Die CIA, die NATO und die Ukraine

Im weißrussischen Minsk und im walisischen Newport wurde zu Beginn des September zur selben Zeit über dasselbe Thema gesprochen: die Lage in der Ukraine. In Minsk gab es Andeutungen, die Hoffnung auf einen Waffenstillstand machten, Kiew und die Volksmilizen schienen sich auf eine Feuerpause zu einigen. Gleichzeitig brachte der ukrainische Präsident Poroschenko in Wales die Rede auf einen möglichen Beitritt der Ukraine zur NATO. Dazu müßte der NATO-Rußland-Pakt gekündigt werden, wofür mehrere Mitglieder des atlantischen Kriegsbündnisses plädieren. Was bedeuten die scheinbar widersprüchlichen Signale?

Wo Wirrnis herrscht, muß man zu den Anfängen zurückgehen, zumal hier, da diese Anfänge offenbar in Vergessenheit geraten sind. Die USA haben über viele Jahre mit einem Finanzaufwand von fünf Milliarden Dollar, wir Außenstaatssekretärin Nuland verkündete, in Kiew einen Putsch durchgeführt, unter Federführung der CIA und unterstützt von westlichen Spitzenpolitikern. Der gewählte Präsident Janukowitsch wurde gestürzt und auf Beschluß des US-State Department Jazenjuk als Regierungschef eingesetzt. Als dann der Oligarch Poroschenko Staatspräsident wurde, schickte er das Militär in den Osten des Landes, wo sich die Menschen dem Putsch nicht hatten anschließen wollen und die neue Regierung ablehnen. Soweit die dürren Tatsachen.

Tatsache ist auch, daß die CIA nicht ohne Absicht einen Krieg anzettelt. Im Falle der Ukraine ist das Kriegsziel ganz offenkundig, das Land in die NATO aufzunehmen, zumindest aber in eine enge, möglichst vertragliche Bindung zum Nordatlantikpakt zu bringen. Auch alle aktuellen Anzeichen weisen darauf hin. Kiew hat angekündigt, die Blockfreiheit der Ukraine aufzuheben. NATO-Chef Rasmussen erklärt, das Bündnis biete Kiew eine „Beitrittsperspektive“. Zudem wird die Allianz in Wales eine Deklaration über militärische und technische Hilfe für die Ukraine annehmen.  Poroschenko kündigte an, über eine NATO-Mitgliedschaft einen Volksentscheid herbeizuführen. „Sobald das Land den Kriterien für eine Mitgliedschaft entspricht, wird das ukrainische Volk darüber entscheiden, wann und wie das passieren wird.“ Kriterien – das ist  vor allem die Kündigung der Blockfreiheit.

So gesehen ist es nur ein Vorgriff auf kommende Ereignisse, daß das Kriegsbündnis Mitte September in der Ukraine Manöver durchführen wird. Das war bereits bekannt, als die USA russische Manöver weit in Asien als eine „Provokation der USA“ bezeichnet haben. Doch sollten die Kämpfe in der Ost-Ukraine tatsächlich eingestellt werden, so wäre es politisch einfacher, nicht nur die NATO-Manöver abzuhalten, sondern auch die Aufnahme der Ukraine in das Bündnis weiter voranzutreiben. Die Taktik ist also ganz einfach. Man verursacht eine bedrohliche Lage, gibt dann, an einem scheinbaren Höhepunkt, ein wenig nach und kann so die eigentliche Absicht durchsetzen.

Daß die USA die Ukraine vereinnahmen wollen, ist nicht erst seit dem Sturz des Präsidenten Janukowitsch klar. Auskunft gibt auch ein Blick auf die Landkarte. Vom nördlichen Eismeer über ganz Osteuropa, durch Mittelasien und bis Fernost mit den Philippinen und Japan ist Rußland von US-Militärbasen umringt. Im europäischen Südosten bildet die Ukraine bislang eine Lücke. Sie zu schließen wäre für die USA umso wichtiger, als die Ukraine über den Seehafen Odessa am Schwarzen Meer verfügt.

Was das Schwarze Meer angeht, so regelt das Abkommen von Montreux die Zufahrt von Kriegsschiffen aus Ländern, die keine Anrainer sind. Zu  ihnen gehören die USA, die deshalb jede Bewegung ihrer Kriegsflotte anmelden müssen und überdies nach Zeit und Tonnage beschränkt sind, so wie jeder andere auch. Zwar setzt sich Washington in zunehmendem Maß über die vertraglichen Regelungen hinweg, doch wäre es auf Dauer natürlich ein erheblicher strategischer Vorteil, wenn man mit einer NATO-Ukraine am Schwarzen Meer einen Vasallen hätte, der geographisch sehr viel näher an Rußland liegt als etwa Rumänien oder die Türkei.

Übrigens lenkt die Politik Washingtons, mit der sie die Einkreisung Rußlands betreiben, den Blick auch auf Kirgistan. Dort hatten die USA den Luftwaffenstützpunkt Manas in Bischkek zur Verfügung ihrer Luftwaffe, eine Vereinbarung, die  aber im Juli 2013 gekündigt wurde, sodaß mit Wirkung vom Juli 2014 Manas nur noch zivilen Zwecken zur Verfügung steht. Da dieser Stützpunkt nicht nur für den Afghanistan-Krieg der NATO wichtig war, sondern Kirgistan geostrategisch ebenfalls zu dem Bogen um Rußland gehört, den die NATO gezogen hat, darf man annehmen, daß in absehbarer Zeit dort Unruhen ausbrechen könnten, die die USA zwingen werden, aus Gründen der Humanität und um der Demokratie willen irgendwem Hilfe zu leisten. Wie es halt der bewährten Strategie der CIA entspricht.

Florian Stumfall

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