Daniela Gschweng (infosperber)
Ein Auto kostet die deutschen Steuerzahlenden jährlich 5000 Euro. Sonst könnten sich selbst Gutverdienende kaum ein Auto leisten.
Versicherung, Steuer, Vignette, Werkstatt, Winterreifen, Waschanlage … und irgendwo abstellen muss man den fahrbaren Untersatz auch. Autofahren kostet eine Menge Geld. Die meisten Leute bemerken gar nicht, wie viel. Besonders grössere Reparaturen oder Unfallschäden werden unterschätzt, fand eine Studie, die 2022 in der Zeitschrift «Ecological Economics» veröffentlich wurde.
Um die privaten oder auch «internen» Kosten ging es den Forschenden in «The lifetime cost of driving a car» aber nur zum Teil. Sie wollten wissen, wie viel ein Auto in Deutschland insgesamt kostet – inklusive der Kosten für Strassen, öffentliche Parkplätze, Gesundheits- und Umweltschäden. Selbst die Zulassung von Fahrlehrern kostet Geld. All das gehört zu den sozialisierten oder «externen» Kosten, die die Allgemeinheit bezahlt.
Jeder Verbrenner in Deutschland kostet die Allgemeinheit 5000 Euro im Jahr
Und diese zahlt beim Autofahren kräftig dazu. Für jeden Verbrenner in Deutschland legt sie 5000 Euro im Jahr drauf, rechneten die Mobilitätsforschenden Stefan Gössling, Jessica Kees und Todd Litman aus.
Bildlich gesprochen: Wenn der Nachbar mit dem Auto zum Briefkasten fährt, zahlt das ganze Quartier mit. Und zwar zwischen 0,31 und 0,35 Euro pro Kilometer – berechnet für einen Opel Corsa und einen Mercedes GLC. Zwischen 45 und 86 Cent pro Kilometer bezahlt der Halter selbst. Neben den Kosten für einen Corsa 1.2 und dem Mercedes-SUV berechneten die Forschenden auch die Kosten für einen VW Golf, der als Mittelklassewagen dazwischenliegt.
Die Studienautor:innen gingen davon aus, dass alle drei Fahrzeuge 50 Jahre halten und jährlich 15’000 Kilometer zurücklegen. Ersteres ist eher optimistisch, Letzteres ein für Deutschland typischer Wert. Der Kleinwagen kostet die deutschen Steuerzahlenden während seines Autolebens rund 234’000 Euro, der Golf 238’000 Euro und der SUV 264’000 Euro – macht durchschnittlich 5000 Euro pro Fahrzeug und Jahr.
Ein Opel Corsa wird dabei zu 41 Prozent von anderen mitfinanziert, der Mittelklasse-Golf zu 38 Prozent, und der Mercedes-SUV zu 29 Prozent. Das sieht zwar nach kleineren Kosten für grössere Fahrzeuge aus, in absoluten Zahlen kostet der Mercedes SUV die Allgemeinheit aber am meisten.
Am meisten zahlen die, die nicht einmal ein Auto besitzen
Wer wenig verdient, zahlt dabei am meisten drauf. Geringverdiener in der Stadt wohnen meist dort, wo die Luft schmutzig, die Umgebung lärmig und die Mieten deshalb günstig sind. Oft haben sie gar kein Auto. Wer mehr Geld hat, wohnt eher in ruhigen Nebenstrassen oder in Aussenquartieren mit mehr Grün. Für Menschen mit geringem Einkommen auf dem Land sind Fahrzeuge meist der teuerste Posten auf der Ausgabenliste. Lange Fahrtzeiten, Stau, Unfälle und Verkehrsbehinderungen betreffen sie besonders.
Nachgerechnet: Selbst ein günstiges Auto ist für viele zu teuer
Ein Auto ist für den Einzelnen erschreckend teuer, wenn man die Kosten auf die gesamte Lebenszeit des Besitzers oder der Besitzerin hochrechnet.
Ein alleinstehender ungelernter Arbeiter («Unskilled Worker») müsste für einen Mercedes GLC ganze 69 Prozent seines Nettolebenseinkommens ausgeben, bei einem Opel Corsa 1.2 wären es noch immer 36 Prozent. Einen besserverdienenden Experten («Outstanding Specialist») mit einem doppelt so hohen Lebenseinkommen kostet der Kleinwagen 19 Prozent seines Einkommens.
Selbst ein günstiges Auto ist also eigentlich zu teuer. Wenn man davon ausgehe, dass ein Durchschnittshaushalt 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Miete ausgebe, blieben ungefähr 15 Prozent für Transport, argumentieren die Autor:innen der Studie. Eine eher optimistische Annahme – in vielen Gegenden Deutschlands geben Mieter nach Angabe des Mieterbunds längst deutlich mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Wohnung aus. Wer ein Auto gebraucht kauft oder sich die Kosten mit anderen teilt, spart andererseits aber auch Geld.
Trüge die Allgemeinheit nicht einen grossen Teil der Kosten, könnte sich aber selbst der Wohlhabendere kein Auto mehr leisten. Die Kosten für einen Opel Corsa würden für den Experten («Outstanding Specialist») auf 32 Prozent seines Nettolebenseinkommens steigen:
Die Autor:innen der Studie trafen einige Annahmen und Schätzungen. Verzögerung durch Stau berechneten sie beispielsweise als Arbeitszeit, was man kritisieren kann. Ungehindertes Fortkommen zur Rush-Hour ist ja kein Normalzustand und sollte es eventuell auch nicht sein. Unfalltote und Gesundheitseinbussen berechneten sie nach verlorenen Lebensjahren. Verglichen mit dem deutschen Automobilclub ADAC, der diese Kosten nicht berücksichtigt, kommen die Mobilitätsforschenden auf höhere Zahlen.
Am teuersten am Autofahren sind Luftverschmutzung und Landverbrauch
Am teuersten für die öffentliche Hand – und damit für alle – sind aber ohnehin Luftverschmutzung, Landverbrauch und das Parken am Strassenrand (curbside Parking). Dinge, die einem meist nicht auffallen, weil man sich längst daran gewöhnt hat, wie viel Platz Autos benötigen.
Ganz überraschend ist das nicht. Die drei Co-Autor:innen der Studie sind auch nicht die ersten, die diese Rechnung aufstellen. Eine Metastudie der TU Dresden von 2012 berechnete beispielsweise, dass in den EU-27-Ländern jedes Jahr zwischen 258 und 373 Milliarden Euro an gesellschaftlichen Kosten für Automobile anfallen. Hängen bleibt aber, dass Autos für den Einzelnen und für die Allgemeinheit um einiges teurer sind als bisher angenommen.
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