Die Europäer wollen Frieden in der Ukraine, Biden aber nicht

Neuer Hersh-Artikel

Seymour Hersh hat einen neuen Artikel mit den Erkenntnissen seiner Quellen in den US-Geheimdiensten veröffentlicht. Darin berichtet Hersh, dass viele Europäer ein Ende des Krieges in der Ukraine wollen, dass Biden das jedoch nicht will. Biden werde unvollständig informiert.

Quelle: anti-spiegel

Der neue Artikel von Seymour Hersh über das, was ihm seine Quellen bei den US-Geheimdiensten erzählt haben, ist nicht sehr lang, aber dafür umso aufschlussreicher. Offenbar werden hinter den Kulissen ganz andere Ziele verfolgt, als europäische Politiker vor den Kameras verkünden. Europa sei kriegsmüde und wolle ein Ende des Krieges, Biden – der demnach falsch und unvollständig informiert wird – wolle das nicht. Ein wichtiger Streitpunkt scheint auch das persönliche Schicksal von Wladimit Selensky zu sein.

Ich habe den neuen Hersh-Artikel komplett übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

DIE UKRAINISCHE FLÜCHTLINGSFRAGE

Die Nachbarn der Ukraine drängen Selensky zum Frieden, während Millionen von Vertriebenen nach Europa strömen.

Am vergangenen Samstag veröffentlichte die Washington Post ein Exposé geheimer amerikanischer Geheimdienstdokumente, aus denen hervorgeht, dass der ukrainische Präsident Wladimir Selensky hinter dem Rücken des Weißen Hauses Biden Anfang des Jahres auf eine erweiterte Serie von Raketenangriffen auf Russland drängte. Die Dokumente waren Teil eines umfangreichen Verschlusssachenpakets, das von einem inzwischen inhaftierten Angehörigen der Luftwaffe ins Internet gestellt wurde. Ein hochrangiger Beamter der Biden-Administration, der von der Washington Post um eine Stellungnahme zu den neu aufgedeckten Geheimdienstinformationen gebeten wurde, sagte, Selensky habe nie gegen sein Versprechen verstoßen, niemals amerikanische Waffen für Angriffe auf Gebiete innerhalb Russlands einzusetzen. Nach Ansicht des Weißen Hauses kann Selensky nichts falsch machen.

Selenskys Wunsch, den Krieg nach Russland zu tragen, mag dem Präsidenten und den ranghohen außenpolitischen Beratern im Weißen Haus nicht klar sein, wohl aber jenen in der amerikanischen Geheimdienstgemeinschaft, die Schwierigkeiten hatten, ihren Informationen und Einschätzungen im Oval Office Gehör zu verschaffen. Unterdessen geht das Gemetzel in der Stadt Bachmut weiter. Es ähnelt in seiner Idiotie, wenn auch nicht in der Zahl der Opfer, dem Gemetzel in Verdun und an der Somme während des Ersten Weltkriegs. Die für den heutigen Krieg verantwortlichen Männer in Moskau, Kiew und Washington haben nicht einmal an vorübergehenden Waffenstillstandsgesprächen Interesse gezeigt, die als Auftakt zu etwas Dauerhaftem dienen könnten. Zurzeit wird nur über die Möglichkeit einer Offensive im späten Frühjahr oder Sommer durch eine der beiden Parteien gesprochen.

Wie einige amerikanische Geheimdienstler wissen und im Geheimen berichtet haben, wird auf Betreiben von Regierungsvertretern auf verschiedenen Ebenen in Polen, Ungarn, Litauen, Estland, der Tschechoslowakei und Lettland jedoch noch etwas anderes vorbereitet. Diese Länder sind allesamt Verbündete der Ukraine und erklärte Feinde von Wladimir Putin.

Angeführt wird diese Gruppe von Polen, dessen Führung die russische Armee nicht mehr fürchtet, weil ihr Auftritt in der Ukraine den Glanz ihres Erfolgs bei Stalingrad im Zweiten Weltkrieg vergessen lässt. Sie hat Selensky im Stillen dazu gedrängt, einen Weg zu finden, den Krieg zu beenden – notfalls auch durch seinen Rücktritt – und den Wiederaufbau seines Landes in Angriff zu nehmen. Selensky lässt sich nicht beirren, wie aus abgehörten Nachrichten und anderen Daten hervorgeht, die der CIA bekannt sind, aber er beginnt, die private Unterstützung seiner Nachbarn zu verlieren.

Eine der treibenden Kräfte für die stillen europäischen Gespräche mit Selensky sind die mehr als fünf Millionen Ukrainer, die vor dem Krieg geflohen sind und die Grenzen des Landes überquert und sich im Rahmen eines EU-Abkommens für vorübergehenden Schutz, der Aufenthaltsrechte, Zugang zum Arbeitsmarkt, Wohnraum, Sozialhilfe und medizinische Versorgung umfasst, in den Nachbarländern registriert haben. Laut einer vom UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge veröffentlichten Einschätzung sind in dieser Schätzung rund drei Millionen ukrainische Flüchtlinge nicht enthalten, die ohne Visum aus dem Kriegsgebiet in eines der 27 europäischen Länder, die im Rahmen des Schengen-Abkommens die Grenzkontrollen untereinander abgeschafft haben, geflohen sind. Obwohl die Ukraine nicht zur EU gehört, genießt sie nun alle Vorteile des Schengen-Pakts. Einige vom 15-monatigen Krieg erschöpfte Staaten haben wieder gewisse Formen von Grenzkontrollen eingeführt, aber die regionale Flüchtlingskrise wird nicht gelöst, solange es kein formelles Friedensabkommen gibt.

Das UNHRC berichtet, dass der freie Reiseverkehr aus der Ukraine in die baltischen Staaten und die EU-Staaten in Westeuropa „es besonders schwierig macht, genau zu bestimmen, wie viele Ukrainer in den letzten Monaten die EU erreicht haben und wo sie sich jetzt aufhalten“. Dem Bericht zufolge handelt es sich bei der „überwiegenden Mehrheit“ der ukrainischen Flüchtlinge um Frauen und Kinder, und ein Drittel von ihnen ist unter 18 Jahre alt. 73 Prozent der Flüchtlinge im arbeitsfähigen Alter sind Frauen, viele mit Kindern.

Eine im Februar vom Council on Foreign Relations durchgeführte Analyse der europäischen Flüchtlingsproblematik ergab, dass im ersten Jahr des Krieges „zig Milliarden Dollar“ an humanitärer Hilfe in die Nachbarländer der Ukraine geflossen sind. „Da der Konflikt in sein zweites Jahr geht und kein Ende in Sicht ist“, heißt es in dem Bericht, „machen sich Experten Sorgen, dass die Aufnahmeländer müde werden.“

Vor einigen Wochen habe ich erfahren, dass die amerikanischen Geheimdienste wissen, dass einige Offizielle in Westeuropa und den baltischen Staaten ein Ende des Krieges zwischen der Ukraine und Russland wünschen. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass es für Selensky an der Zeit ist, „umzukehren“ und eine Einigung anzustreben. Ein sachkundiger amerikanischer Beamter sagte mir, dass einige in der Führung Ungarns und Polens zu denen gehören, die sich dafür einsetzen, dass die Ukraine in ernsthafte Gespräche mit Moskau einbezogen wird. „Ungarn ist ein wichtiger Akteur in dieser Angelegenheit, ebenso wie Polen und Deutschland, und sie arbeiten daran, Selensky zum Einlenken zu bewegen“, so der amerikanische Beamte. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben deutlich gemacht, dass „Selensky behalten kann, was er hat“ – eine Villa in Italien und Anteile an Offshore-Bankkonten -, „wenn er ein Friedensabkommen ausarbeitet, selbst wenn er dafür bezahlt werden muss, wenn das der einzige Weg ist, um ein Abkommen zu erzielen.“

Bisher, so der Beamte, hat Selensky solche Ratschläge abgelehnt und Angebote mit hohen Geldsummen ignoriert, die ihm den Rückzug auf ein ihm gehörendes Anwesen in Italien erleichtern sollten. In der Biden-Administration gibt es keine Unterstützung für eine Einigung, die Selenskys Abgang beinhaltet, und die Führung in Frankreich und England ist Biden gegenüber „zu verpflichtet“, um ein solches Szenario in Betracht zu ziehen. Es gibt eine Realität, die einige Elemente in der amerikanischen Geheimdienst-Community nicht ignorieren können, sagte der Beamte, auch wenn das Weiße Haus sie ignoriert: „Der Ukraine geht das Geld aus, und es ist bekannt, dass die nächsten vier Monate kritisch sind. Und die Osteuropäer sprechen über einen Deal“. Das Problem für sie, so der Beamte, „ist, wie man die USA dazu bringen kann, Selensky nicht mehr zu unterstützen“. Die Unterstützung des Weißen Hauses geht über die Erfordernisse des Krieges hinaus: „Wir zahlen alle Rentenfonds für die Ukraine.“

Und Selensky will mehr, sagte der Beamte. „Selensky sagt uns, wenn ihr den Krieg gewinnen wollt, dann müsst ihr mir mehr Geld und mehr Material geben. Er sagt uns: ‚Ich muss die Generäle auszahlen.‘ Er sagt uns“ – wenn er aus dem Amt gedrängt wird – „geht er an den Meistbietenden. Er würde lieber nach Italien gehen, als zu bleiben und möglicherweise von seinen eigenen Leuten getötet zu werden.“

„Aber wie üblich“, so der Beamte, „ist den Geheimdiensten nicht klar, was der Präsident und seine außenpolitischen Berater im Weißen Haus über die Realität wissen“, was die europäische Diskussion über einen Weg zur Beendigung des Krieges angeht. „Wir bilden die Ukrainer immer noch darin aus, unsere F-16 zu fliegen, die von Russland abgeschossen werden, sobald sie in das Kriegsgebiet kommen. Die Mainstream-Presse widmet sich Biden und dem Krieg, und Biden spricht immer noch über den großen Satan in Moskau, während es der russischen Wirtschaft gut geht. Putin kann bleiben, wo er ist“ – an der Macht – „obwohl es ihm nicht gelungen ist, die Ukraine als unabhängigen Staat von der Landkarte zu tilgen. Und er dachte, er würde den Krieg mit nur einer Luftlandedivision gewinnen“ – eine sardonische Anspielung auf Russlands gescheiterten Versuch in den ersten Tagen des Krieges, einen wichtigen Flughafen durch den Absprung einer Angriffstruppe zu erobern.

„Europas Problem“, so der Beamte, sei im Hinblick auf eine schnelle Beilegung des Krieges, „dass das Weiße Haus will, dass Selensky überlebt, während es andere gibt“ – in Russland und in einigen europäischen Hauptstädten – „die sagen, dass Selensky gehen muss, egal was passiert“.

Es ist nicht klar, ob dieses Verständnis bis ins Oval Office vorgedrungen ist. Mir wurde gesagt, dass einige der besseren Geheimdienstinformationen über den Krieg den Präsidenten nicht erreichen, und zwar ohne dass diejenigen, die die oft gegenteiligen Einschätzungen erstellen, daran Schuld wären. Biden verlässt sich angeblich auf Briefings und andere Materialien, die von Avril Haines, der Direktorin des Nationalen Nachrichtendienstes, seit dem Amtsantritt der Regierung Biden erstellt wurden. Sie hat einen Großteil ihrer Laufbahn im Dienste von Außenminister Anthony Blinken verbracht, dessen Beziehungen zu Biden und dessen Übereinstimmung mit ihm in Angelegenheiten, die Russland und China betreffen, Jahrzehnte zurückreichen.

Die einzige Rettung für einige in der Geheimdienst-Community, so wurde mir gesagt, war der CIA-Direktor William Burns. Burns war Botschafter in Russland und stellvertretender Außenminister und wird als jemand angesehen, der sich gegen einige der außenpolitischen Torheiten des Weißen Hauses gestellt hat. „Er will keine Ratte auf einem sinkenden Schiff sein“, sagte mir der Beamte.

Andererseits wurde mir gesagt, dass diejenigen in der CIA, die den President’s Daily Brief vorbereiten, nicht wissen, dass Joe Biden ein regelmäßiger Leser ihrer Geheimdienstzusammenfassung ist. Das Dokument ist normalerweise drei Seiten lang. Vor Jahrzehnten wurde mir gesagt – von jemandem, der mich damals bat, nicht darüber zu schreiben -, dass Ronald Reagan den President’s Daily Brief nur selten las, bis Colin Powell, der damals im Weißen Haus war, begann, ihn auf einem Videorekorder vorzulesen. Das Band wurde dann dem Präsidenten vorgespielt. Es ist unklar, wer, wenn überhaupt, die Initiative als Bidens Colin Powell ergreifen könnte.

Ende der Übersetzung

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