Deutsche Journalisten sollen nicht vom Donbas aus berichten

Ein Reporter recherchierte in dem von Russland besetzten Donbas. Das wurde ihm zum Verhängnis. Er verlor Lehraufträge.

Quelle: infosperber

Red. Wir erfahren fast nichts darüber, wie stark der Krieg die Menschen in russisch besetzten Gebieten trifft. Ein deutscher Journalist wagte sich dorthin. Jetzt werfen ihm Hochschulen und Medien vor, er habe mit seiner blossen Anwesenheit Putins Angriffskrieg legitimiert. Wir berichten hier aufgrund von Beiträgen im Overton-Magazin, dem «The Postile Magazine» und Aussagen des betroffenen Journalisten.

In der Hauptkampfzone Donbas

Der Journalist Patrik Baab hielt sich im September 2022 in den ostukrainischen und von russischen Streitkräften besetzten Regionen auf. Er arbeitete jahrelang beim Norddeutschen Rundfunk NDR und war jetzt für ein eigenes Buch-Projekt unterwegs. Darauf entzogen ihm zwei Hochschulen Lehraufträge, weil er mit seiner blossen Anwesenheit im russisch kontrollierten Donbas den Angriffskrieg Putins legitimiert habe.

Derzeit befindet sich der 63-Jährige im Teilzeit-Vorruhestand. Er hatte immer wieder auch aus Russland berichtet, so wie viele andere ARD-KorrespondentInnen vor und nach ihm. Gegenwärtig schreibt er ein Buch über den Ukraine-Krieg, das im Sommer erscheinen soll.

Die Donbas-Gebiete im Osten der Ukraine sind Hauptkampfzone im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die Front verläuft durch die Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson.

Baab: «Völkerrechtswidriger Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine»

Patrik Baab reiste für Recherchen zu seinem Buch von Mitte September bis Anfang Oktober 2022 nach Russland und in die Ostukraine. Dass in dem umstrittenen und umkämpften Gebiet in diesem Zeitraum sogenannte Referenden über den Anschluss an Russland stattfinden sollten, hat er erst unterwegs in Moskau erfahren. Vor Ort beobachtete er dann auch die Abstimmungen und sprach mit Einwohnerinnen und Einwohnern. Er tat, was ein Reporter zu tun hat. Seine Position zum Krieg ist im Übrigen eindeutig: er spricht von einem «völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine».

Die Anwesenheit Baabs nutzten russische Medien aus und berichteten im September 2022 von einem deutschen «Wahlbeobachter». Das Webportal von t-online («Nachrichten für Deutschland») übernahm diese Nachricht ungeprüft und verbreitete, der Journalist Baab befinde sich in der Ostukraine als «Wahlbeobachter» der Referenden.

Das war er aber nicht. Dies wäre nach seinen Angaben leicht zu überprüfen gewesen: «Man ruft bei der zuständigen Zivilkammer der Russischen Föderation in Moskau an und lässt sich eine Liste der Wahlbeobachter schicken – oder man checkt schlicht die entsprechende Mitteilung auf der Website.»

Durch t-online erfuhr man an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Berlin davon. Dort war Baab seit sechs Jahren als Lehrbeauftragter im Einsatz. Die Hochschulleitung rief ihn umgehend in der Ostukraine an. Baab erklärte, er sei privat als Journalist unterwegs, weil er ein Buch zum Krieg schreibe, und dementierte, ein «Wahlbeobachter» zu sein.

«Legitimation von Mord und Folter»

Dem Rektor Klaus-Dieter Schulz und dem Kanzler Ronald Freytag der HMKW reichte das nicht. Auf der Webseite der HMKW erklärten sie wörtlich:

«Wir haben Herrn Baab gegenüber unsere Fassungslosigkeit über dieses Verhalten geäussert. Wir haben ihm unseren Standpunkt verdeutlicht, dass schon seine reine Anwesenheit bei dieser Aktion, ob er wolle oder nicht, zwangsläufig zur Legitimation der in unseren Augen völkerrechtswidrigen und inhumanen Scheinreferenden, die Teil einer imperialistischen Politik und eines verbrecherischen Krieges sind, beiträgt. Sie gibt den Aggressoren ein willkommenes Feigenblatt an die Hand, dass alles rechtens sein müsse, weil man ja sogar ‹Kritik› zulasse und nicht unterdrücke […] Die journalistische Scheinobjektivität trägt hier u. E. zur Legitimation von Mord, Folter, Verstössen gegen die Humanität und das Völkerrecht bei.»

Die blosse Anwesenheit eines Journalisten in einem Herrschaftsgebiet legitimiere die Herrschenden, so der Vorwurf. Die Presse mache sich damit zur Partei und könne nicht unabhängig berichten.

Die Position der HMKW-Verantwortlichen ist ein Angriff auf die Pressefreiheit. Konsequenterweise würden beispielsweise auch die westlichen Korrespondenten in Moskau das russische Regime legitimieren. Man würde dann auf Berichte vor Ort verzichten, könnte weder über die inneren Opfer dieses Regimes noch über die Opposition und den Widerstand im Land informieren. Es wäre gerade die Abwesenheit der Journalisten, welche diese Herrschaft verschonen würde.

Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit. Und das gilt für alle Seiten. Die Mächtigen versuchen überall, Medien zu vereinnahmen. Auch von der Ukraine lässt sich die Presse vereinnahmen. Zuweilen so sehr, dass sie sich als Kriegspartei der Ukraine verhält. Viele Medien informieren kaum darüber, dass auch das Militär der Ukraine gegen Menschenrechte verstösst und Kriegsverbrechen verübt.

Die Zahl der Opfer in den eigenen Reihen wird genauso verschwiegen wie der Beschuss von Zivilisten durch die ukrainischen Einheiten im Donbas. Auch das Verschleppen von Männern an die Front oder die Verfolgung ukrainischer Kriegsdienstverweigerer sind kaum ein Thema. Ebenso wenig das Privileg wohlhabender Ukrainer, sich von der Kriegspflicht freizukaufen.

Man geht sogar gegen diejenigen vor, die auch diese dunkle Realität ans Tageslicht bringen – wie Patrik Baab. Er hat viele Wohnhäuser und zivile Einrichtungen gesehen, die von der Ukraine zerstört wurden und mit Angehörigen ziviler Opfer gesprochen.

Patrik Baab hat sechs Jahre lang als Lehrbeauftragter an der Berliner Medien-Hochschule gewirkt. Der Lehrauftrag für das Wintersemester 2022/23 war im letzten September jedoch noch nicht unterschrieben. Deshalb hat Baab keine rechtliche Handhabe, gegen den Widerruf dieses Nicht-Vertrages vorzugehen.

Die HMKW reagiert auf zahlreiche gestellte Fragen des Overton-Magazins nicht.

Auch in Kiel keine Lehraufträge mehr

An der Christian-Albrechts-Universität (CAU) in Kiel wurde der Journalist Patrik Baab seit 20 Jahren immer wieder für einen Lehrauftrag verpflichtet. Eine Woche nach seinem Rausschmiss in Berlin wurde ihm am 3. Oktober 2022 auch dort der Lehrauftrag entzogen. Die Begründung lautete ähnlich wie in Berlin: Er habe durch seine Anwesenheit in den fraglichen Gebieten den Scheinreferenden den Anschein von Legitimität verliehen.

Am Institut für Sozialwissenschaften, wo Baab lehrte, hielt man es nicht einmal für nötig, ihn zu kontaktieren. Die dafür verantwortlichen Professoren in der Institutsleitung erklärten, dass «Gefahr in Verzug» gewesen sei. Hätte man nicht sofort reagiert, eben ohne den Betroffenen zuerst anzuhören, hätte ein «Ansehensverlust der Universität» gedroht und ihre «Funktionsfähigkeit» wäre beeinträchtigt worden.

Baab hat gegen den Entzug des Lehrauftrags an der CAU Einspruch erhoben. Die Präsidentin der Universität hat den Widerspruch zurückgewiesen. Jetzt liegt die Angelegenheit beim Verwaltungsgericht in Kiel. Baabs Anwalt schrieb in seiner Klage-Begründung, Baab sei ein engagierter Journalist und habe keine Aufgabe als Wahlbeobachter angenommen: «Baab hat als Journalist, der sich der Berichterstattung vor Ort – und nicht wie andere Medienbeobachter aus der Ferne – verschrieben hat, hochriskante Recherchen vor Ort unternommen, um die Situation vor Ort mit seiner journalistischen Erfahrung tatsächlich wahrzunehmen und darüber zu berichten.»

Keine Unterstützung des deutschen Journalistenverbands

Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) und ebenfalls Dozent an der Medienhochschule HMKW in Berlin, sieht keinen Grund, sich für Baab einzusetzen, obwohl dieser seit fast vierzig Jahren DJV-Mitglied ist: «Da halte ich mich raus», teilte er mit. Denn: «Propaganda für einen Kriegsverbrecher ist per Definition keine journalistische Tätigkeit.»

Kommentar von Patrik Baab gegenüber Infosperber: «Wer in Deutschland von der russischen Seite aus dem Kriegsgebiet im Donbas oder von der Krim berichtet, setzt sich in die Nesseln. Die Kriegshetzer-Fraktion hat es geschafft, jeden auszugrenzen und zu diffamieren, der das macht. Im Ergebnis bedeutet dies die Zerstörung der demokratischen Öffentlichkeit und das Präjudiz der Propaganda – auch und gerade in Akademien und Redaktionen.»

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Frühere Berichte des Journalisten Patrik Baab

Brauner Terror. Erste deutsche Dokumentation über russische Neonazis und ihre Gefahr – die es übrigens heute noch gibt und sich teilweise zu den Milizen im Donbas melden. NDR-Reportage aus dem Jahr 2003:

Handel mit gefälschten EU-Pässen in Russland. ARD-Tagesthemen 2009:

Über illegale Öltransporte aus der russischen Föderation in die EU. Die Dreharbeiten haben Baab 2014 die erste unangenehme Begegnung mit dem FSB – vormals KGB – beschert:

Bis heute ist in Russland geheim, warum die «Kursk» im August 2000 in der Barentssee gesunken ist. Hier die wahre Ursache, die Baab eine weitere unangenehme Begegnung mit dem Inlandsgeheimdienst FSB – ex KGB beschert hat. Ostsee-Report 2019:

Der Spion, der durch die Ostsee kam: Der polnische Oberst Ryszard Kuklinski war der wichtigste CIA-Spion im Kalten Krieg – Ein Überläufer, der sich gegen Russland stellte. Ostsee-Report 2022:

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11 Kommentare

  1. „Seine Position zum Krieg ist im Übrigen eindeutig: er spricht von einem «völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine».“

    Es wäre für mich einmal sehr interessant, was an dieser Militäroperation denn genau völkerrechtswidrig sein soll … mir drängt sich jedenfalls der Verdacht auf, daß dieser Terminus immer mehr inflationär verwendet wird.

  2. „Darauf entzogen ihm zwei Hochschulen Lehraufträge, weil er mit seiner blossen Anwesenheit im russisch kontrollierten Donbas den Angriffskrieg Putins legitimiert habe.“

    Viel mehr muß man über solche angeblichen Hochschulen gar nicht wissen, es sind Stätten der politisch korrekten Speichellecker, der Feiglinge, der Duckmäuser und vollkommen obrigkeitshörigen Lemminge – meine Güte, wie ich dieses ganze „Bildungssystem“ verachte, welches nur noch gesellschaftspolitische Zombies produziert, zum Glück sind wir schon alt und haben keine Kinder !!!

  3. Mutig, mutig, wie Thomas Röper und Alina Lipp. Habe beiden schon geschrieben und stets beste Gesundheit gewünscht, sowie mich für deren lebensgefährliche, selbstlose Arbeit bedankt. Solange eine Strack-Zimmermann („Ich bin die Generation Volkssturm!“) hier ihr Unwesen treiben sind sie dort wohl beinahe fast sicherer. Hier stirbt man zwar nicht durch Artillerie-Granaten, erkrankt aber evtl. schwer an Synapsen-Dauerfeuerbullshit oder erstickt im Globalisten-Dreck.
    Was sind das nur für Kreaturen? Was ist mit denen nicht richtig oder schiefgelaufen?

    • Stadt Nürnberg sagt Auftritt von Ganser ab.

      „Der umstrittene (!) Schweizer Historiker und Publizist Daniele Ganser darf im Mai doch nicht in der Nürnberger Meistersingerhalle auftreten. Wie der Sprecher der Stadt, Andreas Franke, sagte, hat Oberbürgermeister Marcus König (CSU) entschieden, dass der Vertrag mit der Agentur von Daniele Ganser gekündigt wird. Ob rechtliche Schritte seitens der Agentur oder von Ganser zu erwarten sind, dazu könne er nichts sagen. Es sei eine klare Ansage der Stadt, dass man sich nicht gemein mache mit Verschwörungstheorien.“

      Wehe man spricht faktenbasierte Wahrheit. UNZULÄSSIG! NICHT ERWÜNSCHT!
      Eine Zensur findet nicht statt. Wer oder Was ist hier die Verschwörungstheorie?

      • Wer die Wahrheit spricht braucht entweder ein schnelles Pferd oder wird mundtot gemacht, oder landet im Knast. Das sind die „Werte“ i h r e r „Demokratie“. So ist das eben im besten Deutschland aller Zeiten. Hoffentlich dreht sich der Spieß bald um.

        • Und was sollte das ändern? Wenn einpaar Millionen in den Generalstreik treten würden, dann wäre das Regime mit allen seinen Helfern in wenigen Tagen weg…

          Aber einem von 100.000 auf die Fresse hauen, das würde nur den Propagandaapparat bedienen…

    • Man wirdt Höcke antisemitische Haltung vor und die AfD wird beobachtet und sicherlich mit Recht aber ich frage mich was das ist und finde keine Antwort

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