Der Ruin Deutschlands?

von Gert Flegelskamp

Wir armen Deutschen! Wenn wir der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Glauben schenken, dann wird der Anteil von Deutschland an der Weltwirtschaft auf 2%, also um 58% in den 50 Jahren (gemessen an 2010, also 2060) schrumpfen. Die OECD prognostiziert für Deutschland in diesen 50 Jahren „nur“ ein Wirtschaftswachstum von 1,1% pro Jahr. Schuld ist vor allem die Überalterung der Deutschen! Das hat, wenn ich das richtig verstehe, nichts mit Euro- und Bankentettung zu tun, sondern liegt an uns und der Demographie.

Ich weiß ja nicht, aber die Glaskugeln von Statistikern, Ökonomen und der von solchen Leuten durchsetzten Organisationen sind auch nicht mehr das, was sie mal im Mittelalter gewesen sind. Aber Wachstum ist ja eine heilige Kuh aller Organisationen kapitalistischer Prägung. Ich habe mal versucht, dieses Wachstum von 1,1% für die nächsten 50 Jahre auszurechnen. 2010 Betrug das BIP (Bruttoinlandsprodukt) 2.498.800.000.000,00 Euro. Weil ein jährliches Wachstum von 1,1% ja ein exponentielles Wachstum ist, würde das BIP in 50 Jahren auf 4.271.084.082.536,84 Euro ansteigen, sich also gemessen an 2010 nahezu verdoppeln. Aber was ist das BIP denn nun eigentlich? Es ist die statistische Berechnung der inländischen Wertschöpfung. Weil diese Zahlen aber durch Nebensächlichkeiten wie Inflation oder Deflation verfälscht werden können, ist man dazu übergegangen, die Wertschöpfung auf der Grundlage von einem Basisjahr zu ermitteln, bei dem Inflation oder Deflation nicht dazwischen funken. Was Mathematiker und Statistiker für tolle Ideen haben! Doch solche Rechnungen sagen nichts aus, das ist zumindest meine Sicht. Was nützt den Menschen eines Landes ein Wachstum von 1,1%, wenn die Inflation bei 2% oder höher liegt, wenn die Kosten der Sozialsysteme steigen, weil Träger und Nutznießer dieser Systeme ausgeprägte Nehmerqualitäten haben? Was nützt ein Wachstum von 1,1%, wenn gleichzeitig schlechtere Löhne gezahlt werden oder für Rentner erneut eine Nullrunde beschlossen wird? Was nützt ein Wachstum von 1,1%, wenn Unternehmen massenhaft Leute entlassen, weil sie dank neuer Technik ihre Produktion mit noch weniger menschlicher Arbeitskraft steigern können? Die Antwort ist eigentlich einfach. Es gab kein Wachstum, sondern einen weiteren Rückschritt bei den Lebensverhältnissen. Aber was scheren Ökonomen und Statistiker Menschen, wo es doch Zahlen gibt, die man mit ein wenig Geschick so zusammenstellen kann, dass ein beständiges Wohlbefinden aller signalisiert. Aber wie schlimm, die Chinesen und vielleicht auch die Inder werden uns und unsere Exportwirtschaft überflügeln. Das liegt natürlich an den Deutschen und vor allem an der Überalterung und nicht daran, das jede dieser beiden Regionen mehr al 10 Mal so viele Menschen hat.

Das BIP ist eine statistische Zahl, mit der man die gleichermaßen erhobenen Zahlen in anderen Staaten abgleichen kann, um politisch hurra zu schreien, wenn die Konkurrenz scheinbar schlechter dasteht. Der Mensch spielt bei solchen Zahlen keine Rolle. Das BIP kann glänzende Zahlen aufweisen, während es den Menschen im jeweiligen Jahr gleichzeitig immer schlechter geht.

Doch kommen wir zurück zur Glaskugeldeuterei der OECD. Diese unnütze Organisation macht ja auch nur das, was heute so modern ist. Man extrapoliert Zahlen von heute auf eine Zukunft in 50 Jahren, verfasst daraus ein Horrorszenario und veröffentlicht es. Die Politik ist zufrieden, kann sie doch aufgrund dieser Zahlen höhere Leistungen von der Bevölkerung einfordern und ihr gleichzeitig die Leistungen kürzen, die Wirtschaft ist zufrieden, kann sie doch auf höhere Subventionen, niedrigere Steuern und mehr Arbeitsleistungen ihrer Mitarbeiter pochen, die Wirtschaftsweisen sind zufrieden und nicken weise und vom Bürger erwartet man, dass er aufgrund der Zahlen bescheidener wird. Dafür ist der Standardsatz dann: „Wir müssen den Gürtel enger schnallen!“ Mit „Wir“ ist natürlich nur der Teil der Bevölkerung gemeint, der sein Geld noch mit ehrlicher Arbeit verdient oder zumindest verdienen möchte, aber inzwischen selbst davon ausgeschlossen wurde.

Zahlen von heute auf eine Zukunft in 50 Jahren auszurechnen, ist aus meiner Sicht etwa so intelligent, als wenn ein Nordsee-Urlauber bei Ebbe sein Zelt im Watt 50 m entfernt von der See aufstellt. Außerdem ist es eine eigenartige Form, Zahlen zu missbrauchen, z. B. beim Thema Überalterung und Geburtenrate. Es ist hochgradiger Schwachsinn, wenn Statistiker behaupten, dass in 50 Jahren Deutschland total überaltert ist. Der Pillenknick leitete zu Beginn der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts den Geburtenrückgang ein. Das bedeutet aber, dass mehr Menschen sterben, als Nachwuchs gezeugt wird. Gehen wir von dem Geburtenrückgang von 1970 aus, dann sind die 1970 Geborenen 2050 schon 80. Selbst nach den Vorausberechnungen des Stat. Bundesamtes erreichen aber 2060 nur 14,2% ein Alter von 80 Jahren und älter, was den Schluss nahelegt, dass dann bereits 85,8% der im Jahre 1980 Geborenen vorher das Zeitliche gesegnet haben. Vom Jahrgang 1970 gibt es nur noch ganz wenige (z. B. Politiker wie Schmidt heute). Das heißt aber auch, dass von den geburtenstarken Jahrgängen niemand mehr lebt und sich somit die Diskrepanz zwischen neuen deutschen Erdbewohnern und den Alten erledigt hat und sich wieder in einem ausgeglichenen Zustand befindet. Schließlich kann nur alt werden, wer auch mal geboren wurde. Doch auch diese Berechnungen des Stat. Bundesamtes ist reine Glaskugeldeuterei, denn es sind rein mathematische Modelle. Aber nehmen wir mal an, es wäre so, dann stellt sich die Frage, wer eigentlich 80 Jahre und älter wird. Sind es Arbeitslose, prekär Beschäftigte, Zeitarbeiter, Niedriglohnempfänger, Rentner mit niedriger Rente, Arbeitnehmer in schweren oder gefährlichen Berufen? Ich denke nein. Schon heute zeigt sich, dass vor allem Gutsituierte (Anwälte, Ärzte, Apotheker, Architekten usw.), Politiker, Beamte, Wissenschaftler (vor allem Wirtschaftswissenschaftler), Reiche und Superreiche eine erheblich längere Lebenserwartung haben, als die in wirklichen Produktionsprozessen tätigen Menschen. Grundsätzlich sind alle Berechnungen der Lebenserwartung durch das stat. Bundesamt auch nur Modellrechnungen, denn wie alt ein Mensch geworden ist, können auch Statistiker erst wirklich sagen, wenn er gestorben ist. Welche Auswirkungen die zunehmende Verschlechterung der Lebensverhältnisse für den größten Teil der Bevölkerung auf die Lebenserwartung haben wird, kann Ihnen kein Statistiker sagen. Aber das will er auch nicht, denn sein Auftrag lautet, das Thema in den schwärzesten Farben zu mahlen.

Ich hingegen gehe davon aus, dass der Geburtenrückgang in der Zukunft ausschließlich positive Auswirkungen hat, denn schon lange lässt man nur noch einen geringen Teil der Bevölkerung am wirtschaftlichen Erfolg partizipieren. Die weiter entwickelte Technik wird auch in Zukunft weitere Arbeitsplätze vernichten. Das bedeutet aber auch, dass eine Reduzierung der Bevölkerung die Probleme nicht vergrößert, sondern verringert. Meine Prognose für 2060 lautet: Man wird die Deutschen loben, weil sie frühzeitig erkannt haben, wie man der Bevölkerungsexplosion entgegen steuert. Politik und Wissenschaft werden das dann als den Erfolg ihrer weitsichtigen Bemühungen ausschlachten. Und die Glaskugeldeuter der OECD werden sich nicht daran erinnern können, welche Zukunft sie 2012 in ihrer Kugel gesehen haben, ebenso wenig wie die anderen Experten der Wahrsagekunst und Zukunftsdeutung, also Ökonomen, Politiker u. a.

Meine Empfehlung: Wir sollten diesen Leuten neue Glaskugeln oder alternativ neue Tarock-Karten zu Weihnachten schicken. Vielleicht ist die alte Glaskugel ja inzwischen ein wenig rissig geworden oder die Tarock-Karten sind verklebt.

Dazu ein kleiner Nebenkriegsschauplatz. Vor einigen Tagen wurde vom Parlament das neue Transplantationsgesetz verabschiedet, nach dem künftig Krankenkassen ihre Mitglieder gezielt auffordern, sich als Spender zur Verfügung zu stellen. Dabei stellen mich mir folgende Fragen:

  • Wie viele Menschen in wirklich guten Verhältnissen haben einen Spenderausweis?

  • Wie viele Menschen in „normalen“ Lebensverhältnissen haben einen Spenderausweis?

  • Wie viele Menschen in „prekären“ Lebensverhältnissen haben einen Spenderausweis?

  • Wie viele Politiker haben einen Spenderausweis?

  • Wie viele ALG II-Empfänger haben einen Spenderausweis?

  • Wie viele Menschen in wirklich guten Verhältnissen erhalten ein Transplantat?

  • Wie viele Menschen in „normalen“ Lebensverhältnissen erhalten ein Transplantat?

  • Wie viele Menschen in „prekären“ Lebensverhältnissen erhalten ein Transplantat?

  • Wie viele Politiker erhalten ein Transplantat?

  • Wie viele ALG II-Empfänger erhalten ein Transplantat?

Darüber einmal Transparenz zu schaffen, würde sicherlich die Überlegungen so mancher Unschlüssigen, ob er/sie sich als potentieller Spender eintragen lässt, entscheidend beeinflussen. Es wäre natürlich eine Unterstellung, wenn ich vermuten würde, dass die erste Gruppe prozentual seltener bereit ist, zu spenden und die letzte Gruppe seltener in den Genuss eines Transplantats kommt. Als Frage könnte man noch anfügen, ob alle Transplantations-Mediziner oder Ärzte überhaupt einen Spenderausweis haben oder ob Steinmeier seine Niere auch einem oder einer Unbekannten gespendet hätte!?

Quelle: flegel

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