“Die Eurozone ist erledigt”

von Gerhard Spannbauer (krisenvorsorge)

Diese Formulierung stammt nicht aus der Feder eines üblichen Verdächtigen, sondern von Zerohedge, einer renommierten Finanzwebsite, die zwar für brisante News und bissige Formulierungen, aber nicht für platte Panikmache bekannt ist. Warum bedient man sich dort plötzlich aus dem Sprachfundus der Crashpropheten? Um neue Leserschichten zu erschließen und auch einfach gestrickte Gemüter zu erreichen? Nein, die rustikale Wortwahl ist schlicht und einfach der Situation angemessen: die Lage im Brüsseler Großreich ist tatsächlich in mehrfacher Hinsicht kurz davor, außer Kontrolle zu geraten. Nicht nur an der Börse dürfte es demnächst jede Menge Scherben aufzusammeln geben, sondern an allen Ecken und Enden des Finanz- und Wirtschaftssystems.

Dass der Euro dem Untergang geweiht sei, wird von fast allen europäischen Politikern, “Bankern, Bürokraten und Erbsenzählern” vehement bestritten. Für Zerohedge ist genau das erst recht eine Bestätigung für den Wahrheitsgehalt der Crashprognosen. Doch man braucht sich gar nicht allein auf die Unglaubwürdigkeit des heutigen politischen Personals zu stützen (obwohl das ja in der Tat eine recht zuverlässige Größe ist): es gibt auch so genügend Gründe, die Warnungen mehr denn je ernst zu nehmen. Die fünf Charts des International Center For Monetary and Bank Studies sprechen eine deutliche Sprache – sie zeigen:

  • einen unerbittlichen Rückgang des Wirtschaftsoutputs in der Eurozone seit dem ersten Krisenhöhepunkt 2008, der mit Ausnahme Deutschlands und Frankreichs die meisten EU-Länder ausbremst
  • Einbrüche bei der Kreditvergabe an den Privatsektor – die EZB hat analog zur großen Schwester Fed eher die Blase an den Finanzmärkten als die Realwirtschaft gepusht
  • ungebremst wachsende Privatverschuldung
  • eine noch größere Neuverschuldung der Staatshaushalte
  • und die wohl effektivste der Zeitbomben: die Überalterung der Gesellschaften bei ausbleibendem wirtschaftlichen Beitrag durch die nachwachsenden Generationen – bzw. zu wenigen Beitragsmöglichkeiten

Fazit des Zerohedge-Kommentators: “wir sagen es zwar nur ungern, aber die Schwarzmaler haben Recht: Europa ist erledigt.

Und wenn Europa gesagt wird, dann ist damit auch Deutschland gemeint – zumindest in den Augen der “Schwarzmaler”: laut Martin Armstrong sind es die Deutschen, die am Ende nicht nur mit drinhängen, sondern auch den höchsten Preis von allen Beteiligten zahlen werden. Seiner Meinung nach zielen alle die verzweifelten “Rettungs”maßnahmen darauf ab, “den ESM-Bailout-Fond zu plündern, der an sich zur Stimulierung der notleidenden Wirtschaften in Süd-Europa gedacht war. […] Die deutschen Sparer und Steuerzahler werden letztlich für die Reparationszahlungen zur Kasse gebeten. Die haben nur noch nicht begriffen, dass das so ist.” Armstrong verweist auf Schumpeters “Welle der kreativen Zerstörung”, die gerade auf den nächsten Peak zusteuert und auf die Geschichte, in der bei ähnlichen Konstellation wie der Gegenwärtigen ein Crash noch nie verhindert werden konnte.

Dass Deutschland nun nach mehreren Jahren als alleinige Wachstumslokomotive der Eurozone ebenfalls Ausfallerscheinungen zeigt, könnte der Auslöser dafür sein, dass man “es” bald auch hierzulande begreift – oder besser gesagt schmerzhaft zu spüren bekommt.

In der Zwischenzeit kann man sich noch mit dem Blick auf Frankreich ablenken, dem Wackelkandidaten, der in jedem Falle vor Deutschland an der Reihe ist und Europa in den Abgrund stoßen kann. Es ist absehbar, dass die Brechstangenmethode der Austerität nach südeuropäischem Vorbild sich dort nicht durchsetzen lässt, womit – abgesehen von noch mehr Neuverschuldung – jede Möglichkeit der Schuldenbegleichung auf “normalem Wege” verbaut ist. Da sich das hochgradig fremdfinanzierte europäische Bankensystem in ähnlichem Zustand befindet, wird der Niedergang sich bald nicht mehr nur durch ein paar Linien auf irgendwelchen Charts bemerkbar machen. Kein Wunder, dass zur Zeit immer mehr Analysten zu ähnlich drastischen Formulierungen wie Zerohedge greifen. So fasst Egon von Greyerz die Lage wie folgt zusammen: “In meinen Augen wird das europäische Bankensystem also nicht überleben.

Den kommenden Herbst sieht Greyerz als den wahrscheinlichsten Zeitrahmen, “in dem all diese Risikofaktoren zum Ausbruch kommen. Meiner Ansicht nach beginnt jetzt ein langanhaltender Bärenmarkt in der Weltwirtschaft und in den globalen Märkten. Eric, ich glaube dieser Zusammenbruch der Weltwirtschaft wird lange fortdauern.

So massiv haben die “Schwarzmaler” schon lange nicht mehr zugeschlagen. Und man muss ihnen insoweit Recht geben, dass – um es verhalten auszudrücken – die Hoffnungen auf eine halbwegs sanfte Auflösung der verfahrenen Welt- und Wirtschaftslage im Moment nicht gerade realitätsnah wirken.

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