Der israelisch-iranische Proxykrieg

Auf den israelischen Militärschlag gegen den Iran vom 13. Juni 2025 gibt es verständnisvolle, empörte und besorgte Reaktionen. – Doch indem hier offensichtlich ein seit langem angesteuerter Proxykonflikt mit gegeneinander aufgehetzten Kontrahenten vorliegt, ist allein die besorgte Reaktion der Lage angemessen.

von Christian Hamann (frieden-fairness-freiheit)

Iran ist von westlichen Kräften, genauer gesagt Großbritannien und den USA, bereits während des 2. Weltkrieges als ungefragtes Transitland für Waffenlieferungen an die Sowjetunion missbraucht worden. Es war maßgeblich die übertriebene Dimensionierung dieser Hochrüstung,1) die eine kommunistische Supermacht aus dem Krieg hervorgehen ließ, die Europa eine über 40-jährige Spaltung in Ost und West sowie das Wettrüsten im kalten Krieg eingetragen hat.

Im Jahr 1953 wurde der Iran zum zweitenmal Opfer westlicher Eingriffe in seine Souveränität, als MI6 und CIA den Sturz des gewählten Präsidenten Mozadegh herbeiführten. Wie man heute weiß, steckten vor allem britische Ölinteressen dahinter. Diese Hinderung an einer demokratischen Entwicklung ist bis heute wirksam geblieben. Der damals als unangefochtener Herrscher etablierte Schah Reza Pahlevi konnte schon aufgrund seiner Prunksucht und seiner allzu offensichtlichen Unterstützung durch die USA keinen breiten Rückhalt in der Bevölkerung finden. Seine Ablösung durch erstarkte Islamisten im Jahr 1979 war daher vorprogrammiert. – Im Nachhinein kann man die islamische Revolution als Generalprobe für ganz ähnliche Vorgänge im Zuge des ‚Arabischen Frühlings‘ in Nordafrika und Syrien im Jahr 2011 sehen.

Nach der Machtübernahme der Ayotollahs und der anschließenden Geiselaffäre (1979-1981) in Teheran ist das Verhältnis zum Iran in den westlichen Mainstream-Medien auf Dauerfeindschaft geschaltet. Auch diese Monsterjagd hatte davor und hat bis heute viele Parallelfälle, zu denen v. a. Noam Chomsky aufschlussreiche Analysen geschrieben hat. Typisch für eine solche Dauerpropaganda ist, dass sie unerbittlich bis zum Sturz oder Tod des betreffenden Regierungschefs durchgehalten wird. Dies betraf u. a. den (CIA-Mitwisser) Präsident Daniel Noriega von Panama 1990, Saddam Hussein (2003/ 2006), Muammar al-Gaddafi (2011) und Bashar Assad (Dezember 2024).

Die zähe Hartnäckigkeit solcher Langzeitpropaganda bis zum finalen ‚Erfolg‘ ist Anzeichen für den Einfluss von Kreisen, die an Polarisierung interessiert sind. Das aber widerspricht den Interessen der westlichen Nationen. John Quincy Adams, 6. Präsident der USA, hatte bereits vor fast 200 Jahren die weise Richtlinie proklamiert, „America does not go abroad in search of monsters to destroy.“ – Amerika geht nicht ins Ausland, um Monster zu suchen und zu vernichten.

Die Ergebnisse der Monsterjagden, Militärinterventionen und Regierungsstürze hatten oft wenig mit den angekündigten Zielen zu tun, was sie nachträglich als Vorwände enttarnt. ‚Dank‘ verständnisvoll kommentierender Medien blieben solche Widersprüchlichkeiten weitgehend unkritisiert und konnten daher bis ins Groteske gesteigert werden. Dies demonstrierte u. a. der Irakkrieg (2003-2011), der von George W. Bush auf der Basis falscher CIA-Berichte begonnen und mit pathetischen Worten gerechtfertigt wurde:  „My fellow citizens, at this hour, American and coalition forces are in the early stages of military operations to disarm Iraq, to free its people and to defend the world from grave danger.“

Die Gefahr für die Welt erwies sich als Phantasiebehauptung und die Befreiung als die Zerstörung von einer halben Million Menschenleben und großer Teile der Bausubstanz und Infrastruktur. Das Land ist streckenweise bis heute durch DU-Geschosse radioaktiv belastet2)

Den amerikanischen und anderen westlichen Bürgern hat dieser absurde Krieg als zynischen ‚Gegenwert‘ für fast 5.000 gefallene eigene Soldaten und rund eine Billion Dollar Kosten eine Rufschändung ihrer freiheitlichen Demokratie eingetragen.3)

Indem ganz andere Ziele und Interessen verfolgt werden als die der demokratischen Nationen des Westens, liegen auf breiter Front Stellvertreterkriege vor. Diese entsprechen einem Werkzeuggebrauch des beteiligten Militärs unter Opferung von Menschenleben für Ziele, die keinen persönlichen Lebenseinsatz und schon gar nicht das gesellschaftliche Risiko einer Eskalation zum Großkrieg rechtfertigen.

Heutige Proxykriege sind noch undurchsichtiger als frühere, indem auch hinter Stellvertretern oft nur weitere Stellvertreter stehen. Genau das liegt offenbar beim Konflikt Israel-Iran vor.

Bei der Frage, wessen Interessen dort tatsächlich bedient werden, fällt der Verdacht nach der Vorgeschichte zunächst auf Großbritannien. Doch pauschal auf die britische Nation zu zeigen, wäre ungerecht. Schon seit Jahrhunderten ist ‚britische‘ Politik konstant die Politik seiner Oberschicht. Diese konnte ihre Position durch Akkumulation eines gigantischen Reichtums in der Kolonialzeit immer weiter festigen und in den USA ein zweites Hauptquartier einrichten. In diesen Kreisen wurzelt das ‚britische‘ und ‚amerikanische‘ Interesse an iranischem Öl.

Der Iran übt sich zwar seit 1979 im solidarischen Eintreten für muslimische Glaubensbrüder in Palästina, erhält dafür aber von anderen islamischen Ländern genau 0 Solidarität zurück. Ob Türken, Pakistaner oder Araber, alle betrachten den schiitischen Iran als Rivalen. Insbesondere die Türken zeigen mit ihrem schon seit dem 1. Weltkrieg bestehenden angespannten Verhältnis zu den Kurden die generell enge Begrenztheit ihrer islamischen Solidarität – was Optionen auf anderweitige ‚strategische‘ (sprich opportunistische) Bündnisse zulässt.

  1. Ein solches prinzipienfernes Bündnis kam erstmals 1853 zustande, als Großbritannien unprovoziert in eine Auseinandersetzung zwischen dem Osmansischen Reich und Russland auf der Seite der Türken eingriff. Der kaum bekannte Krieg, an dem sich auch (das bereits 1815 bei Waterloo als Macht degradierte) Frankreich und Savoyen (Italien) beteiligten, kostete 1 Mio. Menschenleben und beließ Teile Südosteuropas unter osmanischer Herrschaft.
  2. Seither haben verschiedene historische Ereignisse eine meistens inoffizielle Begünstigung muslimischer Kräfte durch Großbritannien gezeigt.
  3. Diese Parteilichkeit zugunsten des Islam gilt auch für Palästina zur Mandatszeit und jetzt für Israel,4) auch wenn westliche Medien nach Kräften ein gegenteiliges Bild zu zeichnen bemüht waren.
  4. Die Türkei wurde insbesondere nach dem 2. Weltkrieg auf vielerlei Weise begünstigt und gefördert. Sie durfte sich auch politische und militärische Aktionen unkritisiert erlauben, für die andere Länder Sanktionen oder gar Militärschläge riskiert hätten. Das waren u. a. das Pogrom von Istanbul 1955 gegen Griechen, Armenier und Juden mit 3.500 verwüsteten Wohnhäusern und 4.000 bis 5000 angeriffenen Geschäften (über 90 % der Griechen haben das Land verlassen).5) 1974 erfolgte die Invasion auf Zypern mit der Vertreibung von 150 bis 200.000 Inselgriechen und im syrischen Bürgerkrieg die Besetzung eines Grenzstreifens. Seit dem Krieg gegen Libyen 2011 besteht eine Dauerpräsenz türkischer Besatzungstruppen in dem ebenso dauerhaft destabilisierten Land und seit über 100 Jahren findet wechselnd intensive, aber anhaltende Unterdrückung und mitunter Verfolgung von Kurden statt.

Nach einer Niederwerfung des Iran wird Israel aus geographischen Gründen keinen Quadratmeter des Landes okkupieren können. Die Türkei besitzt dagegen die geostrategischen Voraussetzungen und das militärische Potenzial, das gesamte Land zu besetzen oder durch Proxys besetzen zu lassen wie jetzt Syrien.

Dabei war eine friedliche Einigung mit Teheran näher gerückt, seitdem Trump Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Mit mehr Sensibilität hätte man im Westen auch mitbekommen, dass sich im Iran schon seit geraumer Zeit eine Entwicklung vollzieht, die hoffnungsfroh stimmen sollte. – Das kann sie nur leider nicht, weil sie in den Medien kaum aufgegriffen wird. Es handelt sich um eine zunehmende Unzufriedenheit mit dem Regime der Mullahs. Inzwischen würde die große Mehrheit der Bevölkerung lieber heute als morgen einen Regierungswechsel sehen und mit ihm mehr persönliche Freiheiten, ein Abrücken von der Terrorförderung und Frieden mit Israel.6) Referenz

Noch klarer als im Falle des Diktators Maduro bietet das Ambiente beste Bedingungen für die in zahlreichen Regierungsstürzen geübten westlichen Geheimdienste. Wie die fast reibungslose Express-Entmachtung Assads durch türkeinahme Islamisten in Syrien gezeigt hat, ist so etwas eine Frage des politischen Willens, nicht eine der Möglichkeiten – heute wie schon zu Zeiten Mozadeghs.

 

Die ungekürzte Version findet sich auf https://www.frieden-freiheit-fairness.com/blog/der-israelisch-iranische-proxykrieg-ungekuerzte-version

 

Referenzen und interne Links

1)      https://lend-lease.net/articles-en/aircraft-deliveries-to-the-soviet-union/

2)      https://www.researchgate.net/publication/333045317_DU_contamination_in_Iraq_An_overview_2

3)      https://www.bbc.com/news/world-middle-east-64976144

4)      https://www.frieden-freiheit-fairness.com/blog/die-verantwortung-fuer-den-nahostkonflikt-liegt-bei-grossbritannien

5)      https://en.wikipedia.org/wiki/Istanbul_pogrom

6)      https://www.memri.org/reports/accelerating-collapse-iranian-regime

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