Deutschland in Europa III/III

von Michael Obergfell (fortunanetz)

Europa führte 2 Weltkriege. Beide Weltkriege wurden angeblich von Deutschland alleine begonnen und auch nur von Deutschland verloren. Der genauere Blick auf die Historie zeigt, dass beides nicht stimmt.

Europa war nie eine Einheit und hat letztlich nie konstruktiv zusammen gearbeitet – zumindest kann man dies bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges so behaupten. Der Kontinent hat eine lange Geschichte, in der sich viele Großmächte herausbildeten, die aber nur bestehen konnten, solange Deutschland nicht geeint war. Eine Deutsche Einheit kam erst 1871 zustande. In der Zeit davor wurden Bestrebungen, eine solche Einheit zu schaffen, durch die Interventionen ausländischer Mächte verhindert – das wird vor allem im Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648 deutlich sichtbar.
Deutschland wiederum scheiterte daran, die einmal errungene Einheit zu bewahren. Nur in der kurzen Periode der bismarckschen Außenpolitik gelang es, eine Isolation und Einkreisung Deutschlands in Europa zu verhindern. Anschließend verwickelte es sich in 2 Weltkriege und verlor am Ende seine erst kürzlich errungene nationale Souveränität.

Dass Deutschland am Ersten Weltkrieg alleine Schuld war wird mittlerweile ganz offen von namhaften Wissenschaftlern in der englischsprachigen Welt in Frage gestellt und damit wird deutlich gemacht, dass der Erste Weltkrieg eben nicht allein die Schuld Deutschlands war. Die Folgen des Ersten Weltkrieges, die Hitler erst möglich machten, sind „europäische“ Beiträge zum Zweiten Weltkrieg, denn gerade die Alleinschuld-These hat aufgrund ihrer offensichtlichen Ungerechtigkeit zu derartig viel Hass auch und vor allem in Deutschland geführt, dass dies Hitler die Türen in den Reichstag erst geöffnet hat.

Dass Deutschland, bzw. die deutschen Eliten insgesamt, an dem Desaster einen wesentlichen Anteil hatten ist unbestritten. Schließlich machten sie wiederholt den Fehler, sich in einen Zweifrontenkrieg manövrieren zu lassen. Und gerade die Politik Bismarcks hat gezeigt, dass dies vermeidbar gewesen wäre…. Leider entschieden sich die deutschen Eliten für einen anderen und fatalen Weg.

Die Behauptung, dass Deutschland beide Kriege ebenso alleine verloren hat, wie sie diese begonnen hat, ist ebenfalls ein unglaubliches Märchen – insbesondere für alle kleinen Europäer, die sich tunlichst darin üben, nicht zu denken. Fakt ist, dass Europa in seiner Gesamtheit nach jedem Krieg eine weitere Runde in der weltpolitischen Bedeutung abgestiegen ist, bis es am Ende des Zweiten Weltkriegs insgesamt abgestiegen ist und nur noch als Wurmfortsatz der Supermächte existiert und dabei mithin eine völlige politische Bedeutungslosigkeit erreicht hat. Nicht nur Deutschland hat die beiden Weltkriege verloren, Europa hat sie verloren.

III.I Europa nach dem Zweiten Weltkrieg

Deutschland verlor mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges seine Souveränität und wurde ein besetztes Land. Europa verlor mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges seine weltweite Dominanz und sieht sich seitdem nur noch im Verbund mit den USA als politisch handlungsfähig.

Die Aufteilung Deutschlands war zudem verbunden mit der Spaltung des Kontinents. Die Trennlinie verlief mitten durch Deutschland. Die Tatsache, dass die Mauer durch Deutschland verlief bestätigt die ursprüngliche These, dass allein ein fehlendes Machtzentrum in der Mitte die Existenz der anderen europäischen Großmächte garantiert und auch erst ermöglicht. Das war 1648 so, das war während des deutschen Dualismus zwischen Preußen und Österreich so und die Deutsche Einheit wurde so schnell wieder verspielt und zerstört, wie sie gewonnen war. Das dauerte keine 100 Jahre bis sie wieder verschwunden war. Und wieder war jede Großmacht Europas, sei dies Großbritannien, Frankreich oder Russland darauf erpicht, einen größtmöglichen Einfluss auf deutschem Gebiet zu erringen und nun kam aufgrund der allgemeinen Schwäche der Europäer auch noch die USA dazu, die eben auch ein vitales Interesse daran hat, dass keine europäische Großmacht mehr aufkommt, die womöglich als ehrlicher Makler die anderen europäischen Staaten anführen und zusammen führen könnte… das könnte ja die Gewichte weltpolitisch wieder verschieben….

Wäre es nach Großbritannien und Frankreich gegangen, wäre Deutschland womöglich dauerhaft in „Zonen“ eingeteilt gewesen. Wäre es nach der Sowjetunion gegangen, wäre Deutschland zwar wiedervereinigt, aber entwaffnet und kommunistisch gewesen. Alle diese „Modelle“ die da fleißig diskutiert worden waren, liefen immer wieder darauf hinaus dass Deutschland machtlos und schwach bleibt.

Es war das Verdienst der USA, dass sie einen wirtschaftlichen Wiederaufbau und einen Weststaat zugelassen haben. Es war damit auch und vor allem ein Verdienst der USA, dass sie einen wichtigen Beitrag zur späteren erneuten Deutschen Einheit beigetragen haben. In der Tat dürfte es schwieriger sein, 4 oder 5 Teilstaaten wieder zu vereinigen als eben nur 2.

Unter dem Schutzschirm der USA konnte sich eine deutsch-französische Aussöhnung vollziehen, die unter Bismarck vermieden wurde und weder im wilhelminischen Kaiserreich noch im Hitlerdeutschland irgend eine Chance hatte. Auf den Trümmern jener Politik stehend, gelang es doch noch, sich die Hand zu reichen – nachdem alles zerstört war….

Die deutsch-französische Aussöhnung war die Keimzelle einer Zusammenarbeit zwischen den westlichen europäischen Staaten, die in die EU einmündete. Dennoch war aufgrund der Kriege die Aufgabe einer europäischen Einheit ungleich schwieriger. Zwar war Deutschland nicht mehr souverän, dafür aber war der Kontinent radikal geteilt und damit eine „Einigung“ Europas in weite Ferne gerückt. Nun war zwar das „deutsche Problem“ weg, dafür verhinderte nun die Ost-West-Teilung ein einiges Europa.

III.II Die neue „Deutsche Einheit“

Erst der Zusammenbruch der Sowjetunion eröffnete ein kurzes Zeitfenster, in dem eine neue „Deutsche Einheit“ möglich wurde. Allerdings war dies mehrfach keine Einheit, wie sie mit Bismarck erreicht worden war.

Einerseits war die Deutsche Einheit von 1990/1991 keine „Vereinigung“ in dem Sinne, dass zwei deutsche Staaten die Vereinigung suchten, denn die ostdeutschen Gebiete wurden eher angeschlossen, weshalb man ja auch richtigerweise von einem „Beitrittsgebiet“ sprach. Der Ostdeutsche Staat war aufgrund der Schwäche der Sowjetunion einfach untergegangen und schloss sich der BRD an – ohne dass ein Schuss gefallen war. Und während die Sowjetunion ihre Truppen abzog, blieben die US-Amerikaner, Franzosen und Briten ohne jede weitere Begründung mit reduzierten Truppenkontingenten einfach da…

Der zweite wesentliche Punkt der gänzlich anders war als bei der Deutschen Einheit von 1871 ist die Tatsache, dass die Teilung Europas leider tiefe Spuren hinterlassen hat, auch dann wenn wir sie im Alltag gar nicht richtig wahrnehmen. Osteuropa ist nicht mehr das, was es einmal war. Während noch im Kaiserreich Städte wie Königsberg, Prag, Wien, Warschau oder Budapest noch als Weltstädte galten, wissen die wenigsten Deutschen heute noch irgend etwas über diese ehemaligen Zentren europäischer Kultur. Mehr noch: es gibt Staaten in Osteuropa, die kaum jemand kennt, wie zum Beispiel die Slowakei oder Moldawien. Außer den Balkanstaaten Rumänien und Bulgarien gibt es kaum westeuropäische Touristen. Beispielsweise wissen die Wenigsten, dass es in der Slowakei uralte und mondäne Kurorte gibt, die früher europaweit bekannt waren, oder dass Königsberg einmal ein Kulturzentrum mit Rang und Namen war. Kaum jemand kennt die Skigebiete in Polen, die z. B. ein Kardinal Wojtyla eifrigst zum Skifahren nutzte. Das alles sind Urlaubsregionen, die einmal europaweit bekannt waren – und heute in Deutschland kaum noch bekannt sind…. von den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in den Regionen ganz zu schweigen.

Die Teilung Europas hat die Osthälfte des Kontinents in ein kulturelles Niemandsland für den Westen des Kontinents gemacht. Das ist in vielen Regionen bis heute so geblieben – und die aktuellen Auseinandersetzungen in der Ukraine machen das leider auch nicht besser… Wir sind heute von einer Europäischen Einheit wesentlich weiter entfernt als vor den beiden Weltkriegen!

Der dritte wesentliche Punkt ist aber, dass Helmut Kohl sich sehr bewusst war, dass eine deutsche Wiedervereinigung für die übrigen Großmächte Europas als Gefahr empfunden werden würde. Und deshalb verband er die Deutsche Einheit sofort mit einem politischen Projekt der Europäischen Einheit. Angedacht war von Kohl eine Europäische Union mit einheitlicher Währung und einheitlichem Zentralstaat. Die Idee war, mit der Union Souveränitäten aller Nationalstaaten aufzugeben und so weitere Konflikte zu verhindern. Das sollte so sein, weil ein geeintes Deutschland als Bedrohung empfunden werden könnte.

Die DM sollte um des europäischen Friedens willen geopfert werden. Deutschland würde Souveränität abgeben! Und die anderen Staaten wollten dies ebenfalls tun. ALLE sollten sich an die Stabilitätskriterien halten, NIEMAND sollte für die Schulden eines anderen Staates einstehen müssen. Und über eine europäische Verfassung sollte die Abgabe der Souveränitätsrechte geregelt werden und so eine Neuauflage des über 1000 Jahre alten Konfliktes zwischen einem starken Deutschland und seinen europäischen Nachbarn verhindert werden.

Wir sehen also: Die europäische Union und der Euro sollten verhindern, dass der Konflikt Deutschland – Europa wieder aufflammt. Und die politisch Verantwortlichen der damaligen Zeit wussten genau, dass sie all das eben WEGEN der Einheit Deutschlands in die Wege leiten und zwar ganz zu Recht. Ohne eine Regelung wiederholt sich nämlich die Geschichte, dass es zu Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und seinen Nachbarn kommen MUSS.

III.III Die Entwicklung der „Union“ und es Euro bis jetzt

Wir alle wissen, es kam alles ganz anders. Kohl soll über Merkel sogar einmal empört ausgerufen haben: „Die macht mir mein Europa kaputt!“ Schon dieser Ausruf hätte aufhorchen lassen müssen – selbst bei den konsumierenden Schlafschafen. Nur leider haben die keine Ahnung um was es eigentlich geht. Leider wissen sie nicht, dass es bei diesem Ausruf Kohls nicht darum ging, dass ein alternder Kanzler um sein Lebenswerk fürchtet, sondern dass es dabei darum geht, ob wir alle am Leben bleiben oder noch einen weiteren „Dritten“ Krieg erleben werden. Kurzum: Es geht um IHR Leben, nicht mehr und nicht weniger. Das interessiert aber offensichtlich niemanden so richtig. Ist ja auch egal: ist es erst einmal schief gegangen holt man sich eben ein neues Leben aus der Tasche…. wir haben es ja! Womöglich glaubt ja die „Generation Computer“, dass es einen Reset-Knopf gibt, wenn das „Spiel“ mal wirklich in die falsche Richtung läuft?

Das Erstaunliche an der Geschichte der EU und des Euro ist, dass man daran sehr schön sehen kann, dass die alten Konflikte nicht tot sind! Anstatt wirklich ehrlich und in gleicher Weise die Souveränität zu teilen und eine gemeinsame Währung stabil zu halten, obsiegten die nationalen Interessen bei allen Beteiligten. Niemand hielt sich an die Stabilitätskriterien, die no-bailout-Klausel wurde mit Füßen getreten! Statt einer Stabilitätskultur haben wir eine überbordende Staatsverschuldung der meisten Eurostaaten. Statt einer Stabilitätskultur haben wir eine Transferunion. Und statt einer europäischen Verfassung haben wir….Nichts! Denn die europäische Verfassung ist gescheitert. Das Europäische Parlament hat kein Initiativrecht und kann auf demokratischem Wege keine Gesetze auf den Weg bringen. Demokratie ist nicht das Anliegen dieser EU.

Die Merkwürdigkeiten der „EU“ könnte man noch weiter vertiefen, das wäre aber aufgrund des mittlerweile unübersehbaren Meeres an Verstößen gegen den gesunden Menschenverstand ein eigener Vortrag von mehreren Seiten und sprengt den Rahmen dieses Artikels vollständig.

Bleibt noch zu erwähnen, dass es nicht nur die Staatschefs der anderen Länder, unserer sogenannten „Freunde“ sind, welche versuchen die Souveränität Deutschlands zu beschneiden – mit dem Ziel ein Erstarken Deutschlands als einer gleichberechtigten Macht in der EU zu verhindern. Es sind auch viele deutsche Politiker dabei. So empfahl der Obergrüne Joschka Fischer schon vor Jahren, dass Deutschland freiwillig seine Souveränitätsrechte zugunsten eines geeinten Europas abgeben soll. Auch Wolfgang Schäuble hat dies mehrfach betont und sogar behauptet, den Deutschen fiele es aufgrund ihrer Geschichte besonders leicht, Souveränität abzugeben – eine an Zynismus kaum noch zu überbietende Äußerung.

Deutschland schwankte früher zwischen einer Politik Bismarcks – nämlich als ehrlicher und souveräner Makler zwischen den europäischen Großmächten aufzutreten, und einer Politik im Kaiserreich und unter Hitler, einfach als Machtfaktor zu agieren, der sich nicht scheut, jede Macht Europas in irgend einer Weise vor den Kopf zu stoßen. Heute betreibt die heutige Deutsche Elite den freiwilligen Souveränitätsverzicht, weil sie zu der bismarckschen Politik, ein ehrlicher Makler zu sein den Mut und weil sie zu einer reinen Machtpolitik die Mittel nicht hat. Unter den aktuellen Bedingungen scheint beides erst einmal nicht verwirklichbar zu sein.

Doch damit nicht genug! Die Politik der Selbstschwächung in der EU wird komplettiert durch eine Politik der Selbstschwächung im Ukraine-Konflikt. Die Regierung Merkel versucht dem „deutschen Schicksal“, nämlich von anderen europäischen Mächten eingekreist zu werden und an mehreren Fronten Widersacher zu haben, dadurch zu entrinnen, dass sie sich einseitig auf eine Seite stellt. Es herrscht nämlich der Irrglaube, dass die einseitige Parteinahme allein für die Interessen des Westens, dem Land das traurige Schicksal erspart bleibt, nicht wieder zwischen allen Fronten zerrieben zu werden.

Nur leider muss man sagen, das ist ein Irrglaube!

Angesichts der Tatsache, dass Deutschland noch nie im Konzert der europäischen Mächte willkommen war, wird uns niemand eine Träne nachweinen, wenn wir wieder einmal, diesmal aufgrund der einseitigen Parteinahme, Schaden nehmen – um es einmal vorsichtig auszudrücken. Deutschland macht sich ohne Not zum Frontstaat in einer Auseinandersetzung, die nicht die Unsere ist. Und Deutschland schlägt derzeit reihenweise diplomatische Türen zu, die zu einem späteren Zeitpunkt offen sein sollten um Schaden von Land und Volk abzuwenden. Von der Rolle eines „ehrlichen Maklers“, der wirklich zu einer echten Einheit Deutschlands und Europas beiträgt sind wir leider Lichtjahre entfernt und mit jedem Tag, an dem diese Politik fortgesetzt wird, wird diese Distanz exponentiell immer größer. Dafür: Danke Frau Merkel!

Es gibt in Deutschland erste Stimmen, die eher aus der Politik eines Otto von Bismarck lernen wollen, anstatt wie bisher geschehen, entweder zu einer brachialen Machtpolitik oder eben zu einer brachialen Selbstschädigung und Selbstschwächung zu tendieren. Dabei findet sich die Idee der brachialen Machtpolitik eher am rechten Rand, während die Politik einer brachialen Selbstschädigung offizielle Politik der Euroretter und Blockparteien im Bundestag ist.

Zwar ist das Pflänzchen einer Rückbesinnung auf die Rolle eines „ehrlichen Maklers“ klein und bescheiden, aber immerhin hat es mit Alexander Gauland einen ersten Protagonisten bekommen. Womöglich gesellen sich noch mehr Personen dazu, die ebenfalls ein noch funktionierendes Gehirn besitzen und dieses auch im Sinne des gesunden Menschenverstandes auch benutzen, meint

Michael Obergfell

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