Der zweite Tod

von Gert Flegelskamp (flegel-g)

Damit meine ich, dass ein Toter erneut gesteinigt wird, durch Politik und Presse. Gemeint ist der Co-Pilot der Germanwings A320 von Flug 4U9525.

Ein Leser hat auf meinen ersten Beitrag zu dem Thema wie folgt geantwortet:

Sehr geehrter Herr Flegelskamp,

zu Ihrem Beitrag über den Flugzeugabsturz kann ich als langjähriger Leser und nach vielen und langen Diskussionen mit befreundeten A 320 Piloten vielleicht etwas beitragen.

Es ist Vorschrift, dass recht zügig nach dem Abheben ausschließlich mit Autopilot geflogen wird.

Der Autopilot gibt einem Druck auf das Steuerruder nicht nach. Nicht einmal einem mit größter Gewalt ausgeübten Druck. Er müsste (vorschriftswidrig) abgeschaltet werden. Die Tür kann vom Flugpersonal (Kapitän und / oder Kabinenpersonal) von außen durch Eingabe eines Codes geöffnet werden. Dies funktioniert nur dann nicht, wenn im Cockpit aktiv eine Verriegelung aktiviert wird. Und zwar immer wieder, wenn von außen erneut versucht wird, die Tür durch den Code zu öffnen.

Das von Ihnen angedachte Szenario ist deshalb wohl tatsächlich unmöglich.

Die Indizien für ein Absichtliches Herbeiführen des Absturzes durch den Copiloten sind derzeit erdrückend. Es wäre sicher unverzeihlich und würde von uns allen kritisiert werden, wenn die Medien über diese erdrückenden Indizien und die daraus folgenden Schlüsse nicht informieren würden. Als Verdacht wohlgemerkt, als mögliches, vielleicht gar wahrscheinliches Szenario. Nicht als abschließend geklärte Tatsache. Die Absturzursache ganz sicher erklären zu können ist sicher einer der Hauptgründe dafür, dass man nach wie vor verzweifelt den „technischen“ Datenschreiber – die Blackbox sucht.

Hinsichtlich des Stils und vor allem der Hintergedanken, mit denen durch die massive, geradezu erschlagende Berichterstattung dieser Unfall und das Unglück der Menschen von den Medien missbraucht wird, gebe ich Ihnen Recht. Das ist im Wesentlichen Geschäftemacherei zu Lasten von Opfern und Hinterbliebenen.

Bei den Politbesuchen habe ich eine zwiespältige Meinung. Helfen können die dort nicht. Sie verursachen nur Kosten und zusätzlichen Aufwand für die Helfer. Aber das Ritual ist für solche Situationen so eingefahren, dass die Öffentlichkeit wohl keinem infrage kommenden Politiker verzeihen würde, wenn er dort nicht Flagge zeigt.

Richtig ist, dass ich nicht beurteilen kann, was beim Flug eines Jumbos in der Pilotenkabine abläuft und ich kann vor allem nicht abschätzen, welche Automatismen und welche Aufgabenteilung bei einem Flug vonstattengehen, denn ich habe noch nie eine Pilotenkabine von innen gesehen und kenne auch nicht die Vorgänge, die der Autopilot auslöst

.

Dennoch, ich bin immer skeptisch, wenn der Schuldige so schnell ausfindig gemacht wird und dazu noch eindeutig Ungereimtheiten auftauchen, die nachdenklich machen müssen, aber in der Presse keine Resonanz finden.

So finde ich es merkwürdig, dass der französische Ministerpräsident bereits unmittelbar nach dem Absturz eine Video-Presseerklärung im Fernsehen gab und offenbar schon wusste, dass es keine Überlebenden gab. Meiner Kenntnis nach stand zu dieser Zeit die genaue Absturzstelle noch nicht einmal fest.

Noch merkwürdiger finde ich, dass das Handelsblatt bereits um 10:49 Uhr, also 12 Minuten nach dem Absturz, diese (bereits übersetzte) Ansprache des französischen Präsidenten veröffentlichte.

Ebenso merkwürdig finde ich, dass die Presse behauptet, es habe keinen Notruf von der Maschine gegeben, ausgenommen N24, deren Korrespondent berichtet, dass ein Notruf von der Maschine an den Flughafen Barcelonnette abgesetzt wurde.

In meinem ersten Beitrag zu dem Flugzeugunglück habe ich auf die Berichte der Deutschen Welle (DW) verwiesen, dass die Zapfluft zur Innenbelüftung der Maschine mitunter giftige Dämpfe verbreitet. Die Sendung Monitor hat dazu bereits vor längerer Zeit einen Beitrag darüber gebracht und nachgewiesen, dass diese TCB-Kontaminierung sich keineswegs auf Einzelfälle beschränkt und schon mehrfach zu Beinahe-Unfällen geführt und teils auch schwere Krankheiten beim Flugpersonal ausgelöst hat.

Alleine dieses Wissen sollte die Presse hindern, einen Menschen vorschnell zum Schuldigen zu stempeln, bevor überhaupt eine fundierte Untersuchung stattgefunden hat. Unstrittig scheint lediglich zu sein, dass es keine Besonderheiten im Dialog zwischen Pilot und Co-Pilot gegeben hat, während das nachfolgende Schweigen des Co-Piloten und die verschlossene Tür als Schuldbeweis angeführt werden. In keiner Pressemeldung (die, die ich gelesen habe) vermochte ich einen Hinweis darauf finden, dass vielleicht auch ein erneuter Fall in einem Airbus vom Typ A320 vorliegen könnte, der durch das Austreten giftiger Dämpfe die Handlungsfähigkeit des Piloten (warum er die Kabine verlassen hat, darüber schweigt die Presse, aber vielleicht war ihm schlecht) und des Co-Piloten eingeschränkt hat, weil sie die giftigen Dämpfe zu spät wahrgenommen haben. Natürlich ist das nur eine Spekulation von mir, aber ich halte sie für plausibler, als die Selbstmordtheorie. Aber weder der Lufthansa noch Germanwings daran ist gelegen, solche Möglichkeiten öffentlich in Betracht zu ziehen, obwohl die Problematik seit langer Zeit bekannt ist und offenbar von den Herstellern und den Fluglinien gekonnt unter den Teppich gekehrt wird. So ist bekannt, dass diese Dämpfe auch Auswirkungen auf den Geruchssinn haben, was die Gefahr birgt, dass Piloten, die schon öfter solchen Dämpfen ausgesetzt waren, diese zu spät oder gar nicht mehr wahrnehmen, mit der Folge, dass sie die Sauerstoffmasken zu spät oder gar nicht anlegen.

Die Pressekampagne gegen den Co-Piloten und die Veröffentlichung seines Namens und seines Fotos lege ich als Beweis aus, dass die wahre Ursache des Absturzes vertuscht werden soll, denn der Beweis, dass er bewusst die Maschine hat abstürzen lassen, wurde aus meiner Sicht nicht erbracht und ich halte es für fraglich, dass er jemals erbracht werden kann.

Bevor bei einem Flugzeugabsturz eine Schuldzuweisung an die Betreiber einer Fluglinie erfolgt, vergehen in der Regel Wochen oder Monate und die Presse verweist auf die Schwierigkeiten der Ursachenerklärung, die erst nach Auffinden des Flugschreibers und der Voice-Recorder und einer eingehenden Untersuchung erfolgen kann. Diesmal jedoch wird offenbar auf die Untersuchung des Vorfalls kein Wert gelegt, weil man einen Schuldigen auf dem Präsentierteller serviert bekommt, ausschließlich basierend auf den für mich nach wie vor zweifelhaften Erkenntnissen, die man uns als Ergebnisse der Auswertung eines Voice-Recorders präsentiert.

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