Der Fall Skripal – Vom Winde verweht

Dieser extrem aufgebauschte Fall, dessen Widersprüchlichkeiten immerhin schonungslos zutage traten, ist eher sang- und klanglos von der Bildfläche verschwunden.

Der US-Autor Seymour Hersh, dem unter anderem die Aufdeckung des während des Vietnamkriegs von der US-Armee begangenen Massakers von My Lai und des Folterskandals im irakischen Abu-Ghraib-Gefängnis zu verdanken ist, hat jetzt am 30. Juni zu dem Giftgasanschlag Stellung genommen.

»Der legendäre Investigativjournalist und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh«, hat RT hierzu vorausgeschickt, »hat die offizielle Version der britischen Regierung zur Vergiftung der Skripals in Frage gestellt. Laut seinen Informanten hat die Vergiftung einen mafiösen Hintergrund.«

Skripal: Die wahre Geschichte hat wenig mit Russland zu tun   
Im Gespräch mit der BBC-Radiosendung The Media Show erklärte Hersh zunächst, dass es in den Medien immer eine Voreingenommenheit gebe und dass insbesondere das Vereinigte Königreich von einer instinktiven Abneigung gegenüber Russland durchdrungen sei: »Es gibt die ganze Zeit Vorurteile, dieses Land ist voller Vorurteile, und es gibt hier eine große Abneigung gegen Rußland, eine instinktive Abneigung.« »Sie sahen das Chaos, das wir im März hatten, die beiden Russen, die angeblich durch Nervengas getötet werden sollten, was de facto unmöglich ist«, fuhr er mit Verweis auf die Vergiftung des ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seiner Tochter Julia in Salisbury fort. »Wenn man sie mit Nervengas tötete, tötete man die halbe Stadt«, fügte Hersh hinzu, um dann zu betonten, dass bei westlichen Medien vielsagenderweise kaum noch ein Interesse daran bestehe, über den Vorfall weiter zu berichten.

»Mit der Geschichte stimmt etwas nicht«, erklärte er, um dann eine Bombe platzen zu lassen, denn auf die Frage des BBC-Moderators, wer denn seiner Meinung nach wirklich hinter dem Angriff von Salisbury stecke, antwortete Hersh in Minute 3:50: »Mir wurde zugetragen, dass die wahre Geschichte wenig mit Rußland an sich zu tun hat, außer dass er – Sergej Skripal – einige russische Mafiosi verpfiffen hat.«   [1]

Nach einigen Monaten im Krankenhaus waren beide Skripals entlassen worden, nachdem sie, wie es hiess, am 4. März 2018 bei einem mutmaßlichen Kontakt mit dem Nervengift Nowitschok schwer erkrankt waren. Von Sergej Skripal hat man seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus nichts mehr gehört.

Bekanntlich hatten sich die meisten Mitglieder des Kabinetts, allen voran Aussenminister Boris Johnson, nicht lange mit Ermittlungsergebnissen aufgehalten und unverzüglich Moskau als Schuldigen für das Attentat ins Spiel gebracht. Am 12. März hatte Premierministerin Theresa May vor dem Unterhaus erklärt, dass höchstwahrscheinlich Russland für das Attentat verantwortlich sei und dabei die angebliche Tatwaffe, das Nervengift Nowitschok genannt; Johnson war noch einen Schritt weiter gegangen, indem er einige Tage später erklärte, dass höchstwahrscheinlich Putin das Attentat angeordnet habe.

Zu den zahlreich herumgebotenen abenteuerlichen Methoden, mit denen der Anschlag ausgeführt worden sein soll, gehört die Theorie eines am hellichten Tag erfolgen Luftangriffs. So präsentierte der Daily Star folgende Version des Tathergangs: Demnach wurden die Skripals laut britischen Geheimdienstchefs mit dem Nervengift durch eine ferngesteuerte Drohne besprüht, die über ihnen schwebte, als sie auf der Parkbank saßen. Der Einsatz einer Drohne würde auch erklären, warum es keine Augenzeugen des Angriffs gab und dieser in den Aufnahmen aus Überwachungskameras nicht zu sehen ist.« Laut der vom Daily Stargenannten Geheimdienstquelle wisse man, dass die Russen mit waffenfähigen Mini-Drohnen experimentieren. [2]

Das nennt man einen journalistischen Volltreffer …..

Absolut nicht nachvollziehbar ist auch, dass die Mehrzahl der Mitgliedstaaten von EU und NATO, darunter Deutschland, auf Grund von tatsächlichen resp. angeblichen Geheimdienstberichten insgesamt rund 150 russische Diplomaten ausgewiesen haben.

Dem Bericht von Thierry Meyssan von Réseau Voltaire zufolge »rief der ehemalige belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt, der den Belgiern im Europäischen Parlament vorsteht, die EU gar zur Verhängung von Sanktionen gegen Rußland auf. Sein Amtskollege an der Spitze der britischen Liberalen, Sir Vince Cable, schlug einen europäischen Boykott der Fußball-WM vor. Am 14. März war Theresa May dann erneut vor das Unterhaus getreten, um ihre Anklage auszubauen; in der Folge qualifizierte der blairistische Abgeordnete Chris Leslie Rußland als Schurken-Staat und beantragte die Aussetzung der russischen Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat, wobei sich die Premierministerin dafür einsetzte, dies zu prüfen, auch wenn sie betonte, dass diesbezüglich nur die UNO-Generalversammlung einen Entscheid treffen könne.

Daneben hatten auf Antrag des Vereinigten Königreichs die 29 Mitgliedstaaten der NATO in Brüssel getagt, wo sie eine Verbindung zwischen dem Einsatz von Chemiewaffen in Syrien und dem Attentat von Salisbury herstellten und Rußland für die beiden Ereignisse als wahrscheinlich verantwortlich betrachteten.

In New York hatte der ständige Vertreter Rußlands, Wassili Nebenzia, den Mitgliedern des Sicherheitsrats angeboten, die Untersuchung des Anschlags gemäß internationalem Verfahren der OVCW anzuvertrauen. Indessen verweigerte Großbritannien jeden Text, der nicht die Aussage enthielt, dass Rußland für den Anschlag wahrscheinlich verantwortlich sei.

Die haltlosen Beschuldigungen setzten sich fort
Während der nachfolgenden öffentlichen Diskussion erklärte der Beauftragte Großbritanniens, Jonathan Allen, ein Agent des MI6, der den englischen Kriegspropagandadienst aufgebaut und die Dschihadisten in Syrien aktiv unterstützt hat: Rußland hat sich bereits in die Angelegenheiten anderer Länder eingemischt, Rußland hat bereits das internationale Recht in der Ukraine verletzt, Rußland verachtet das Leben der Zivilisten, wie es ein Attentat auf ein Verkehrsflugzeug in der Ukraine von russischen Söldnern gezeigt hat, Rußland schützt die Benutzung von Chemiewaffen durch al-Assad. ….. Der russische Staat ist für diesen Attentatsversuch verantwortlich. Der ständige Vertreter Frankreichs, François Delattre, der dank eines Ausnahmedekrets von Präsident Sarkozy im US-Außenministerium trainiert wurde, erinnerte daran, dass sein Land eine Initiative zur Beendigung der Straflosigkeit jener vorgelegt hat, die chemische Waffen verwenden. Er ließ durchblicken, dass diese Initiative gegen Syrien auch gegen Rußland angewendet werden könnte…..«  [3]

Widerlegbare Anklagen dieser Art zeichnen ein desolates Bild, wie in der UNO gefochten wird. So hiess es denn auch auf sputniknews: »Das Glaubensbekenntnis der neuen Religion: Rußland ist immer an allem schuld, und wie manch eine andere Glaubenslehre braucht auch diese keine Beweise. Je nach Denkvermögen geben sich ihre Anhänger mit bloßen Behauptungen ihrer Propheten zufrieden.«

Auch Ursula von der Leyen hatte es nicht versäumt, sich mit einer Stellungnahme einzuschalten: »Wir stehen fest an der Seite der Briten.« Am 18. März hatte sie die EU und die USA zu einer geschlossenen Reaktion gegenüber Russland aufgerufen. »Der Westen muß sich einig gegen eine russische Politik des Regelbruchs stellen. Rußland muß jetzt ohne Wenn und Aber zur Aufklärung des Giftanschlags beitragen.« Und die Grünen: »Es ist gut, dass Heiko Maas anders als Sigmar Gabriel an den Sanktionen der EU gegen Rußland festhält«, so Omid Nouripour, ihr aussenpolitischer Sprecher. Im weiteren verstieg er sich zu der Behauptung: »Rußland ist inzwischen nicht einmal mehr eine gelenkte Demokratie. Deutschland muß mit der Regierung in Moskau Klartext reden wie mit jedem autoritäre Regime.« Man kann sich ungefähr ausmalen, wie sein Horizont beschaffen sein muss, erkennt er doch nicht einmal, wie lächerlich er sich mit einer solchen Forderung macht. Nur vom Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, war die Warnung vor einer Vorverurteilung zu hören: »Mit Blick auf die Vorwürfe gegen Rußland forderte er zu Augenmaß auf.«

Der deutsche Biologe Jan van Aken, der von 2004 bis 2006 für die UNO als Biowaffeninspekteur tätig war, hatte schon am 17. 3. erklärt, »dass es falsch sei, mit dem Finger auf Rußland zu zeigen. Die Belege seien hauchdünn, auch andere Länder kämen infrage. Man wisse sehr wenig über die Produktionsverfahren von Nowitschok. Es ist wohl – wie andere Nervengase – durchaus kompliziert herzustellen. Deswegen bin ich mir sicher, dass eine Geheimdienstoperation dahinter steckt. Aber zu sagen, weil Rußland Nowitschok vor 40 Jahren entwickelt hat, waren sie das heute, das ist albern. Es gibt mit Sicherheit einige andere Länder, die das genauso herstellen können.« Auf die Frage, welche Geheimdienste anderer Länder infrage kommen könnten, antwortete er: »Das ist totale Spekulation. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind möglicherweise Reste von diesem Nervengas in Teilrepubliken gelandet. Von Usbekistan weiß man das, da gab es wohl Testgelände für Nowitschok. Und möglicherweise gab es das noch in anderen Teilrepubliken, die heute eigene Länder sind. Außerdem gehe ich sicher davon aus, dass die Amerikaner diesen Stoff herstellen können, weil sie damals geholfen hatten, das Programm in Usbekistan abzubauen. Und ich würde sagen, auch die Bundeswehr würde ihren Job nicht richtig machen, wenn sie selbst nicht zumindest einmal geringste Mengen von Nowitschok hergestellt hätte. Sie muß wissen, wogegen sie sich verteidigen muß. …….. Der einzige Grund, warum ich überhaupt anfange, über Rußland nachzudenken, ist natürlich, dass Skripal mal ein russischer Doppelagent gewesen ist. Andererseits wäre es aus Rußlands Sicht sehr unklug, dann Nowitschok zu benutzen. Man hätte ja auch eine andere Substanz, beispielsweise Sarin, nehmen können, dann wäre der Verdacht nicht so direkt auf Rußland gefallen.« [4]





Den nachfolgenden Sachverhalt hat German Foreign Policy veröffentlicht: »Mitte Mai haben Berichte enthüllt, dass auch der Bundesnachrichtendienst im Besitz von Nowitschok gewesen ist. Demnach konnte ein BND-Agent in den 1990er Jahren eine Probe des Nervengifts bei einem russischen Wissenschaftler beschaffen, der neben der Preisgabe seiner Kenntnisse über den Stoff auch die Übermittlung einer geringen Menge davon an deutsche Stellen versprach. Als Gegenleistung verlangte er ein sicheres Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik. Kanzleramt und Verteidigungsministerium stimmten dem Deal damals zu. Die Probe wurde den Berichten zufolge in einem Labor in Schweden analysiert; BND und Verteidigungsministerium erhielten danach die chemische Formel. Anschließend beteiligten sich deutsche Experten an einer NATO-Arbeitsgruppe, die sämtliche Erkenntnisse zu Nowitschok zusammentrug; neben dem BND waren Geheimdienste aus den Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien und den Niederlanden involviert. Wie es heißt, produzierten einige NATO-Staaten geringe Mengen des Nervengifts – mit der Begründung, man müsse ja nun einmal Schutzausrüstung, Meßgeräte und Gegenmittel entwickeln.« [5]

Wie am 3. 4. von den Deutschen Wirtschafts Nachrichtengemeldet, »fand das britische Militärlabor in Porton Down keine Beweise, dass das angeblich gegen den britisch-russischen Ex-Spion eingesetzte Nervengift aus Rußland stammt. Wir haben seinen genauen Ursprung nicht identifiziert, sagte der Leiter des Labors, Gary Aitkenhead, am 3. 4. 18 dem Sender Sky News laut Reuters und AFP. Aitkenhead erklärte zu dem bei dem angeblichen Anschlag verwendeten Gift: Wir konnten nachweisen, dass es sich um Nowitschok, ein Nervengift militärischer Art, handelte. Sein Labor habe jedoch die genaue Herkunft aus einem bestimmten Land nicht nachweisen können. Sie hätten ihre Informationen an die Regierung weitergegeben, die dann unter Verwendung anderer Quellen die Schlußfolgerungen zusammensetzte, zu denen man gelangte. Dass das Gift aus Porton Down kommen könne, schloß Aitkenhead laut Guardianaus: Es ist völlig ausgeschlossen, dass so etwas jemals von uns kommen können oder die vier Wände unserer Labore verlassen können hätte.« [6]

Zuletzt hatten die Briten am 18. Mai erneut bekräftigt, von der Lösung des Falls noch weit entfernt zu sein; von Monaten penibler Recherche, die wohl noch bevorstünden, war die Rede. Jedenfalls steht die Klärung der Angelegenheit noch immer aus.

Laut einem Bericht der Sunday Times beabsichtigt nun die britische Regierung, das Haus von Sergej Skripal in Salisbury zu kaufen. Der Erwerb des Hauses werde den Steuerzahler 350.000 britische Pfund kosten, so die Zeitung unter Berufung auf Regierungsbeamte. Auch das Haus des Polizisten Nick Bailey, der ebenfalls mit Nowitschok in Kontakt gekommen sein soll, will die Regierung demnach für 430.000 Pfund kaufen. Ob die Regierung mit dem Tatort-Aufkauf etwas verbergen wolle, fragten sich daraufhin Mitglieder der Twitter-Community. So kommentierte ein Nutzer: »Häuser, Autos und Besitztümer von beiden Skripals und Bailey werden vom Staat gekauft? Aus welchem Grund genau? Wollen sie ein Nowitschok-Museum eröffnen? Oder haben sie etwas zu verbergen?« Worauf ein anderer Nutzer sarkastisch antwortete: »Mit dem Erwerb sollen die nicht-existenten Beweise verborgen werden.« [7]

Unter dem Titel Nebelwolken verdichten sich erschien auf der unverändert lesenswerten spatzseite folgender Kommentar: »Doch welche Plausibilität hat die Unterstellung, einen aufgeflogenen Agenten, der nach 6 Jahren Haft 2010 nach England abgeschoben wurde, heute nach weiteren 8 Jahren ermorden zu lassen. …….  Dazu hätte man unspektakulär 6 Jahre Zeit und Gelegenheit im Gefängnis gehabt. Der Skripal-Fall scheint dazu zu dienen, Auflösungstendenzen der westlichen Hegemonialmacht mit der zunehmenden Öffnung westeuropäischer Länder gegenüber Rußland entgegenzuwirken.« [8]

Siehe hierzu auch
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2773
18. 3. 18 Der Doppelmordversuch von Salisbury
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2788
15. 4. 18   Die neueste Meldung zur Skripal-Affäre

[1] https://deutsch.rt.com/europa/72255-investigativjournalist-hersh-ueber-skripal-wahre-geschichte-wenig-mit-russland-zu-tun/ 30. 6. 18
Investigativ-Journalist Seymour Hersh über Skripal: Wahre Geschichte hat wenig mit Russland zu tun.

[2] https://deutsch.rt.com/europa/70987-skripal-affaere-auch-nach-drei-monaten-bleibt-london-beweis-schuldig/ 6. 6. 18
Skripal-Affäre: Auch nach drei Monaten bleibt London der Welt einen Beweis schuldig – Von Sebastian Range

[3] http://www.voltairenet.org/article200271.html   21. 3. 18
Vier Tage, um einen kalten Krieg zu erklären von Thierry Meyssan

[4] http://www.tagesschau.de/ausland/skripal-interview-101.html
17. 3. 18

[5] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7613/
22. 5. 18 Der Wille zum Machtkampf

[6] https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/04/03/britisches-militaer-kein-beweis-fuer-russische-herkunft-von-nervengift/   3. 4. 18

[7] https://deutsch.rt.com/europa/71966-tatort-aneignung-britische-regierung-will-skripal-haus-kaufen/   26. 8. 18
Tatort-Aneignung: Britische Regierung will Haus von Sergej Skripal kaufen

[8] http://www.spatzseite.com/2018/04/nebelwolken-verdichten-sich/
6. 4. 18 Nebelwolken verdichten sich – Dr. Helmut Böttiger

Quelle: politonline

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3 Kommentare

  1. Eine britischer Giftmischer sagte, es sei ausgeschlossen, dass das Gift etwa aus Porton Down komme.

    Es steht aber mittlerweile fest, dass die Anthrax Sporen mit denen 2001 die USA terrorisiert wurden aus Fort Detrick stammen. 

    • Wundert Dich das?  🙂

      Solange es nützt, wird es weiterverfolgt; wenn es sich auch nur in´s Gegenteil verkehren könnte, läßt man es unter den Tisch fallen …

      • Nein es wundert mich nicht. Ich weiß, so wird das Spiel gespielt.Bush und sein Umfeld hatten ja das Anthrax Gegenmittel rechtzeitig zur Hand. Ciprobay von Bayer.

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