Der Koalitionsvertrag und die Eurorettung

Tageskommentar 30. 11. 2013: fortunato,
Der Koalitionsvertrag und die Eurorettung: Woher sollen die Einsparungen kommen?

von fortunato (fortunanetz)

Die Berichterstattung in der Mainstream-Presse übt sich oft in der ‚Kunst des Weglassens‘. Dies wird wieder deutlich bei den Berichten über den Koalitionsvertrag. Interessanterweise werden lieber Themen wie ‚Mautgebühren‘ und ‚Mindestlohn‘ in den Vordergrund gestellt, aber die Äußerungen zum Thema ‚Euro‘ und ‚Eurorettung‘ kommen in der öffentlichen Wahrnehmung so gut wie nicht vor.

Der Koalitionsvertrag spiegelt in gewisser Weise den lauten Knall wieder, der bei der Bundestagswahl im September 2013 zu hören gewesen war. Aber dieser laute Knall wird lieber beschwiegen, denn man müsste in diesem Fall zugeben, dass es diesen lauten Knall gegeben hat. Fortunanetz hat immer wieder in den letzten Jahren von den geradezu ‚feuchten Träumen‘ der Euroretter berichtet. Diese gingen von einem ESM der nach oben offene Haftungsgrenzen haben sollte über eine Bankenunion bei der die Sparer ausgenommen werden wie rohe Austern bis hin zu einer schamlosen Ausnutzung des Steuerzahlers, um praktisch alle Verluste die in den letzten 20 bis 30 Jahren beim Staat und in den Finanzmärkten aufgelaufen sind (Schulden des Staates sind Risiken der Finanzmärkte geworden…) zu sozialisieren.

Alle diese geistigen Stilblüten hat die Kanzlerin Angela Merkel kommentarlos im Raum stehen lassen. Wie auch beim NSA-Skandal hat sie sich nicht als Verteidigerin der Deutschen Interessen profiliert, sondern sie duldete still jede irrsinnige Idee. Selbst als der IWF vor einigen Wochen auftrat und verkündete, dass die Deutschen ruhig mehr Steuern bezahlen könnten, blieb sie auch bei solchen massiven Interventionen von außen einfach ruhig.

Doch nun liest man im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD, wie sich beide großen Blockparteien die Lösung der Eurorettung und die Stabilisierung der Finanzmärkte vorstellen. Und das ist KEIN THEMA in der Mainstream-Presse. Insbesondere auf den Seiten 87 bis 95 werden einige Gedanken zur weiteren Eurorettung preisgegeben.

In den Kapitel ‚Solide Staatsfinanzen – nachhaltig und generationengerecht wird noch einmal festgehalten: ‚Der Stabilitäs- und Wachstumspakt verlangt eine konsequente Rückführung der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Wir wollen die Quote innerhalb von zehn Jahren von 81 Prozent (Ende 2012) auf weniger als 60 Prozent zurückführen. Bis Ende 2017 streben wir eine Absenkung der Quote auf unter 70 Prozent des BIP an.'(S. 87 des PDF-Dokumentes) Eine derartige Rückführung der Staatsschuldenqoute auf 70 Prozent in 4 Jahren(!) ist mehr als nur ambitioniert, auch für Deutschland.

2012 lag das BIP Deutschlands bei ca. 3,4 Billionen USD (oder auch 2,6 Billionen Euro). Voraussichtlich steigt das BIP 2013 lediglich um 0,4 Prozent und soll 2014 auf prognostizierte kühne 1,7 Prozent ansteigen. Für die Jahre 2000 bis 2010 lag das durchschnittliche Wachstum des BIP bei ca. 0,9 Prozent. Nimmt man nur die letzten 5 Jahre bis 2012, liegt es bei bescheidenen 0,7 Prozent. Das alles versteht sich näherungsweise. Setzt man nun diese Zahlen optimistisch an und behauptet, dass die Krise nun vorbei sei (was Frau Merkel und Herr Schäuble gerne seit Jahren tun), könnte man zu den Wachstumsraten von vor der Krise zurück kehren. Das ist zwar sehr optimistisch, aber sei es drum.

Auf diese Weise entstehen 3 Szenarien. Szenario 1, das optimistische Szenario, geht davon aus dass wir ab 2014 zu den guten Jahren zurück kehren und im Schnitt auf die nächsten 3 bis 4 Jahre 0,9 Prozent BIP-Wachstum pro Jahr haben werden. Szenario 2 nimmt an, dass die folgenden Jahre 2014 bis 2017 nicht besser sind als 2012 und sozusagen ein mittelprächtiges Gesamtwachstum des BIP von 0,7 Prozent pro Jahr hergibt. Szenario 3 hingegen nimmt eine eher sehr bescheidene Entwicklung an die im Schnitt pro Jahr nur 0,4 Prozent BIP-Wachstum erlaubt.

Natürlich haben die angegebenen Szenarien nur eine begrenzte Aussagekraft, weil es wesentlich mehr Faktoren und auch externe Entwicklungen gibt, die dieses Wachstum der gesamten Volkswirtschaft beeinflussen.

In Szenario 1 wächst das BIP Deutschlands auf 2,75 Billionen Euro bis Ende 2017. In Szenario 2 erreicht es nur noch 2,71 Billionen Euro und in Szenario 3 wächst es mit 2,69 Billionen Euro nur unwesentlich.

Wollte die Große Koalition nun in 2017 bei einer Staatsschuldenquote von 70 Prozent ankommen, so müssten nach Szenario 1 ca. 174 Milliarden Euro, in Szenario 2 ca. 203 Milliarden Euro und in Szenario 3 ca. 212 Milliarden Euro getilgt(!) werden.

Wie die Große Koalition das erreichen will, sagt sie aber nicht. Und wenn man bedenkt, dass der aktuelle Koalitionsvertrag schon jetzt ‚mehr kosten‘ soll und dass der Zinsaufwand für Anleihen der BRD nicht weiter sinken, sondern womöglich wieder steigen wird, so fragt man sich wie diese Einsparungsziele erreicht werden sollen. Leider sagt der Koalitionsvertrag darüber nichts aus und viele Faktoren in dieser Rechnung dürften auch einer zukünftigen Großen Koalition jetzt noch unbekannt sein…

Entweder rechnet die zukünftige Bundesregierung mit einem neuen Wirtschaftswunder in Deutschland, oder sie rechnet mit einer kräftigen Inflation (die ja die Staatsschuldenquote auch entlasten dürfte) oder sie will brutalstmöglich sparen. Auch ‚Tricksereien‘ mit Zahlen sind denkbar und bei der Regierung Merkel über Jahre hin sattsam bekannt (z. B. bei der Arbeitslosen-Statistik…) aber bislang kann niemand sagen, welche neuen Tricks und Finten die Große Koalition aus dem Hut zaubern könnte.

Alle diese unliebsamen Diskussionspunkte werden aber von der Mainstream-Presse lieber nicht angesprochen.

Der Koalitionsvertrag signalisiert zumindest den ‚guten Willen‘ bei der Abwicklung überschuldeter Banken ‚gesunden Menschenverstand‘ walten zu lassen.

‚Bei der Sanierung und Abwicklung von Banken setzen wir uns für die strikte Einhaltung einer klaren Haftungskaskade und für eine konsequente Beteiligung von Bankgläubigern (Bail-In) ein. Künftig müssen vorrangig Eigentümer und Bankgläubiger, nicht Steuerzahler heran gezogen werden. Sparer mit einer Einlage bis zu 100.000 Euro werden geschützt.‘ (Koalitionsvertrag, S. 93 im PDF Dokument)

Zwar schließt der Koalitionsvertrag eindeutig die Haftung durch Steuerzahler aus, will aber – unter Einhaltung der üblichen Haftungskaskade Eigentümer (Platz 1), Bankgläubiger (Platz 2), Sparer (Platz 3) eine geordnete Insolvenz von Banken auch im Rahmen der Bankenunion durchführen lassen. Dabei würden zwar auch wohlhabendere Sparer zur Kasse gebeten werden, aber damit würde zumindest ansatzweise das unternehmerische Risiko auch in den Finanzmärkten wieder zur Geltung kommen. Ob eine Große Koalition wird Wort halten können, weiß derzeit niemand. Angesichts der Dimensionen der Staatsverschuldung und der Schieflage an den Finanzmärkten wäre dies eher verwunderlich.

Und so hört man in den Äußerungen zur Eurorettung bei dem Koalitionsvertrag nicht nur den Knall bei der Bundestagswahl, sondern man hört auch schon den zukünftigen Knall, nämlich dann wenn der Koalitionsvertrag eingehalten wird oder auch wenn er nicht eingehalten wird. Es wird weitere akustische Events dieser Art geben, das ist jetzt schon sicher,

meint
fortunato

 

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