. Die Vertreter des Großkapitals waren mehrheitlich der CDU/CSU zugeneigt, die Vertreter der Familienunternehmen mehr der FDP. Nachdem SPD und Grüne bewiesen hatten, dass sie mutig genug sind, die Ausplünderung der arbeitenden Bevölkerung und der Ruheständler nicht nur in Angriff zu nehmen, sondern auch zu zementieren, müssen nun allerdings sowohl CDU/CSU wie auch FDP um die Abwanderung ihrer Klientel bangen. Die so genannten Ökonomen beider Gruppierungen wurden nicht müde, mit mathematischen Formeln und groß angelegten Statistiken den Boden für die Pflanzen des Wachstums zu düngen und zu gießen und mit groß angelegten Prognosen die Positionen ihrer parteipolitischen Kumpane zu stärken. Dass sich diese Prognosen meist als reine Luftnummern herausstellten, wen kümmerte das schon wirklich. Sie waren ja anpassungsfähig und hatten kein Problem damit, mal euphorische Aussichten zu prognostizieren, mal die Cassandra zu spielen.

Doch nun werden sie plötzlich mit der Situation konfrontiert, dass Wachstum endlich ist. Sie verstehen einfach nicht, dass eine Pflanze, bei der alle Kraft zum Wachstum nur in die Krone geleitet und der Stamm dabei immer stärker ausgehöhlt wird, irgendwann einknicken muss. Kommen dann noch die Nager in Form der Finanzwirtschaft hinzu, die sich am Wurzelwerk zu schaffen machen und die ganzen Früchte aufzehren, bricht dieser Wald menschlicher Unzulänglichkeit zwangsläufig eines Tages zusammen, wenn mal ein etwas heftigerer Wind bläst.

Wie üblich sind die Ökonomen die, die es schon immer gesagt haben, die eine Gruppe ist dafür, die andere Gruppe dagegen, nur, wofür und wogegen sie sind, dass kommt nicht so klar rüber. Die Gruppe um Sinn fürchtet die Schuldenunion, scheint aber irgendwie nicht realisiert zu haben, dass diese Schuldenunion das Ergebnis dessen ist, wofür sie Jahrzehnte eingetreten sind. Die andere Gruppe hat die gleichen Ziele verfolgt, scheint aber nicht bereit, wegen ein paar schnöder Euro, die ohnehin andere zahlen sollen, den einmal eingeschlagenen und ausgetretenen Pfad zu verlassen..

Sie alle schimpfen sich Ökonomen, aber als die Euro-Idee geboren wurde, waren alle Feuer und Flamme. Dabei hätten sie, wie einige wenige Ausnahmen, von Anbeginn an klar erkennen müssen, dass eine Gemeinschaftswährung für derart unterschiedliche Wirtschaftsgebiete nicht funktionieren kann. Vor allem die deutschen Ökonomen hatten dabei aufgrund der föderalen Struktur der BRD und der bekannten Probleme im Länderfinanzausgleich genügend Anschauungsmaterial über zu erwartende Schwierigkeiten, die bereits bei unterschiedlichen Wirtschaftsleistungen in einem Land mit einheitlichen Rechts-, Finanz- und Wirtschaftsnormen auftreten. Da muss man nicht einmal studiert haben, um zu erkennen, dass das gleiche System einer gemeinschaftlichen Währung nicht funktionieren kann, wenn die Rechts- Finanz- und Wirtschaftsnormen voneinander derart abweichend sind, wie das hier der Fall ist. Selbst die Angleichung dieser Normen durch Ausrufung von vereinigten Staaten von Europa würde nicht viel ändern, wie Deutschland seit Jahren beweist, indem die strukturstarken Gebiete sich stets über die Ausgleichszahlungen an die strukturschwachen Gebiete aufregen. Dabei verbindet die deutschen Länder zumindest ein Stückchen deutsche Geschichte, aber was verbindet die europäischen Länder eigentlich?


Quelle: flegel

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siehe auch: Die Gier nach Geld und Macht

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