Die Angst der Politiker vor den Spaziergängern

Autor Vera Lengsfeld

Nur wenige Tage nachdem der Thüringer Innenminister Maier (SPD) die so genannte „Zivilgesellschaft“ dazu aufgerufen hat, es nicht der Polizei zu überlassen, gegen Kritiker der Corona-Politik aktiv zu werden, hat er beigedreht. Die Topmeldung in den Nachrichten von MDR Kultur heute Morgen war, dass Maier die aktuelle Verordnung, „genehmigte“ Demonstrationen im Freien dürften nicht mehr als 35 Teilnehmer haben, aufheben will. Auf dem Erfurter Domplatz könnten sich gut 1000 Teilnehmer versammeln, auf „einem Dorfanger oder in verdichteten Altstädten“ jedoch nicht. Maier hat immer noch nicht begriffen, dass es im Grundgesetz keine Genehmigungspflicht für friedliche Versammlungen gibt. Ihm geht es darum, die staatliche Kontrolle zurückzugewinnen, indem er Zugeständnisse macht. Das zeigt, dass die Spaziergänge wirken. Allein in Thüringen, berichtet die „Thüringer Allgemeine“, hat sich die Zahl der Orte, an denen Spaziergänge stattfanden, von 54 am 27. Dezember auf 67 am 10.1. erhöht. Laut Polizeiangaben wären an diesem Januarmontag 20800 Spaziergänger unterwegs gewesen. Jedoch wird diese Angabe von der TA mit dem bemerkenswerten Satz relativiert: „Allerdings schätzen Demonstrationsbeobachter, dass deutlich mehr Menschen unterwegs gewesen sein könnten“.

In der Tat, denn auf der Lokalseite wird die Teilnehmerzahl für Sondershausen mit 100 angegeben, wo ich schon zu Beginn mehr als 150 Spaziergänger gezählt habe und am Schluss mehr als 250 versammelt waren. Sollte in ganz Thüringen ähnlich fehlerhaft gezählt worden sein, waren deutlich mehr als 40 000 Menschen auf der Straße.

Wie sehr der Druck wirkt, der von den Spaziergängern entfaltet wird, ist auch in der „Thüringer Allgemeinen“ spürbar. Nachdem Anfang der Woche die TA noch mit peinlicher, politikkonformer Titelseite erschienen ist, zeigt sie plötzlich, dass sie auch anders kann. Auf Seite zwei wurde am heutigen 12. Januar ein langes Interview mit Innenminister Maier abgedruckt, in dem er sich tatsächlich sehr kritischen Fragen von Fabian Klaus stellen muss.

Kostprobe: „Warum muss Demokratie gegen Krankenschwestern, Studenten, Arbeiter, Rentner etc. verteidigt werden? Das sind Menschen aus der Mitte der Gesellschaft.“ Als Maier ausweicht und behauptet, er hätte nie gesagt, dass es sich bei den Demonstranten „ausschließlich um Rechtsextremisten“ handele, erfolgt die Nachfrage: „…warum ausgerechnet gegen die die Demokratie verteidigt werden muss, die keine Extremisten sind?“

Um sich herauszuwinden, greift Maier wieder zur Denunziation: „Wer sich Aufrufen anschließt, die ganz offensichtlich aus dem rechtsextremistischen Bereich oder dem radikalen Querdenkermilieu kommen, der hat den Demokratischen Grundkonsens verlassen.“

Wo das geschehen sein soll, lässt Maier offen, leider fehlt hier eine zweite Nachfrage. Fakt ist, dass es für die Spaziergänge keine Aufrufe gibt. Es handelt sich bei Maiers Einlassung also um pure Verleumdung.

Am Schluss des Interviews kommt es für den Innenminister knüppeldicke: „Ganz aktuell warnen Sie vor einer Verrohung der politischen Kultur. Welchen Beitrag leisten Sie selbst, wenn Sie in einer aufgeheizten Stimmung dazu aufrufen, Widerstand gegen die Protestler zu leisten?“ Maier weicht aus, sein Appell wäre nicht als Aufruf zur Gewalt zu verstehen gewesen.

Nachfrage: „Sie haben auch gesagt, dass dürfe nicht allein der Polizei überlassen werden. Damit verschieben Sie das Gewaltmonopol des Staates“. So wollte es Maier nicht gemeint haben und verweist ungeschickterweise auf ein „Angebot von Leuten, die wollten mich beschützen, als vor meinem Haus aufmarschiert werden sollte“. (Man beachte den mehrfachen Konjunktiv).

Nachfrage: „Maiers Bürgerwehr?“ Auf diese Schlagzeile will der Innenminister dann doch lieber verzichten.

Das TA-Interview beweist, dass es noch kritischen Journalismus gibt. Die Kunst, Politiker mit ihren eigenen Widersprüchen zu entlarven, ist noch nicht tot. Das dieses Interview erschienen ist, ist den Montagsspaziergängern zu verdanken. Sie dürfen jetzt nicht nachlassen!

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1 Kommentar

  1. München: Drah di net um – der Spaziergänger, der geht um…

    In München haben es Passanten wieder einmal geschafft, die Polizei über das gesamte Stadtgebiet zu zerstreuen. Überall an den Straßen lauerten paranoide Polizisten Fußgängern auf und verdächtigten sie, an einer „Versammlung“ teilnehmen zu wollen. Begründung: Man sei so warm angezogen. Oder man bewege sich in einer „Gruppe“ von 5 Leuten, meinte ein anderer Sherlock Holmes. Theorien, die nicht einmal der kühnste Verschwörungstheoretiker von sich gegeben hätte. Und so existierte diese mysteriöse Versammlung von „Spaziergängern“ auch nur in den Polizeihirnen, denn es war keine zu sehen, außer einer großen Polizeiversammlung im ganzen Stadtgebiet. Immer wieder machten sich diese Paranoiker per Lautsprecher lautstark Mut, die nicht existierende Versammlung sei „aufgelöst“. Sicher doch – nur jetzt nicht widersprechen. Der ganze Auftrieb erschien wie eine Sekte, die an eines ganz fest zu glauben schien: an den geheimnisvollen und schrecklichen „Spaziergänger“, der überall zu sein schien, aber auch nirgends. Leider waren nicht genügend Ärzte zugegen, um die Uniformierten zu versorgen. So jagten sie auf der Suche nach dem unsichtbaren Feind mit Blaulicht durch die Stadt oder ritten gar auf Pferden, wie einst der gute alte Don Quichotte auf Rosinante bei seinem Ritt gegen die Windmühlen. Und während sie Luftnummern nachjagten, hielten sie sich für unbesiegbar. Zwischendurch brezelte sich Don Söders Ninja-Sekte immer wieder vor harmlosen Fußgängern auf. Auf sein martialisches Aussehen angesprochen, nuschelte ein Ninja etwas in seine Gesichtswindel, aus der man schließen konnte, dass in diesen Kreisen auch eine panische Angst vor Keimen umgeht – typisch für eine Paranoia. Das sei seine „Arbeitskleidung“, erklärte er seine kriegerische Aufmachung, woraus man schließen konnte, dass seine „Arbeit“ in Prügeln, Schießen und Melden besteht. Nicht jeder kann sein Geld eben auf ehrliche Art und Weise verdienen. Jedenfalls produzierte die Paranoia der Staatsregierung wieder jede Menge Überstunden; lange kann das nicht mehr gut gehen, bis die bayerische Sancho Panzerei an der Belastungsgrenze angekommen ist. Sie alle folgten jedoch ihrem großen Don Söder und seinem Sancho Panza Herrmann, die geradezu eine panische Angst vor „Spaziergängern“ zu haben scheinen. Ein paar Leute zu Fuß stürzen das korrupte Regime von einer Panikattacke in die nächste. Jede Psychose endet aber irgendwann im Zusammenbruch, weil der sich verfolgt Fühlende seine gesamten Energien auf sinnlose „Verteidigungsmaßnahmen“ verschwendet, bis er erschöpft zusammenbricht. Das sollte man sich merken. Die bayerische Kabinettssitzung soll bereits einer Therapiegruppe gleichen, wo man sich an den Händchen hält und sich gegenseitig seine Alpträume vom schrecklichen Spaziergänger erzählt. Verfolgungswahn ist eben der Anfang und das Ende jeder Diktatur.

    G.W.

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