Der ganz legale Billionenschwindel

Manfred Gburek, 20. Juli 2012

Am Freitag wollte ich gerade die Ergebnisse meiner letztwöchigen Recherchen auswerten, da kam mir der Fernsehsender n-tv mit der Meldung über die Schießerei aus Anlass der „Batman“-Premiere in der Nähe von Denver dazwischen. Weshalb ich dem anschließenden minutenlangen Gestotter der Moderatorin und des Washingtoner Korrespondenten zuhörte, ist mir im Nachhinein zwar ein Rätsel, aber immerhin bleibt eine Erkenntnis daraus: „Der Nachrichtensender“, wie n-tv sich gern nennt, hat seine Zuschauer aus lauter Sensationslust wieder einmal für dumm zu verkaufen versucht, messbar an hilflosen Kommentaren und nicht zuletzt auch an der Entfernung zwischen Denver und Washington, die über 2500 Kilometer Luftlinie beträgt. Der arme Moderator der „Telebörse“ musste sich anschließend mit wenigen Anmerkungen zum Thema Geld zufrieden geben.

Der hier beschriebene Fall ist nur einer von vielen, die belegen, dass Medien uns zunehmend mit Nachrichten und Kommentaren füttern, deren Informationsgehalt dürftig ist. Das betrifft leider nicht allein das Fernsehen, sondern die meisten Medien. Und seit die Leute mit iPad oder Galaxy durch die Gegend laufen, wird alles noch schlimmer: Plötzlich erhalten Nebensächlichkeiten in der menschlichen Wahrnehmung einen Stellenwert weit über dem der entscheidenden Informationen. Derweil rutscht das Interesse an der Mehrzahl der Printmedien, die zum Teil krampfhaft versuchen, gerade solche Informationen an den Mann und die Frau zu bringen, nach der jüngsten Statistik zugunsten des Internets massiv in den Keller.

Das Thema Geldanlage bleibt davon nicht ausgenommen, ja man könnte sogar behaupten, dass seine Anhänger immer mehr zu Opfern fehlgesteuerter Informationen werden. Ist Ihnen nicht auch schon aufgefallen, dass Heerscharen von Kommentatoren – üblicherweise Chartisten genannt – immer wieder versuchen, die Ausschläge des Deutschen Aktienindex Dax zu interpretieren? Und das ungeachtet der Tatsache, dass der Dax aus 30 Aktien mit unterschiedlicher Gewichtung besteht, von denen mal welche aus dem Index rausfliegen, mal andere in ihn reinkommen. Erkenntniswert der Interpretationen: null.

Zur Ehrenrettung mancher Chartisten, die ihren Beruf ernster nehmen als die Dax-Deuter, sei allerdings gesagt, dass die Kursverläufe einzelner Aktien im Gegensatz zu denen von Indizes durchaus wichtige Erkenntnisse zulassen, auch wenn diese sich eher auf die Vergangenheit und die Gegenwart als auf die Zukunft beziehen. Werden sie durch fundamentale Daten wie Bilanzkennzahlen oder Ad hoc-Mitteilungen gestützt, können sie oft sogar zum erfolgreichen Abschluss einer Aktienspekulation führen.

Wie steht es in diesem Zusammenhang um die Preiskurven von Gold und Silber? Hier überwiegen zunächst die fundamentalen Komponenten als Einflussfaktoren, also Angebot und Nachfrage, wie sie zum Beispiel vom World Gold Council und vom Analysehaus GFMS veröffentlicht werden. Dazu gehören beispielsweise die offiziellen Käufe und Verkäufe der großen Goldländer, die Produktion der Minen einschließlich ihrer Vorabverkäufe, die Dispositionen der Schmuckindustrie, das Plus oder Minus in den Beständen der Edelmetallfonds sowie die Höhe der Altgoldkäufe und -verkäufe.

Wer diese und weitere Komponenten verfolgt und obendrein mit den Charts abgleicht, stößt jedoch schnell an Erkenntnisgrenzen. Das hängt mit einem Einflussfaktor zusammen, der sich weder in Unzen Gold oder Silber noch sonstwie messen lässt, sondern als unbestimmte Billionenzahl über den Märkten schwingt: Die Schuldenblase, die uns von den gängigen Medien mal als Staatsverschuldung, mal als Bankendesaster, mal als Problem der einen oder anderen Regierung, mal als Herausforderung der Zentralbanken und mal als Problem von uns allen vorgeführt wird.

Gold und Silber sind vor Jahresfrist derart vorgeprescht, dass sie den von Staaten und Banken einschließlich Zentralbanken zu verantwortenden Billionenschwindel, um den es sich hier in Wahrheit handelt, zunächst mit ihren Preisen vorweggenommen, dann aber mit einem Goldpreis über 1900 Dollar nach oben übertrieben haben. Die Reaktion der Märkte ist dann im vergangenen September mit dem Preisrückgang von Gold unter 1600 Dollar gefolgt. Seitdem pendeln die Preise beider Edelmetalle in immer enger werdenden Bandbreiten vor sich hin – mit dem Nebeneffekt, dass bis auf ein paar Spezialisten (und natürlich die Hard Core-Edelmetallfans) kaum jemand dem Zusammenhang zwischen ihnen und dem Billionenschwindel die gebührende Aufmerksamkeit schenkt.

Das hat auch etwas damit zu tun, dass sich eine konkrete Billionenzahl nicht einmal ansatzweise ermitteln lässt, folglich auch nicht deren Wechselwirkung in Bezug auf Gold und Silber. Man weiß aus Geschichtsbüchern und Erzählungen der Vorfahren halt nur, dass dauerhaft überhöhten Staatsschulden irgendwann der Staatsbankrott folgt und dass Bankenkrisen zur Vernichtung des Vermögens bestimmter Bevölkerungsgruppen führen, vornehmlich des Vermögens von Gläubigern, zum Beispiel Anleihenbesitzern.

Wir haben es also mit einem unbekannten Betrag x zu tun, der entweder am Tag, in der Woche oder im Monat y durch das Platzen der Schuldenblase auf den ebenfalls unbekannten Betrag z in sich zusammenfallen wird. Oder es kommt zu der in letzter Zeit häufig diskutierten Alternative: Statt des maximal einen Monat dauernden Zusammenfalls folgt eine jahrelange Entwertung der Staatsschulden durch Inflation, begleitet von finanzieller Repression. Letztere ist ja am vergangenen Donnerstag schon durch manche Rede geschwungen, als es im Bundestag um das Rettungspaket für Spanien in Höhe bis zu 100 Milliarden Euro ging und uns aus der ultralinken Ecke unter anderem Zwangsanleihen schmackhaft gemacht wurden.

Gleichungen mit drei Unbekannten sind unlösbar, wenn es nicht genug Bekannte gibt. Und weil die einfach nicht zu finden sind, müssen wir uns auf unser Gespür für das verlassen, was wir täglich beobachten: Zum Beispiel, dass Bundesanleihen real nur noch negative Renditen abwerfen, dass jetzt Aktien statt Anleihen von dem vielen im Umlauf befindlichen Geld profitieren, dass der Euro gegen den Dollar an Wert verliert und dass sich Gold in Euro als stabil erweist. Ich würde mich nicht wundern, wenn der Goldpreis und in seinem Gefolge auch der Silberpreis schon bald aus dieser Konstellation nach oben ausbricht, nämlich wenn der formell legale Billionenschwindel breiten Anlegerkreisen wirklich bewusst wird. Den Anstoß dazu werden indes nicht die Medien geben. Sie werden, wie eingangs beschrieben, noch so lange der üblichen Sensationslust frönen, bis sie die Schwindelei mit den Staatsschulden als Sensation wahrnehmen.

Quelle: gburek

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