Die Basisdemokratische Vision

Von Darwin Dante (free21)

Den folgenden Darstellungen liegt ein sehr gut ausgearbeitetes basisdemokratisches Konzept [1] zu Grunde, über das die Gesellschaft sowohl Produktion als auch Verteilung basisdemokratisch organisieren kann. Dieses soll hier jedoch nur in seinen Grundzügen beschrieben werden und ist der Spiegel der politischen Strukturen, über die die 5-Stunden-Woche [2] verwirklicht werden kann. Zudem soll diese zweite Schrift eine Antwort auf die Fragen sein, die die Schrift „Die 5-Stunden-Woche im historischen und volkswirtschaftlichen Kontext“ aufwarf.Lizenz: Darwin Dante,

Free21, CC BY-NC-ND 4.0

Der Mensch lebt in der Gemeinschaft. Eine Gesellschaft im Zustand der größten Ruhe könnte mit einem ruhigen See vergleichen werden.

Jede Lebensäußerung eines Menschen wirkt für die Gemeinschaft wie ein Stein, der in einen ruhigen See geworfen wird. Die kreisförmigen Wellen entsprechen der Form, wie sich die Informationen in seiner Umgebung ausbreiten. Mit dieser Metapher wird der Mensch zu einem Sender, der Wellen aussendet UND der im Mittelpunkt steht.

Und diese Metapher bildet den Schlüssel, auf dem das Verständnis jeder basisdemokratischen Abstimmung beruht.

Abstimmungen

Alle Menschen leben an einem Ort, der einer Stadt, einem Dorf oder einer Gemeinde zugeordnet ist. An diesen Orten sollen sich die Menschen in Ortsgruppen als Vereine organisieren.

In einer zukünftigen Basisdemokratie werden alle Abstimmungen von einzelnen Menschen ausgehen, die jederzeit Abstimmungen über eine Ortsgruppe ins Leben rufen können. So kann jeder Mensch einen Antragstext formulieren und in seiner Ortsgruppe zur Abstimmung auf Bundesebene einreichen.

Die Ortsgruppe muss nun feststellen, ob sie diesen Antrag unterstützt, weshalb sowohl eine Diskussion als auch eine Abstimmung zum Thema des Antrages in der Ortsgruppe notwendig wird. Diskussion und Abstimmung finden wie in der Schweiz zeitversetzt statt. Mit der Antragstellung beginnt die Phase der Diskussion, die je nach Vereinbarung mehrere Tage oder Wochen dauern kann. Dieser Zeitraum wird bei der Antragsstellung festgelegt. Nach der Antragstellung werden Veranstaltungen zur Meinungsbildung und Diskussion organisiert. Die Teilnahme hieran ist freiwillig, so dass die Wichtigkeit der Abstimmung hier schon an der Zahl der Teilnehmer erkennbar wird. Am Tag der Abstimmung wird über alle Anträge der Ortsgruppe abgestimmt, ohne dass hier noch eine Beratung zu den einzelnen Anträgen stattfindet. Hier legt die Ortsgruppe fest, ob sie den Antrag unterstützt oder ablehnt.

Kommt es zur Ablehnung, wurde die beantragte Abstimmung auf Bundesebene schon in der Ortsgruppe gestoppt. Dieser natürliche Filter in der Ortsgruppe ist notwendig. Denn Gegner der Basisdemokratie sollen keine Gelegenheit erhalten, durch eine Fülle von sinnlosen Anträgen die Gesellschaft entscheidungsunfähig zu machen.

Bei einer Zustimmung vergrößert sich der Abstimmungsradius wie eine Welle, die ein Steinwurf in einem ruhigen See erzeugt. Auf dem Gebiet der Stadt bzw. Kommune muss nun in allen Ortsgruppen zu diesem Antrag abgestimmt werden. Ist für Abstimmungsanträge, die nicht aus der eigenen Ortsgruppe kommen, ein Diskussionsrahmen von drei Wochen festgelegt, so liegt das Abstimmungsergebnis von allen Ortsgruppen nach spätestens vier Wochen vor. Bei einer Ablehnung wird die Abstimmung auf Kommunen- bzw. Stadtebene gestoppt und weitet sich nicht weiter aus. Wieder erkennen wir einen Filter gegen radikale weltanschauliche oder religiöse Gruppierungen, die sich einer Ortsgruppe bemächtigt haben können. Bei einer Zustimmung erweitert sich wiederum der Abstimmungsradius auf Landesebene. Das Muster, wie sich dieser Abstimmungsradius vergrößert, bleibt immer gleich. Er kann sich je nach Antrag einer Ortsgruppe auf Stadt, Kommune, Land, Bund oder EU ausdehnen.

Schema Abstimmungen

Das Ausschusswesen

Die Wahl ist eine Sonderform der Abstimmung, bei der eine oder mehrere Personen in ein Gremium gewählt werden. In einer Basisdemokratie sind fachliche oder wissenschaftliche Ausschüsse die Gremien, die Lösungsvorschläge zu einem Problem erarbeiten und dann der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen. Nach der Vorlage gilt wieder die Trennung von Diskussion und Abstimmung. Der Zeitraum ist schon einheitlich auf drei Wochen festgelegt, da der Antrag zur Abstimmung nicht aus der eigenen Ortsgruppe stammt.

Zu jedem Thema oder Problem kann ein eigener Ausschuss auf der Stadt-, Landes-, Bundes- oder EU-Ebene gebildet werden. Das Mandat des Ausschusses bezieht sich nur auf genau ein Thema oder Problem und ist auf andere Aufgaben nicht übertragbar.

Das Einzugsgebiet, in dem über die Beratungsergebnisse abgestimmt wird, richtet sich danach, für welche Ebene (Ortsgruppe, Stadt, Land, Bund, EU) der Ausschuss tätig war. D.h., über die Lösungsvorschläge eines Ausschusses eines Bundeslandes wird nur dasselbe Bundesland abstimmen. Im Ergebnis ist die Basisdemokratie mit ihrem Ausschusswesen ein lösungsorientiertes System, da von den Ortsgruppen ausgehend für konkrete Probleme Fachausschüsse gebildet werden. Diese analysieren das jeweilige Problem und geben verschiedene Lösungsvorschläge an die Bevölkerung zurück. Nach der Übermittlung der Lösungsvorschläge erlischt das Mandat und der Ausschuss wird aufgelöst. Für den Vollzug des jeweiligen Abstimmungsergebnisses wird ein neuer Ausschuss durch eine Wahl gebildet. Dies ist notwendig, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Mitglieder eines Ausschusses werden über die Ortsgruppen gewählt. Die Zahl der Mitglieder in den Ausschüssen ist nicht beschränkt.

Jedes Mitglied ist jeder berufenden Ebene (Ortsgruppe, Stadt, Land, Bund, EU) jederzeit Rechenschaft pflichtig. Jede Ebene kann die von ihr berufenen Ausschussmitglieder jederzeit absetzen (Scherbengericht). So kann eine Ortsgruppe auch jederzeit jedes von ihr berufene Mitglied z.B. aus einem Bundesausschuss absetzen, während durch eine Abstimmung in Bayern nur die bayrischen Mitglieder desselben Bundesausschusses abgesetzt werden können.

Hiermit schließen wir die Betrachtungen zum theoretischen Idealbild einer Basisdemokratie.

Schema Ausschusswesen

Schnittstelle zum Parlamentarismus

Mit der Arbeitsweise unseres Idealbildes sollen Abstimmungen nach Artikel 20 unseres Grundgesetzes verwirklicht werden.

Nach den demokratischen Regeln und Gesetzen eines jeden Landes können die basisdemokratischen Prinzipien für eine zunehmende Selbstorganisation der Bevölkerung genutzt werden.

Diese Selbstorganisation beginnt in den Kommunen und erweitert sich zunehmend auf Landes- Bundes- und EU-Ebene. Der Zeitpunkt, an dem sich eine Parlamentarische Demokratie zu einer Basisdemokratie weiterentwickelt, wird jedoch vom Organisationsgrad der Bevölkerung bestimmt. Denn es müssen entsprechende Mehrheitsverhältnisse bestehen, so dass gesetzgebende Abstimmungen in den Parlamenten das Tor öffnen.

In den Kommunen werden die Basisdemokraten zunächst damit anfangen, sich für die Wahl in die Stadtparlamente aufzustellen. Sind sie erstmals in den kommunalen Parlamenten vertreten, beginnt die Einflussnahme auf die Parlamentarische Demokratie. Jeder Antrag, der in dem jeweiligen Kommunalen Parlament abgestimmt werden soll, wird vor der Abstimmung auf dem Platz vor dem Rathaus der Bevölkerung vorgetragen. Hiernach soll die Bevölkerung zum Antrag abstimmen. Anschließend werden die Vertreter der Basisdemokraten im jeweiligen Parlament verkünden, dass sie im Namen des Volkes den Willen des Volkes vertreten und werden entsprechend dem Verhältnis der abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen im Parlament ihre Stimme abgeben.

Diese öffentlichen Abstimmungen soll es im übertragenen Sinne auch auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene geben. Sobald die organisatorischen Strukturen auf kommunaler Ebene stehen, wird ein Internetprogramm geschrieben werden. Dieses soll die Abstimmungen unterstützen, die über den Abstimmungsradius einer Ortsgruppe hinausreichen. Alle Abstimmungen der Bevölkerung werden dann öffentlich in den Ortsgruppen der Basisdemokraten durchgeführt. Im Internetprogramm veröffentlichen dann alle Ortsgruppen ihre Abstimmungsergebnisse, geordnet nach Abstimmungsantrag, mit allen Ja- und Nein-Stimmen und Enthaltungen. Diese Veröffentlichung dient der Transparenz und der Kontrolle der Basisdemokraten durch die Bevölkerung. Denn diese war bei der jeweiligen Abstimmung in ihrer Ortsgruppe anwesend und überprüft die Veröffentlichungen.

Das Zusammenzählen der Ortsgruppenergebnisse für jeden einzelnen Antrag und für jede Abstimmungsebene, ist eine weitere Aufgabe des Abstimmungsprogramms. Dies muss für die Bevölkerung nachvollziehbar erfolgen. Für jede Abstimmung besäße dies in etwa das Aussehen eines Excel-Sheets, auf dem die Abstimmungsergebnisse jeder Ortsgruppe aufgelistet und am Ende zusammengezählt werden. Mit diesem Ergebnis erteilt die Bevölkerung den Mandatsträgern der Basisdemokraten den Abstimmungsauftrag für die jeweilige parlamentarische Ebene. Die Mandatsträger der Basisdemokraten in den Parlamenten werden ihren Abstimmungsauftrag aus dem Internetprogramm entgegennehmen und dann im Verhältnis der abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen abstimmen.

Schema Schnittstelle Parlamentarismus

Der basisdemokratische Gesellschaftsorganismus

Aus der vorangegangenen Beschreibung lässt sich leicht dieses Gesamtbild ableiten, welches wir entwarfen und in der Vergangenheit auch der Partei dieBasis als Organisationskonzept anboten.

Dieser ist leicht als basisdemokratischer Gesellschaftsorganismus erkennbar. Der linke Kreislauf umfasst die Beratungen der Ausschüsse und alle Abstimmungen, die durch ein Netzwerk von basisdemokratischen Vereinen gewährleistet werden. Der rechte umfasst alle Anträge in den Parlamenten zu Gesetzen und Verordnungen, die von den parlamentarischen Mandatsträgern der Basisdemokraten zur Abstimmung an die Bevölkerung weiter gereicht werden. Dieses Modell ist sehr effizient, denn bundesweite Abstimmungen lassen sich hiermit innerhalb von drei Wochen durchführen.

Den „Kopf“ bilden die Versammlungen der Bevölkerung, welche als Souverän das oberste Organ der Demokratie ist. Der Wille des Volkes wird hier in unmittelbaren Abstimmungen festgestellt, womit die Abstimmungen der „Pulsschlag“ sind. Dies ist das „Herz“ der Basisdemokratie. Die Ergebnisse der Abstimmungen sind schließlich die Weisungen an die Organe der Basisdemokratie und ihre Mandatsträger als „Hände und Füße“ der Basisdemokratie.

Dies ist unser Modell für eine Basisdemokratie, welches nach unserem Rechtsstandpunkt auch dem Artikel 20 des Grundgesetzes genügt.

Schema Basisdemokratischer Gesellschaftsorganismus

Anträge zur Abstimmung

Selbstverständlich kann jede Person über ihre Ortsgruppe einen Antrag für eine Abstimmung auf jeder parlamentarischen Ebene stellen. Dies funktioniert wie oben unter dem Abschnitt „Abstimmungen“ beschrieben. Bei Zustimmung werden die Mandatsträger der Basisdemokraten den Antrag aus dem Internetprogramm entnehmen, im Parlament einreichen und bei der parlamentarischen Abstimmung entsprechend dem Abstimmungsverhältnis der Basisdemokraten stimmen.

Stellen wir nun den Bezug zu meinem Artikel “Die 5-Stunden-Woche und der Zweck der Arbeit im historischen und volkswirtschaftlichen Kontext“ her [3]. Durch gezielte Gesetzesanträge in den Parlamenten könnten wir versuchen, alle Lohnarbeiten der KaputtMach Wirtschaft aufzulösen. Die frei werdenden Arbeitskräfte könnten damit auf die verbleibenden Lohnarbeiten aufgeteilt werden, so dass eine umfassende Arbeitszeitverkürzung möglich wird.

Es könnte also sein, dass für eine EU-weite Abstimmung ein Papier in unserer Gruppe eingereicht wird, in dem folgender Antrag zur Abstimmung gestellt wird:

„Für Die Grünen besteht der Umweltschutz in der Verringerung des Konsums.

Dies ist nicht nötig.

In den 1930er-Jahren wurde von den Industriellen die Obsoleszenz-Wirtschaft entwickelt. D.h., dass die Industrie vorsätzlich in ihren Produkten Sollbruchstellen oder Verschleißteile einbaut, um damit eine eingebaute Kurzlebigkeit bei ihren Produkten zu erreichen [4].

In dieser Folge entsteht der Raubbau an den irdischen Ressourcen, schätzungsweise 80 – 90% der weltweiten Umweltverschmutzung, der größte Teil der industriell verbrauchten Energie und eine Unmenge an mehrfach geleisteter Arbeit, die wegen der Kurzlebigkeit unserer Produkte notwendig wird.

Der Schlüssel für die Verbesserung des Umweltschutzes liegt damit in der Verlängerung der Lebensdauer unserer industriellen Produkte.

Wir mögen daher als Gruppe und Teil der basisdemokratische Bewegung zur Verbesserung des Umweltschutzes beschießen, dass:

(1) die Maßnahmen der geplanten Obsoleszenz für alle industriellen Produkte verboten werden und bei der Entwicklung die größtmögliche Verlängerung der Lebensdauer für die industriellen Produkte anzustreben ist.

(2) ein Ausschuss ins Leben gerufen wird, der zusammen mit den heute tätigen Reparatur-Kaffees Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensdauer von industriellen Produkten entwickelt und veröffentlicht. Diese sollen zu einem Maßnahmenkatalog zusammen gefasst und für die Industrie per Gesetz verbindlich vorgeschrieben werden. Verstöße gegen diesen Maßnahmenkatalog sollen zudem haftungs- und strafrechtlich verfolgbar werden.“

Neben den Gesetzen gegen die geplante Obsoleszenz wären auch folgende EU-weite Anträge zur Abstimmung möglich:

„Wir mögen als Gruppe und Teil der basisdemokratische Bewegung als Sozial- und Arbeitspolitische Maßnahmen beschießen, dass:

(1) ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen ist, welches Armut und Obdachlosigkeit unmöglich macht.

(2) die Überproduktion an Lebensmitteln den Bürgerinnen und Bürgern kostenfrei zur Verfügung zu stellen ist, da der Staat den Bauern für die Vernichtung der Überproduktion fast immer eine Ausgleichszahlung leistet und damit die Lebensmittel sowieso allen gehören.

(3) Bullshit Jobs und Arbeitslosigkeit abzuschaffen sind und die freien Arbeitskräfte auf Berufe umgeschult werden, in denen sie zur allgemeinen Arbeitszeitverkürzung eingesetzt werden können.

(4) der Staat schrittweise die wöchentliche Arbeitszeit gesetzlich zu senken habe, bis nur noch 0,1% Arbeitslosigkeit herrscht. Steigt die Arbeitslosigkeit wieder, so muss der Staat mit weiteren gesetzlichen Senkungen der Arbeitszeit reagieren, bis die Arbeitslosigkeit wieder bei 0,1% liegt.

(5) der Staat die wöchentliche Arbeitszeit schrittweise gesetzlich anzuheben habe, sobald ein Mangel an Arbeitskräften entsteht. Die Höchstgrenze soll bei 40 Stunden pro Woche liegen.

(6) bei Arbeitszeitsenkungen oder Arbeitsverlust das Einkommen durch die Zahlung des bedingungslosen Grundeinkommens zu gewährleisten ist.“

Im Gleitflug zur 5-Stunden-Woche

Unschwer entnehmen wir obigen Anträgen, dass wir uns hiermit im Zielanflug auf die 5-Stunden-Woche befinden und nun das Ziel direkt anvisieren werden.

Die Mehrheit der Gesellschaft kann durch weitere Gesetzesinitiativen (wie oben) bewusst ein Überangebot an allen Gütern herstellen. Dem Finanzkapital kann so die materielle Kontrolle über die Gesellschaft entzogen werden. Die Mehrheit einer Gesellschaft kann nun über basisdemokratische Abstimmungen auch die Eigentumsstruktur der Gesellschaft bestimmen, so dass insbesondere alle Eigentumsrechte, die die Nutzung von Produktionsmitteln zur Herstellung der Überproduktion unterbinden, fallen können.

Wären alle Güter im Überfluss vorhanden, würde Geld das, was es ist: überflüssig!

Denn wenn alles für jeden im Überfluss zur Verfügung steht, welchen Sinn macht dann noch ein Handel oder Geld?

Jede Form von eigentumsbasierter Waren- und Geldwirtschaft könnte abgeschafft werden und damit auch alle hiermit in Verbindung stehenden Arbeiten. Eine zweite Welle von Umschulungsmaßnahmen zur Verkürzung der Arbeitszeit könnte folgen. Mit der Verteilung der güterwirtschaftlich noch notwendigen Arbeiten, die zuvor Lohnarbeiten waren, kann die Arbeitszeit weiter gesenkt werden.

Bezogen auf Abbildung 5 würden nicht nur die Lohnarbeiten der KaputtMach Wirtschaft entfallen. Nein, auch die Finanzelite, ihre Manager, ihre Lobbyisten und ihre politische Klasse in den Parteien und Parlamenten dürfen dann gerne einer richtigen Arbeit in der Güterwirtschaft nachgehen und mitarbeiten. Die Arbeit dieser Tagediebe würde genauso entfallen, wie die Arbeit ihrer Lakaien in Staat und Wirtschaft z.B. in den Banken, Versicherungen oder Steuerabteilungen. Nur der in grün gezeichnete Bereich der güterwirtschaftlich notwendigen Lohnarbeit in der Realwirtschaft würde bleiben. Verteilen wir nun alle frei werden Arbeitskräfte auf diesen Bereich, so bliebe für jeden von uns nur noch eine 5-Stunden-Woche übrig.

Abbilung 5: Verteilung der Arbeit in den westlichen Industriestaaten im Spätimperialismus

Endlich hätten wir Zeit, so dass sich Mütter wie Väter im gleichen Maße um ihre heranwachsenden Kinder kümmern und auch sonst alle Reproduktionsarbeiten unter sich aufteilen können.

Wir hätten Zeit für ein lebenslanges Studium oder um uns um die basisdemokratische Selbstorganisation der Gesellschaft zu kümmern.

Aber die 5-Stunden-Woche ist nur ein Rechenwert und sie bietet keine Lösung für alle gesellschaftlichen Probleme. So kann eine Ausbildung von Menschen mit 5 Stunden pro Woche nicht funktionieren. Zur Lösung dieser Fragestellung könnten Lebensarbeitszeit-Konten vorgesehen werden, so wie sie Andre Gorz in seinem Buch: Wege ins Paradies“ schon in die Diskussion warf [5].

Die jungen Erwachsenen könnten in einer 40 Stunden Woche ihre Ausbildung durchführen und bis zum 35. Lebensjahr ihre Berufserfahrung sammeln. Danach könnten sie in Rente gehen oder nach Lust und Laune mitarbeiten und hätten dennoch ihr ganzes Leben vor sich.

Das Land der Universalgelehrten und Müßiggänger

Doch die Diskussionen um die Konten für Lebensarbeitszeit oder der richtigen Verteilung der Arbeit erscheint mir als unbedeutend und als ein Relikt des 20. Jahrhunderts. Es entspringt einem fehlenden Verständnis von Menschen, die nicht begriffen haben, vor welchem Phänomen wir mit der 5-Stunden-Woche stehen.

Die Freizeit allein wird den Menschen verändern. Denn ein Mensch, der Ruhe und Zeit für sich selbst findet, wird neugierig und aufgeschlossen. Er wird sich Dingen zuwenden, die seine Aufmerksamkeit und Neugierde wecken. Er wird das Unbekannte neugierig untersuchen, weil er nun die Zeit besitzt, sein Verständnis für das Andersartige zu schärfen und auszureifen. Er wird sich selbständig eine Beschäftigung suchen, die ihm Freude und Spaß bereitet und darüber hinaus, ohne dass er es in besonderem Maße bemerkt, sein Verständnis für die ihn umgebenden Dinge schärfen. Die Menschen werden nach Aufgaben suchen, die sie in ihrer körperlichen und geistigen Leistungskraft voll ausfüllen.

Und warum?

Der Mensch ist ein Wesen, das nichts schlechter ertragen kann als Langeweile! Beobachten Sie sich selbst, wie unruhig und unausgeglichen Sie werden, wenn Sie nichts zu tun haben und es Ihnen so richtig langweilig wird. Wir alle werden uns wie kleine Kinder verhalten, die anfangen, auf ihrem Stuhl zu zappeln und zu quengeln. Auch Sie fangen an, zu überlegen, was Sie jetzt noch machen könnten oder ob Sie sogar mit einer Sache neu beginnen, zu der Sie schon immer Lust hatten, zu der Sie aber wegen Ihrer vielen Arbeit nie kamen.

Sehen Sie, und genau so handeln Menschen, die nicht durch irgendwelche sozialen Missstände daran gehindert werden, Dingen nachzugehen, zu denen sie Lust verspüren. Unser natürliches Aktivitätsbedürfnis wird uns zu diesem Verhalten drängen!

Und noch etwas Wesentliches wird geschehen:

Je mehr die Menschen ihren persönlichen Neigungen nachgehen, desto mehr Wissen werden sie ansammeln und desto mehr Bildung werden sie sich selbsttätig erarbeiten.

Wie Sie sicherlich aus eigener Erfahrung wissen, ist eine Neigung, der Sie nachgehen, nur solange wirklich fesselnd und spannend, solange sie ihre Neuheit nicht durch Wiederholung und Monotonie verliert und eintönig wird. Wenn Sie also der Anziehungskraft eines „Hauptneigungsgebietes“ folgen, wird sich ihr Interessengebiet automatisch wandeln, weil sich die Neuheiten eines Interessengebietes nach einer bestimmten Zeit erschöpfen. Sie erschließen sich durch das gewonnene Wissen neue Wissensgebiete, die Ihre Aufmerksamkeit durch die nun auf Sie einströmenden, unbekannten und spannenden Dinge fesseln.

Sie werden diesen Sachverhalt sicherlich schon bei ihren Bekannten beobachtet haben und wissen, dass die Bildung eines Menschen mit dem Wandel seiner ernsthaften Interessengebiete zunimmt. In seiner Konsequenz bedeutet diese Beobachtung für die von mir beschriebene neue Gesellschaft, dass der normale Mensch mit dem Erreichen eines gewissen Alters ein Universalgelehrter sein wird!

Selbst wenn es den Universalgelehrten, „der alles Wissen dieses Universums mit sich herumschleppt“, nicht geben wird, so wird das Wissen und die Bildung des einzelnen um ein Vielfaches höher ausfallen, als dies heute der Fall ist! Diese Wissensmenge wird ohne weiteres mit den heutigen Vorstellungen von einem Universalgelehrten vergleichbar sein!

D.h., die Änderung unseres Sozialverhaltens und die Entstehung einer Gesellschaft von Universalgelehrten werden im unmittelbaren Zusammenhang zur 5-Stunden-Woche stehen.

Die Wohlfahrt als bewusste Fürsorgeverbindlichkeit

Kehren wir zum Ausgangspunkt meiner These, zur Arbeit und zur Änderung des Sozialverhaltens zurück:

Durch die geringe Menge an Arbeit wird jeder von uns wesentlich mehr Zeit besitzen. D.h., wir werden alle erheblich mehr Zeit für unsere Familien und unsere Freunde haben. Menschen, die uns wertvoll sind, werden an unserem Leben wesentlich mehr teilhaben können, weil uns nicht die Zeit für sie fehlt. Sie werden unsere Begeisterungsstürme erleben, wenn wir von Dingen erzählen, die uns gerade fesseln. Die wechselseitige Anteilnahme an den Erlebnissen des anderen erzeugt eine viel tiefere Verbundenheit, als dies heute der Fall ist, wodurch auch die Verbindlichkeit unserer sozialen Bande erheblich kräftiger ausfallen wird. D.h., die 5-Stunden-Woche wird für das Sozialgefüge unserer Gesellschaft folgende Wirkung besitzen:

  1. Unsere Freundeskreise werden größer ausfallen.
  2. Jeder einzelne von uns wird wesentlich eher bereit sein, für einen anderen etwas zu tun, insbesondere dann, wenn er zum persönlichen Freundeskreis gehört.

Die Familien und die sozialen Bande innerhalb unserer Freundeskreise werden ihren alten Stellenwert zurückgewinnen und wieder vom Gefühl der Zuneigung, Hingabe und Fürsorge getragen, so wie es vor dem industriellen Zeitalter in jeder Lebensgemeinschaft üblich war. D.h., dass sich auch unsere Einstellung zum sozialen Dienst am Menschen ändert, welcher heute lediglich eine Lohnarbeit darstellt und ohne ein Interesse am Menschen betrieben wird. Zum überwiegenden Teil werden wir die sozialen Dienste selbst übernehmen, weil uns der Mensch, den wir betreuen, persönlich wichtig und wertvoll ist. Es wird so sein, wie es heute schon in 70% aller schweren Pflegefälle ist. Die Pflegebedürftigen werden von der eigenen Familie betreut, weil der Familie der Mensch, der zum Leben der Familie gehört, wichtig ist. Das Abschieben in ein Pflege- oder Altersheim geschieht selbst heute nur dann, wenn es entweder der Pflegebedürftige nicht anders will oder die familiäre Bindung gestört ist oder die finanziellen Lebensumstände keinen anderen Weg offen lassen.

Ich glaube, dass sich das Sozialverhalten mit der 5-Stunden-Woche so wandelt, dass selbst Alten- und Pflegeheime fast vollständig wegfallen, weil die Menschen nicht mehr bereit sind, ihre lieb gewonnenen Gefährten freiwillig Fremden auszuliefern! Der Gedanke, dass ihre Gefährten in diesen Heimen nur noch aufbewahrt, verwaltet und am Leben erhalten werden, wird ihnen abscheulich, abstoßend und unmenschlich vorkommen!

D.h., dass der überwiegende Teil aller sozialen Dienstleistungen als „erzwungene“ Fürsorgepflicht entfällt, sobald die Menschen wieder die Zeit finden, diese selbst zu übernehmen und die Geld- und Eigentumswirtschaft, welche beim Menschen nur Konkurrenz, Abgrenzung und Neid verursacht, abgeschafft ist.

Der Wandel unseres Arbeitsverständnisses

Selbst unser Verhältnis zur Arbeit wird sich völlig ändern, weil auch Sie eine 5-Stunden-Woche unmöglich als Arbeit empfinden können. Die Arbeit verliert bei solch einem geringen Maß die Eigenschaften der Zwanghaftigkeit und Belastung! D.h., dass selbst unser Verhältnis zur Arbeit einer völligen Wandlung unterliegen wird.

Bei einem solch geringen Arbeitsaufkommen werden wir mit Lust und Freude zu unseren Arbeitsstätten ziehen, so wie wir auch heute mit Freude an unsere Arbeitsplätze zurückkehren, wenn das Betriebsklima in Ordnung ist und dort einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen, die uns Spaß macht. Der Wandel unserer Arbeitsauffassung, in die von mir beschriebene, ist nicht nur denkbar, sondern die einzig realistische Folge, die die Änderung aller materiellen und gesellschaftlichen Lebensumstände mit sich bringt.

Eine Gesellschaft, in der die Menschen alle materiellen Bedürfnisse nach ihrem Gutdünken jederzeit befriedigen können, in der das Geld, die Lohnarbeit und der Zwang zum wirtschaftlichen Konkurrenzkampf entfällt und in der die tatsächliche Arbeitszeit auf einen Wert von 5 Stunden pro Woche sinkt, unterliegt automatisch tiefgreifenden Umwälzungen, die zwangsläufig zu psychosozial bedingten Veränderungen im Verhalten und Denken der Menschen führen müssen!

Es werden Lebensgemeinschaften entstehen, die dem Wesen der früheren Großfamilie gleichen und in denen sich die Menschen gegenseitig beistehen und helfen. Die Menschen werden ganz von selbst anfangen, ihr Leben nach dem Maßstab der gegenseitigen, freiwilligen Hilfeleistungen zu organisieren und füreinander die Sozialfürsorge übernehmen. Denn hierin wird jeder einzelne ein Höchstmaß an eigenen Vorteilen entdecken, weil dies der beste Schutz gegen eventuelle eigene Unfälle darstellt. Dies wird im bewussten Interesse eines jeden aufgeklärten Menschen liegen, weil die soziale Gruppe sein bester Rückhalt und seine beste „Sozialversicherung“ ist. Das Wesen dieser Menschen wird sich in seiner Friedfertigkeit, Aufgeschlossenheit und Hingabebereitschaft dem angleichen, wie es zum Teil heute noch in Bali ist.

Die Betätigung, die wir Arbeit nannten

Der heutige Begriff der Arbeit wird in Vergessenheit geraten, weil wir zu einer sinnvollen Tätigkeit, der wir mit Lust nachgehen, natürlich ein ganz anderes Verhältnis entwickeln.

Eine freiwillige Tätigkeit, die keine Lohnarbeit ist, wird nicht als zwanghaft empfunden!

Solange Menschen schöpferischen Tätigkeiten in ihrer Freizeit nachgingen, waren sie immer sinnvoll und beinhalteten als unbeabsichtigten Nebeneffekt die Erledigung eines Teils des güterwirtschaftlichen Arbeitsaufkommens. Somit wird, wenn wir alle den uns Freude bereitenden Tätigkeiten nachgehen, automatisch immer ein Teil der güterwirtschaftlich notwendigen Arbeit erledigt, da fast alle Tätigkeiten einen solchen sinnvollen Teil beinhalten. Des weiteren sind die einzelnen Menschen in ihren Wesensarten so vielgestaltig, dass nur die wenigsten ein wirklich identisches Interessengebiet besitzen. Die Menschen einer Gemeinschaft werden daher alle anfallenden güterwirtschaftlich notwendigen Arbeiten allein durch ihre unterschiedlichen persönlichen Interessengebiete abdecken, weil sie sich durch die Verschiedenheit ihrer Neigungen gegenseitig ergänzen!

Das Ziel der 5-Stunden-Woche ist somit nicht mehr die Revolution als plumper bewaffneter Aufstand, der lediglich eine politische Umwälzung fordert, sondern sie ist die Evolution des Menschen selbst.

Quellen:

[1] Die Basisdemokraten e.V.: Handbuch für basisdemokratisches Handeln; http://www.die-basisdemokraten.org
[2] Darwin Dante: 5 Stunden sind genug / Die 5-Stunden-Woche /Prinzipien einer Herrschaftsfreien Gesellschaft; Manneck Mainhatten Verlag; Nov. 1993; ISBN 3-9803508-1-9.
[3] https://free21.org/der-zweck-der-arbeit-im-historischen-und-volkswirtschaftlichen-kontext/
[4] Jürgen Reuß, Cosima Dannoritzer: Kaufen für die Müllhalde: Das Prinzip der Geplanten Obsoleszenz; 1. März 2013; ISBN 978-3936086669.
[5] Andre Gorz: Wege ins Paradies; 1983; ISBN: 3880222797.

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1 Kommentar

  1. Ja guten Morgen! Was ist daran basisdemokratisch, wenn weiterhin ein EU-Parlament berücksichtigt wird? Außerdem ist mir das viel zu strukturell angelegt! Es steht und fällt alles mit dem Geist, der innewohnen sollte und eben nicht mit der alleinigen Betrachtung auf die Struktur, mag sie noch so ausgeklügelt sein! Im Prinzip, wenn die Menschen sich einig wären, welche Struktur bräuchte es noch? Ein einig Sinnen und Streben, daß ist es, worauf es ankommt! Global wird das, solange Mensch denkt und lenkt, wohl nie zu erreichen sein, aber regional ist es das entscheidende Credo!

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