Die „Bankenhasser“ der FAZ

Nur die halbe Wahrheit

Von Norbert Berthold (wirtschaftlichefreiheit)

„Geld allein macht nicht unglücklich.“ (Straßenbahnwerbung der Volks- und Raiffeisen-Bank Würzburg)

Für die Banken kommt es gegenwärtig knüppeldick. Für (fast) alle Übel dieser Welt wird ihnen die Schuld zugewiesen. Eine wachsende Mehrheit (wütender) Bürger ist es leid, die finanzielle Suppe auszulöffeln, die ihnen nicht lernwillige Bankster immer wieder einbrocken. Opportunistische Politiker aller Couleur leisten geschlossen Widerstand gegen die finanziellen Bösewichte. Und nun schießt auch noch die Wirtschaftsredaktion der FAS, das ordnungspolitische Gewissen der FAZ, gegen die (Groß-)Banken. Sie schlägt sich auf die Seite der linken Kritiker und empört sich über heuchlerische Banken. Sie sind die Schurken im üblen Spiel einer verlogenen Politik, die Steuerzahler für bankenmäßiges Fehlverhalten zur Kasse bittet.

Der Stein ihres Anstoßes ist: „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren – so lautet das skandalöse Geschäftsmodell der Banken. Mit diesem Modell haben sie die Welt an den Rand des Abgrunds gebracht. Sie täten es heute wieder: Banken sind verantwortlich dafür, dass der Ruf der Marktwirtschaft tief in Misskredit kam. Und sie tun bis heute viel zu wenig, diesen Schaden zu heilen.“ Rainer Hank und Winand von Petersdorff fordern als geeignete Remedur eine 25 %ige Eigenkapitalquote der widerspenstigen, heuchlerischen Banken: „Was also tun, wenn die Banken nicht freiwillig ihr Kapital erhöhen? Dann muss man sie zwingen.“ Der Kredit der Banken ist nun auch bei der FAS aufgebraucht.

Banken als finanzielle Bösewichte

In der Finanzkrise machten die Banken eine schlechte Figur. Viele drehten ein zu großes Rad, gingen zu hohe Risiken ein, vernachlässigten Systemrisiken und hielten viel zu wenig Eigenkapital. Das Risikomanagement war ineffizient, systemische Risiken wurden ausgeblendet. Ineffiziente Regulierungen erleichterten das Fehlverhalten, die Unterlegung ihrer Geschäfte mit Eigenkapital war mangelhaft. Das eigentliche Problem war und ist allerdings „moral hazard“. Die sichere Hilfe des Staates im Ernstfall verführte dazu, halsbrecherische Risiken einzugehen. Dieses dysfunktionale institutionelle Arrangement privatisiert Erträge riskanter Geschäfte und bürdet den Steuerzahlern die Kosten auf.

Als die Blase schließlich platzte, nahmen Banken skrupellos Staaten als Geiseln. Oft leistete die Politik allerdings Beihilfe zur eigenen Geiselnahme: Eine bevorzugte steuerliche Behandlung von Fremdkapital, fehlende Transparenz bei Zweckgesellschaften und falsche Risikogewichte bei Staatsanleihen in den Bankbilanzen. Auch Notenbanken begünstigten riskantes Verhalten. Eine zu expansive Geldpolitik bereitete den Boden für billiges Geld und geringe Risikoprämien. Private und Staaten verschuldeten sich übermäßig. Den Anreizen konnten sie nicht widerstehen. Handlung und Haftung gerieten aus der Balance. Höhere Eigenkapitalquoten sind geeignet, Abhilfe zu schaffen.

Opportunistische Politiker als Täter

Der Kern des Problems liegt allerdings tiefer. Der Euro hat die Risikofreude der Banken weiter erhöht. Die Aussicht auf einen Haftungsverbund in der Eurozone hat die Banken zu noch riskanteren Geschäften verführt. Tatsächlich hat aber die Eurokrise gezeigt, dass die Banken nicht nur Täter, sondern auch Opfer sind. Der Grund liegt auf der Hand: Staatspapiere sind nicht mehr risikolos. Eine verantwortungslose Schuldenpolitik hat aus Teilen der Staatsanleihen toxische Papiere gemacht. In den Bankbilanzen lagert nun neben privatem auch staatlicher finanzieller Giftmüll. Um den Zusammenbruch der EWU zu verhindern, lagert die EZB einen Teil des Giftmülls der Banken zwischen.

Ohne die Hilfe der Banken, sind viele Staaten aufgeschmissen, ihre Defizite in den Haushalten zu decken. Die Banken sind die eigentlichen Finanziers der nicht steuerfinanzierten Haushaltslöcher. Sie halten den größten Teil der Staatspapiere. In den europäischen Krisenländern noch mehr als anderswo. Die Politik wird deshalb den Teufel tun, höhere Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung der Banken durchzusetzen. Mit einem solchen Schritt würde sich die staatliche Verschuldung mit einem Schlag verteuern. Die billige Finanzierung über die Banken wäre passé. Der opportunistischen Politik bliebe nichts anderes übrig als die Ausgaben grundlegend zu überdenken: Ein Albtraum für jeden Politiker.

Zukunftsvergessene Wähler als Sünder

Es ist ebenfalls zu kurz gesprungen, der Politik die Schuld am finanziellen Schlamassel zu geben. Der Schluss liegt zwar nahe, weil die Politik die Staatsverschuldung nutzt, um Wahlen zu gewinnen. Ihre Kunst besteht darin, möglichst viele Gruppen spürbar zu begünstigen und die finanziellen Lasten möglichst unfühlbar auf die breite Masse zu verteilen. Tatsächlich fordern die Wähler immer neue Leistungen, wollen aber dafür immer öfter nicht bezahlen. Staatliche Verschuldung scheint dieses Kunststück möglich zu machen. Tatsächlich leben gegenwärtige auf Kosten künftiger Generationen. Der Schuldenkrug geht aber nur solange zum Brunnen, bis er bricht. Staatsanleihen werden unsicher.

Staatliche Papiere sind nicht per se toxisch. Werden die finanziellen Mittel sinnvoll investiert, profitieren davon alle, gegenwärtige und zukünftige Generationen. Das Problem entsteht erst, wenn die Mittel konsumtiv eingesetzt werden. Das ist der Fall. Der wichtigste Treiber ist der Sozialstaat. Ein Großteil der auf Pump finanzierten staatlichen Leistungen wird für konsumtive Zwecke verausgabt. Diese Ausgaben sind aber meist Ausgaben, um die Vergangenheit zu bewältigen, nicht um die Zukunft zu gestalten. Der Status quo dominiert. Die Chancen für wirtschaftliches Wachstum werden verspielt. In hochverschuldeten Ländern explodieren über kurz oder lang die Risikoprämien für Staatspapiere.

Die Moral von der Geschicht

Die Banken als unbelehrbare, verantwortungslose Glücksritter zu verteufeln, die auf Kosten der Steuerzahler ihre Spiele spielen, trifft den Kern der Probleme auf den Finanzmärkten nur bedingt. Es ist zwar ökonomisch gefährlich und politisch unerträglich, dass Banken die Staaten in Geiselhaft nehmen können. In der Finanzkrise waren die Banken vor allem Täter. Notwendig ist eine radikale Reform des Bankensystems. Höhere Eigenkapitalquoten schieben einen Riegel vor.  In der Eurokrise sind allerdings die Banken eher Opfer. Auf den ersten Blick sind die Politiker die Bösewichte. Die werden aber auch von gegenwartsversessenen Wählern getrieben. Beide wollen mehr staatliche Leistungen auf Pump.

Kein Wunder, dass Politiker und Wutbürger nach Sündenböcken suchen. Es ist Heuchelei, allein die Banken für das finanzielle Schlamassel verantwortlich zu machen. Ein jeder kehre zuerst vor der eigenen Tür. Der Lackmustest, wie es die Wähler mit der Staatsverschuldung halten, ist die Reform der Ausgabenseite. Und der fällt negativ aus, nicht erst seit dem Vertrag der Großen Koalition. Eine ernsthafte Reform staatlicher Ausgaben stößt auf erbitterten Widerstand. Besitzstände sind sakrosankt. Die Bürger wollen nicht für das bezahlen, was sie vom Staat erhalten. Wir verschulden uns weiter zu Lasten künftiger Generationen und protestieren gegen die Banken. Das ist Pharisäertum pur.

Fazit

Eine Reform des Bankensektors ist unerlässlich. Die geplante Bankenunion löst das Problem des „moral hazard“ nicht. Ein Leben auf Kosten von Dritten ist erst dann nicht mehr möglich, wenn Handlung und Haftung zusammenfallen. Nur so wird verhindert, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden. Das Prinzip von Handlung und Haftung gehört zur DNA der Ordnungspolitik. Andrew Haldane, der Exekutivdirektor für Finanzstabilität der Bank of England, hat vorgeschlagen, dieses Prinzip mit einer einfachen Regel zu installieren: Einer signifikant höheren harten Eigenkapitalquote der Banken. Der neue Nobelpreisträger Eugene Fama teilt seine Meinung. Martin Hellwig fordert 20 – 30%. Das gefällt aber weder Bankern noch Politikern und auch nicht den Wählern.

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