Im Zuge von Diskussionen über Wahlmanipulation bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich rückt auch die Briefwahl in Deutschland ins Visier. Es gibt statistische Auffälligkeiten und strukturelle Schwachstellen, die Manipulationen erleichtern könnten.
Quelle: transition-news
Im Schweizer Kanton Bern gab es vor einigen Jahren eine heiß umstrittene Abstimmung. Eine Separatistenbewegung wollte das im Jura gelegene Städtchen Moutier dem Kanton Jura anschließen. Ein erster Urnengang war wegen möglicher Beeinflussungsversuche durch die Regierungsstatthalterin annulliert worden.
Die bernische Kantonsregierung hatte beim zweiten Versuch wieder Bedenken in Bezug auf Manipulation durch die separatistische Stadtregierung von Moutier und wollte zuerst die Briefwahl verbieten. Man einigte sich dann darauf, dass Briefwahl möglich sei, dass aber die Couverts ans Bundesamt für Justiz geschickt würden und dass dann die ganze Auszählung der Briefwahl- und der Urnenwahlstimmen unter dessen Aufsicht am Abstimmungstag erfolgen würde.
Bei der Briefwahl, einst als Erleichterung für Wähler gedacht, eröffnet die verlängerte Zeitspanne zwischen Stimmabgabe und Auszählung mehr Möglichkeiten für Manipulationen. Gleichzeitig wird die Identität der Wähler weniger rigoros geprüft, was die Sicherheit der Briefwahl beeinträchtigen könnte. Doch wie belastbar sind diese Bedenken?
Der Wissenschaftler Jochen Renz hat die deutschen Wahlergebnisse der letzten Jahre schon vor einiger Zeit überprüft. Das Resultat wirft Fragen auf, wurde aber von den großen Medien kaum rezipiert. Angesichts der nahenden Bundestagswahl wäre es aber höchste Zeit dazu.
Seine Untersuchungen basieren auf einem Vergleich von Briefwahl- und Urnenwahlergebnissen bei insgesamt neun Wahlen, darunter Bundestagswahlen und Europawahlen. Die Annahme: Der Anteil der Briefwahlstimmen sollte sich für alle Parteien über die Jahre hinweg proportional entwickeln.
Unregelmäßigkeiten könnten auf Manipulation oder spezifische soziodemografische Muster hinweisen. Renz geht von einer Bundespräsidentenwahl in Österreich aus, die aufgrund von Auffälligkeiten vor einigen Jahren annulliert und wiederholt werden musste.
Gemäß Renz sollte es selbstverständlich sein, dass wie in anderen demokratischen Ländern, zum Beispiel in Österreich, direkt im Anschluss an eine Wahl die kompletten Wahlergebnisse veröffentlicht werden – also inklusive der Unterscheidung in Brief- und Urnenwahl für alle Parteien und für alle Wahlkreise und in maschinenlesbarer Form.
Im Unterschied zu Österreich sieht die Wahlordnung in Deutschland nicht vor, dass die vollständigen Wahlergebnisse, aufgeschlüsselt nach Briefwahl und Urnenwahl bis auf Wahlkreisebene, zeitnah veröffentlicht werden. Dies würde aber Transparenz schaffen und das Vertrauen in den demokratischen Prozess stärken.
Aufgrund der zunehmenden Nutzung der Briefwahl sollte der Anteil der Briefwahlstimmen bei allen Parteien ähnlich ansteigen. Zugleich sollten Abweichungen im Laufe der Zeit weitgehend konstant bleiben, da die Wählerschaften großer Parteien sehr divers sind.
Wenn für eine Partei oder Wahl auffällige Abweichungen von diesen Mustern auftreten, könnte dies ein Hinweis auf Manipulationen bei den Briefwahlstimmen sein. Renz betont jedoch, dass Kennzahlen nur eine vereinfachte Darstellung komplexer Prozesse sind und individuelle Entscheidungen und Faktoren die Briefwahl beeinflussen können. Dennoch ermöglichten aggregierte Daten über lange Zeiträume die Erkennung von Trends und Abweichungen, die weiter untersucht werden sollten.
Renz identifiziert zwei markante Abweichungen zwischen Urnenwahl- und Briefwahlergebnissen, die sich signifikant vom langjährigen Trend unterscheiden. Er nimmt dabei die Europawahl als Vergleich, da es ziemlich unwahrscheinlich sei, dass es bei einer Europawahl Wahlfälschung gebe. Das Wahlergebnis habe zu wenig Bedeutung, da die deutschen Europaabgeordneten nur eine Minderheit aller Abgeordneten stellen. Eine Fünfprozenthürde gebe es ebenfalls nicht. Es gebe also kaum Gründe, diese Wahl zu fälschen.
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist die Bundestagswahl 2005: Da verzeichnete die CDU einen ungewöhnlichen Anstieg der Briefwahlstimmen, insbesondere in den alten Bundesländern, mit einem Fokus auf Nordrhein-Westfalen. Dieser Anstieg führte dazu, dass Angela Merkel statt Gerhard Schröder Bundeskanzlerin wurde. Der plötzliche Wechsel des Briefwahltrends betraf fast alle Parteien und unterbrach langjährige Entwicklungen.
Die AfD und die Wahlen 2013, 2014 und 2017:
- Bei den Bundestagswahlen 2013 und 2017 zeigte die AfD teils widersprüchliche Ergebnisse im Vergleich mit der Europawahl 2014. Während sie bei der Europawahl 2014 überdurchschnittlich gut abschnitt, verlor sie bei den Bundestagswahlen massiv an Stimmen durch die Briefwahl. 2017 war der Verlust durch Briefwahl sogar der größte unter allen Parteien.
- Diese schlechten Briefwahlergebnisse hatten konkrete politische Auswirkungen: 2013 verfehlte die AfD knapp den Bundestagseinzug, und 2017 fehlte ihr die Sitzanzahl, um gemeinsam mit anderen Oppositionsparteien einen Untersuchungsausschuss einzusetzen oder eine Normenkontrollklage einzureichen.
Die widersprüchlichen Ergebnisse werfen Fragen auf:
- Mögliche Manipulationen: Besonders bei der AfD wird spekuliert, dass es aufgrund der ablehnenden Haltung vieler etablierter Parteien und Medien gegenüber der AfD möglicherweise zu bewussten oder unbewussten Manipulationen bei der Briefwahl gekommen sein könnte. Einzelpersonen könnten zum Beispiel die falsche Auszählung als «staatsbürgerliche Pflicht» empfunden haben, um ein Erstarken der AfD zu verhindern.
- Zufällige Ursachen: Renz meint jedoch, dass sich diese Abweichungen auch zufällig ergeben haben könnten, was er aber wohl – wenn man zwischen den Zeilen liest – als nicht sehr wahrscheinlich ansieht.
Renz kritisiert, dass die fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Wahlergebnissen Misstrauen schüren. Ohne überprüfbare Wahlen sei der Sinn demokratischer Prozesse infrage gestellt.
Wer dem Auszählungsprozess bei der Briefwahl zum Bundestag misstraut, wäre wohl gut beraten, sich direkt an die Urne zu begeben.
Quelle:
Gibt es Anzeichen von Wahlfälschung bei der Bundestagswahl? – 6. Februar 2018
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