Der Mehltau der Transferunion

von Michael Obergfell (fortunanetz)

Manche stellen sich die Frage: Warum kommen wir Menschen im Kollektiv, trotz Wissenschaft und trotz Aufklärung in derartige politische und gesellschaftliche Krisen? Wieso können sich so viele Menschen gemeinschaftlich so derartig irren? Und warum wiederholen sie die Fehler der Vergangenheit trotz schlechter Erfahrungen? Und wo bleibt die Vernunft?

Manche sind der Meinung, wir Menschen seien „falsch programmiert“. So führt dies auch Prof. Dr. Gerald Hüther aus, der von einem biologisch-naturwissenschaftlichen Ansatz aus.den Menschen zu verstehen versucht. Dabei bedient er sich des Modells, dass der Mensch von Anfang an lernt und das dazu führt, dass sozusagen „feste Verbindungen“ im menschlichen Gehirn etabliert werden, die sich anschließend automatisch wiederholen. Das führt seiner Meinung nach dazu, dass schon das Baby und das kleine Kind aufgrund von Beobachtung bestimmte Muster und „Erfolgsmodelle“ erlernt und diese später wie selbstverständlich „anwendet“. So führt er aus, dass Kinder im ersten Jahr zumeist das Modell wählen, dass sie hilfreiche Menschen als positiv empfinden und später, nachdem sie in ihrer eigenen Familie gelernt haben, dass egoistische Menschen mehr „Erfolg“ haben, ziehen sie bei weiteren Tests einen egoistischen und nicht helfenden Typus Mensch vor.

Das führt Hüther zu dem Schluss, dass wir als Menschen schon von unseren Eltern falsche Modelle vermittelt bekamen, die wir so lange wiederholen, bis sie in einer (Wirtschafts)krise nicht mehr stimmig sind. Das führt dann zu der Parole oder auch Erkenntnis: „Wer glücklich ist, kauft nicht.“ Und die Konsequenz daraus ist: Unser persönliches Unglück begründet die Existenz ganzer Industrien.

Der Vortrag dazu ist sehenswert:

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=q5fr34N5IN8?rel=0&w=560&h=315]

 

Diese Denkweise hat aber auch zur Konsequenz, dass entgegen der aktuellen volkswirtschaftlich begründeten Wachstumsideologie ein Schrumpfen einer ganzen Volkswirtschaft als positiv angesehen werden müsste. Schließlich sind glückliche Menschen zumeist miese Konsumenten. Glücklich verliebt lebt man ja bekanntlich „von Luft und Liebe“… Die wollen einfach nichts mehr kaufen! Einfach nur dem Hobby nachzugehen oder genüsslich an einem See zu sitzen um Fische zu beobachten ist nicht nur billiger, es führt auch dazu dass die Menschen all die schönen Dinge nicht mehr kaufen, die eigentlich kein Mensch braucht!

Heiner Flassbeck, einer jener Volkswirte, die der Meinung sind, Deutschland müsse die Löhne erhöhen um so die Binnenkonjunktur anzukurbeln, dürfte angesichts der vielen glücklichen Menschen die nichts kaufen, über diese Erkenntnis dann schlaflose Nächte haben, weil die Glücklichen auch dann nichts kaufen, wenn man ihre Löhne exorbitant erhöht. Glück wird sozusagen zum „show stopper“.

Aber zum Glück für die Industrie und manche Ökonomen stellen sich eben nicht massenweise und auf Knopfdruck glückliche und nicht konsumierende Menschen ein! Und auch die Politik hat noch zu tun, wenn man bedenkt, was alles derzeit noch zu regeln ist.

Insbesondere die Politik, und allen voran Frau Merkel in Deutschland, hat wiederum eine gänzlich andere Haltung. Sie wollen eine Transferunion aufrecht erhalten, bei der jene Länder, die völlig überschuldet sind, mit Geld von jenen Ländern versorgt werden, in denen noch etwas zu holen ist. Diese „tolle Politik“ beruht darauf, dort wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, einfach Geld hin zu senden. Das wirkt dann wie ein Pflaster, das auf die Not gelegt wird. Es ist aber auch ein Pflaster, das die Not noch eine Zeit lang überdeckt. So wie sich in Deutschland die Erkenntnis breit macht, dass mehr Geld nicht mehr Kinder in die Welt setzt, so wird sich dann, wenn genügend Geld transferiert wurde, die Erkenntnis breit machen, dass Transferzahlungen keinen Aufschwung produzieren, sondern die Krise nur verschleppen. Dumm nur, dass am Ende dieser Wegstrecke mit dieser Politik nicht nur den Armen nicht geholfen wurde, sondern eben auch den Wohlhabenden das Geld genommen wurde.

Gegen Merkels Ideenwelt ist mir die von Flassbeck geradezu sympathisch, wenn sie auch nicht zum Ziel führt. Schließlich und endlich hätten die Menschen auf ihrem Weg noch etwas Zeit, weiterhin sinnlos zu konsumieren. Aber mit beiden Strategien kommen am Ende des Weges keine glücklich an Fischteichen sitzende Menschen heraus – darauf können sie sich verlassen!

Die Transferunion läuft auf vielgestaltige Art und Weise ab. In den USA ist dies das Quantitative Easing, bei dem die Federal Reserve Bank die Staatsanleihen des nordamerikanischen Staates aufkauft. Damit betreibt die Zentralbank eine indirekte Staatsfinanzierung. Von Ähnlichem träumt Mario Draghi von der EZB. Aber da in einer Europäischen „Union“ ein solches Programm nicht so einfach zu realisieren ist, lässt sich die Politik doch noch so manches einfallen, um den Bürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das Stichwort hierzu lautet „finanzielle Repression“ und zwar Repression gegen alle Fleißigen und Sparer. Repression gegen die Fleißigen, weil durch Steuern deren Erträge einfach „weg gesteuert“ werden. Die Erträge steuern sozusagen in die Taschen Anderer… Repression gegen die Sparer, weil sie durch künstlich und von der Politik niedrig gehaltene Zinsen nach Abzug der Inflation einen Kaufkraftverlust ihrer Ersparnisse hinnehmen müssen. Mittlerweile leiden die Erträge der Sparer, die ihr Geld in Lebensversicherungen angelegt haben unter der Niedrigzinspolitik, die auch unsere Kanzlerin unterstützt, ja sogar fordert: Schließlich helfen niedrige Zinsen für Anleihen den Staaten, die ja Anleihen emittieren, ihre Zinsen auch dann noch begleichen zu können, wenn sie eigentlich schon völlig überschuldet sind. Es ist also im Interesse der Staaten der Eurozone, dass die Erträge für Sparer immer geringer werden und so eine Überschuldung verschleppt werden kann, indem die überschuldeten Staaten weniger Zinsen bezahlen müssen.

Die derzeitige Transferpolitik aus den Taschen der Bürger hin zu den Schulden der Pleiteländer gestaltet sich sehr vielfältig, ja geradezu filigran. Der Angriff aus Sparguthaben ist die erste Stufe, womöglich gefolgt durch Angriffe auf die Vermögen selbst. Zypern hat gezeigt, dass auch davor nicht zurück geschreckt wird. Wie Mehltau legen sich die heimlichen und offenen Transfers der „Retter“ auf fast alle wirtschaftliche Transaktionen. Ja mehr noch: Der Transfer zu den Pleiteländer hat auch die Funktion einer Art Ablasshandel für die Politik und auch für uns Bürger. Wir haben ja etwas getan! Wir waren ja „die Guten“. Wir haben gegeben für die Schuld(en) Anderer.

Aber bringt das Erlösung? Nein! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Not wieder – und dann in anderer Gestalt, bei uns anklopft.

Die Transferpolitik wie sie sich uns in Europa darbietet ist die Folge einer schon lange gefällten Entscheidung. Aus den Jahren der Großen Depression berichtete uns der damalige US Präsident Hoover, sein Finanzminister hätte ihm dazu geraten, im Krisenfall alles dem Markt zu überlassen. Von Hoover überliefert sind die berühmten Worte des damaligen US-Finanzministers Andrew W. Mellon: “Liquidate labor, liquidate stocks, liquidate the farmers, liquidate real estate.”

Diese Haltung führte in die Katastrophe, an die wir uns heute noch erinnern. Der Markt alleine hat die Welt nicht aus der Depression geführt… Zum Zeitpunkt als die Krise 2007/2008 ausbrach, war Ben Bernanke Chef der FED. Bernanke hatte als Spezialgebiet die Große Depression von 1929. Und er entschied sich, den Fehler Mellons nicht zu wiederholen. Konsequent und radikal wurden alle Firmen ab einer gewissen Größe für „systemrelevant“ erklärt und gestützt, verstaatlicht oder geordnet abgewickelt. Die europäische Transferunion ist in gewisser Weise ein Produkt von Bernankes „Lernkurve“. Statt dem reinen Markt regiert heute die staatliche Intervention und man kann nicht sagen, wir hätten aus der Geschichte nichts gelernt.

Doch heute, fast 7 Jahre nach dem Beginn dieser Politik, stehen wir vor der Erkenntnis, dass der Markt alleine die Krise von 1929 nicht gelöst hat und die derzeitigen staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft von einer Regulierung der Krise zu einer Überregulierung des gesamten Lebens führen. Die finanzielle Repression, die wir derzeit erleiden, ist Ausdruck dieser Entwicklung. Am Ende dieses Weges steht womöglich die Erkenntnis, dass hier eine Aporie vorliegt. Womöglich kann weder der freie Markt, noch der staatliche Eingriff eine große Finanz- oder Wirtschaftskrise lösen.

Damit aber wäre das „Projekt Aufklärung“ wie wir es kennen, gescheitert. Darauf wies Hüther schon hin, wenn er betont dass die „falschen Verdrahtungen“ im menschlichen Gehirn eigentlich der Idee der Aufklärung spotten. Die Aufklärung hat den Anspruch, mit den Mitteln des Verstandes und der Vernunft eine Situation für den Menschen zu erschaffen, in der auf lange Sicht alles vernünftig geregelt ist. Unsere Technologie ist getrieben von dem Wunsch und dem Ziel der Machbarkeit. Das Leben sollte eben vernünftig geregelt und geordnet werden können. Leider spottet die Wirklichkeit der menschlichen Existenz sowohl bei den Verdrahtungen im Hirn wie auch beim Krisenmanagement von Wirtschaftskrisen diesem Anspruch.

Während Wissenschaft, Technik und Politik der Illusion einer irgendwann einmal leidfreien menschlichen Existenz hinterher rennen, bricht die Not, oder wirtschaftlich gesprochen entweder das schrumpfende BIP oder die Inflation über uns herein und lässt uns zurück mit der Erkenntnis: Leidfreiheit ist eine Illusion. Aber diese Wahrheit kann man schon bei allen großen Religionsgründern nachlesen. Sie weisen immer wieder darauf hin.

Wir können sinnlos weiter konsumieren oder die Überschuldung von Staaten per Transferunion regulieren. Wir können Helden sein und gegen das Leiden kämpfen. Wir können aber auch lernen, unsere Illusionen als solche zu erkennen.

Falls sie diese Erkenntnis ratlos (oder gar frustriert) machen sollte…. dann hat dieser Artikel seine Funktion als 5-Uhr-Morgen-Wecker erfüllt,

meint
Michael Obergfell

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Dem biologisch-naturwissenschaftlichen Ansatz von Prof. Dr. Gerald Hüther kann ich nur zustimmen. In der Lernpsychologie ist das vergleichbar mit „Lernen durch Nachahmung“. Z.B.: Wenn Kleinkinder mit Geschenken zugeschüttet werden, werden sie frühzeitig auf Konsum programmiert. „Haben wollen“ wird sich im Speicher des Gehirns eines Kleinkindes verfestigen.  Dieses Phänomen beobachte ich regelmäßig im Supermarkt, in Kaufhäusern … usw. Das Problem ist vielschichtig. Zwei bedeutende Punkte sind z.B.:

1) elterliches Fehlverhalten bzgl. Konsum auf Kredit
2) Kinder sitzen zu viel vor der Glotze und werden von Werbung massiv beeinflusst

Auf der Strecke bleibt dabei leider die Persönlichkeitsentwicklung von Kleinkindern. Unser Bildungssystem trägt ein Großteil dazu bei. Und wer ist Verantwortlich für unser Bildungssystem? Unsere unfähigen Polit-Darsteller, die nur die Interessen der Lobby vertreten.

 

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