Der spanische Schlamassel (1)

von peregraurovira

Jetzt wird in Europa Alarm geschlagen. Die Presse und einige politische Stimmen (noch zu wenig) beklagen, dass „die vierte ökonomische Macht der EU“ politisch instabil geworden ist, mit großen Schwierigkeiten, um eine neue Regierung zu bilden, mit einem Anstieg der rechtsextremen Kräfte und mit dem katalanischen Konflikt, der sich noch verschärft hat. Dass man darüber erstaunt ist, ist ja gerade das Erstaunliche, Die Europäer, sei es die Politik oder die Presse, vornehmlich beschäftigt mit so gravierenden Themen wie Brexit, Trump, Migration, Putin oder Erdogan haben vernachlässigt  Spanien wegen der vielen Verletzungen der demokratischen Prinzipien bei dem katalanischen Konflikt zur Ordnung zu rufen. Dieser Freibrief seitens Europas hat den (mittelmäßigen bis erbärmlichen) spanischen Politikern freie Bahn für eine Politik gegeben, die zu der heutigen Sackgasse geführt hat. Lassen wir aber erst beiseite die möglichen Folgen der europäischen bequemen Toleranz und versuchen wir etwas genauer auf die Gründe des jetzigen Schlamassels zu schauen.

Sehen wir uns zunächst einige Besonderheiten der Wahlergebnisse von 10.11.19 an. Man könnt annehmen, dass eine Wahlbeteiligung von 69,87 % sich doch sehen lassen kann. Und trotzdem sind die Probleme größer geworden. Wie kommt das? (In der Folge, werde ich hier die Zahlen abrunden, um die Lektüre nicht unnötig zu komplizieren).

Gezählt wurden 24.365.000 Stimmen. Davon aber waren 466.000 ungültig. Von den gültigen Stimmen, wurden 516.000 für die 48 Parteien (der 67 die zur Wahl antraten) abgegeben. Also: „nützliche Stimmen“ waren schon fast 1 Million weniger, die faktisch zu den 10,5 Millionen Enthaltungen (was die praktischen Folgen betrifft) dazugerechnet werden könnten. Dass trotz des Ernstes der Lage (politisch wie wirtschaftlich) so abgestimmt wurde, kann man begreifen u.a. wegen der Müdigkeit und des Frustes vieler Wähler angesichts der unseriösen Machtspiele der Politiker (besonders von dem Regierungschef) in der letzten Zeit. Und diese Machtspiele haben auch zu dem jetzigen unsäglichen Wirrwarr geführt (wie viele prophezeit hatten, aber Pedro Sánchez nicht glauben wollte).

Manche ausländische Kommentatoren sind darüber erschrocken, dass eine Partei wie VOX (rechtsradikal, ultranationalistisch, Franconostalgiker, etc. ) jetzt die dritte Kraft im spanischen Parlament sei. Wer sich darüber wundert tut das sicher, weil man sich von der Falschetikettierung der jetzt zusammengeschmolzenen Partei Ciudadanos täuschen ließ. In der deutschen Presse wurde z.B. immer davon als „bürgerlich-liberale“ Partei geschrieben. Das war vielleicht eine sehr kleine Minderheit ihrer Mitglieder und Wähler. Aber die große Mehrheit war nichts anderes als rechtsradikal und ultranationalistisch, und sie ist jetzt mit fliegenden Fahnen zu VOX übergangen, die sich ohne falsche Masken ganz klar und deutlich zu den Ideen dieser Wählerschaft bekennt. Diese Ultrarechte war also immer schon da. Bei der Volkspartei und bei den Ciudadanos. Es ist nichts Neues.





Und es ist auch nichts Neues, dass der spanische Ultranationalismus, der die Einheit Spaniens fast als ein Religionsdogma huldigt, nicht nur bei den Rechtsextremen zu Hause ist sondern auch bei einem großen Teil der linken Wählerschaft. Das ist das Ergebnis von einem jahrhunderteralten „Hurrapatriotismus“. Weil die Katalanen -mehrmals in der Geschichte-  sich gegen dieses „Dogma“ gestemmt haben, und weil die spanische Elite das immer als Verbrechen angesehen hat und, anstatt den Spaniern die realen gründe dafür zu erklären, Hass gegen Katalonien als politische Waffe benutzt hat, darf man sich nicht wundern, wenn die jetzigen Machthaber auch in dasselbe Horn blasen.

Wie in andere Ländern -und auch in andere Zeiten- die Unfähigkeit der Regierenden mit den Attacken an Juden, Kurden, Linken, oder ein böses Ausland kaschiert werden soll oder sollte, sind die Katalanen als Prügelknaben und als Schuldige für dieses und jenes gebrandmarkt, um dadurch eine Stimmung im Volk zu erzeugen, die mehr Stimmen für die Machthaber bringen sollte. Und diese alte Taktik hat jetzt auch Pedro Sánchez verfolgt, in dem Glauben (genährt von Beratern, die genau so blind wie er waren), dass vielleicht sogar die absolute Mehrheit zu erreichen sein würde. Das Ergebnis ist mit dem Wort Schlamassel noch milde beschrieben.

Die spanischen Politiker sind jetzt mehr denn je verpflichtet eine Regierung zu bilden. Niemand würde verstehen, dass dafür noch eine neue Wahl kommen müsste . Dass eine neue Regierung unter diesen Umstände auch von Dauer sein könnte ist aber im Moment sehr unwahrscheinlich. Darüber wird aber ein zweiter Artikel nötig sein. Also: Fortsetzung folgt…

P.D. Über das ganze Problem und über die katalanischen Aktionen zivilen Ungehorsams in diesen Tagen berichten ausführlich und vorbildlich diese Artikeln:

https://www.heise.de/tp/features/Autobahnen-und-Strassen-weiter-in-Katalonien-blockiert-4584527.html

https://www.heise.de/tp/features/Faschistoide-VOX-drittstaerkste-Kraft-in-Spanien-4584141.html

 

Wandere aus, solange es noch geht!

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