,,Der Euro wird Europa nicht einigen, sondern spalten.’’

Verschlafen? Ursachen und Wege aus der spanischen Dauersiesta

von Tomasz M. Froelich (freitum)

Zu viel Siesta, zu wenig Arbeit?

Ralf Dahrendorf bewies prophetische Weitsicht, als er Mitte der 1990er Jahre sagte: ,,Der Euro wird Europa nicht einigen, sondern spalten.’’ (Dahrendorf 1995, zit. n. Homburg 2010).

2014 – rund 15 Jahre nachdem der Euro als Buchgeld und zwölf Jahre nachdem er als Bargeld eingeführt wurde – ist die innereuropäische Spaltung bereits weit fortgeschritten. Während die Länder des europäischen Südens den europäischen Norden, allen voran Deutschland, für ihre Misere verantwortlich machen, werden im europäischen Norden vorherrschende Ressentiments bestärkt, wonach Südeuropäer prinzipiell faul und deshalb selbst schuld an ,,ihrer’’ Krise seien. Spanien, Portugal und Griechenland stehen kurz vor dem Bankrott. Rezessionen, Massenarbeitslosigkeit und sogar bürgerkriegsähnliche Zustände, wie man sie in den letzten Jahren regelmäßig auf den Straßen von Madrid, Lissabon und Athen beobachten kann, sind die Folge. Ein geeintes Europa sieht wahrlich anders aus.

Richtete sich der mediale Fokus im Zuge der Eurokrise überwiegend auf die Situation in Griechenland, so gleicht die Situation in Spanien einem weitaus explosiveren Pulverfass. Das liegt allein schon an Spaniens Größe: Spanien zählt annähernd 47 Millionen Einwohner und stellt die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone. Ein Kollaps der spanischen Volkswirtschaft hätte viel weitreichendere Folgen als etwa ein Kollaps der griechischen, oder aber auch der portugiesischen Volkswirtschaft. Daher erscheint es sinnvoll, den Blick auf die Situation in Spanien zu schärfen.

Der folgende Text skizziert die Situation in Spanien. Er benennt die Symptome und Ursachen der Krise in Spanien, um abschließend Auswege aufzuzeigen. Große Teile dieser Analyse, die sich an der Österreichischen Schule der Ökonomie orientiert, sind dabei auch auf andere Krisenländer des europäischen Südens übertragbar.

I. Die Situation in Spanien

Zu Beginn der Jahrtausendwende wurde in Spanien der Kredit ausgeweitet. Die Inflationserwartungen gingen aufgrund des hohen Ansehens der zumindest anfangs im Geiste der Deutschen Bundesbank stehenden und neu gestalteten Europäischen Zentralbank (EZB) zurück. Auch die Risikoprämien verringerten sich aufgrund der erwarteten Unterstützung durch stärkere Eurostaaten. Damit ging eine beträchtliche Senkung der Zinssätze einher. Die Folge: ein künstlicher Aufschwung, Überkonsum und Fehlinvestitionen. In Spanien bildete sich eine Immobilienblase, die beträchtliche Ausmaße erreichte: 2006, als der Immobilienboom seinen Höhepunkt erreichte, wurden in Spanien 760.000 Häuser gebaut. Zum Vergleich: In Frankreich und dem Vereinigten Königreich, die zusammen in etwa eine drei mal so große Bevölkerung wie Spanien haben, wurden im selben Jahr lediglich 650.000 Häuser gebaut. Insgesamt wurden in Spanien zwischen 2001 und 2008 rund 4 Millionen Häuser gebaut, was einem Jahresdurchschnitt von über 500.000 neu gebauten Häusern entspricht. Umgerechnet wurden in Spanien auf tausend Einwohner jährlich in etwa zwölf Häuser gebaut, bei einem EU-Durchschnitt von fünf Häusern. Noch im Jahrzehnt zuvor wurden im Schnitt lediglich etwa 250.000 Häuser jährlich gebaut. 2009, nach dem Platzen der Immobilienblase, standen in Spanien 700.000 fertig gebaute Häuser, die aber nicht mehr verkauft werden konnten (vgl. Concheiro 2011). Mittlerweile kann man kleine Dörfer oder ganze Straßenabschnitte zum Sonderpreis erwerben.

Erste Auswirkungen dieser Blase zeigten sich bereits 2007:
,,Im Jahr 2007 begannen sich jene mikroökonomischen Auswirkungen zu zeigen, die jeden künstlichen, durch Kreditausweitung und nicht durch echte Ersparnisse finanzierten Aufschwung rückgängig machen. Preise für Produktionsmittel, wie zum Beispiel Rohstoffe, und für Löhne stiegen an. Aufgrund des Inflationsdrucks stiegen auch die Zinssätze, weshalb die Zentralbanken ihre expansive Haltung abschwächen mussten. Schließlich begannen die Verbraucherpreise relativ zu den Produktionsfaktorpreisen zu steigen. Es wurde immer offensichtlicher, dass der Mangel an echten Ersparnissen viele Investitionen untragbar machte.“ (Huerta de Soto 2011: 9f.)

Anstatt diese Fehlentwicklungen nun einem notwendigen Anpassungsprozess zu unterziehen, griff die spanische Regierung in diesen Anpassungsprozess ein, indem sie ohnehin schon überdehnte Sektoren, wie etwa den Bausektor, mit höheren Ausgaben stützte. Auch der Finanzsektor wurde von der spanischen Regierung gestützt, indem sie für seine Verbindlichkeiten bürgte, Banken teilweise oder ganz verstaatlichte, oder ihnen Wertpapiere abkaufte. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit aufgrund beträchtlicher Arbeitsmarktregulierungen in die Höhe, wovon vor allem die jüngere Bevölkerung betroffen war: 2009 lag die Arbeitslosenrate der 16 bis 24-jährigen Spanier bei annähernd 43%, was den EU-Höchstwert bedeutete (vgl. Schwartz 2009). Und auch die Arbeitslosenrate in der spanischen Gesamtbevölkerung erreichte Rekordwerte: 2010 waren über 20% der spanischen Bevölkerung arbeitslos.

Für Spanien bedeutete dies sinkende Einnahmen bei steigenden Ausgaben. Das Haushaltsdefizit und die Staatsschulden nahmen rasant zu. So verdoppelten sich Spaniens Staatsschulden zwischen 2007 und 2011 von 36,1% auf 70,2%.

II. Wie kam es zur Krise in Spanien?

Wie bereits beschrieben, verursachte die Kreditausweitung in Spanien einen auf lange Sicht nicht tragfähigen Aufschwung. Nach der Einführung des Euro nahmen die Inflationserwartungen und die Risikoprämien in hochinflationären Ländern wie Spanien ab, was zu künstlich niedrig gehaltenen Zinssätzen führte, wie Philipp Bagus erklärt:

hilipp Bagus führt in ,,Die Tragödie des Euro“ eine exzellente Analyse des Eurosystems durch. Foto: institute.sk

,,Durch die stillschweigende Unterstützung seitens der Bundesregierung für Mitgliedstaaten der Währungsunion wurden die Zinssätze (ihre Risikokomponente) künstlich gesenkt, sowohl für private wie auch für öffentliche Schuldner. Die Inflationskomponente der Zinssätze ging aufgrund fallender Inflationserwartungen zurück.“ (Bagus 2011: 153)

Stillschweigend wurde angenommen, dass nach Beitritt zum Euro kein Land ihn wieder verlassen würde. Sollte ein Euroland in akute Not geraten, so ist man davon ausgegangen, dass die anderen Euroländer es retten würden. Dies senkte die Zinssätze für hochinflationäre Länder wie Spanien herab und ermöglichte diesen unangemessen hohe Schuldensätze. Die niedrigeren Zinssätze für hochinflationäre Länder entsprachen nicht ihrem wirklichen Zahlungsausfallrisiko. Mit der stillschweigenden Bailout-Garantie, die dann mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) trotz der sogenannten Nichtbeistandsklausel (Artikel 125 des Vertrags von Lissabon) auch Wirklichkeit wurde, waren Staatsschuldenprobleme der peripheren Euroländer faktisch vorprogrammiert.

Zunächst sank die Schuldenlast in Spanien und die privaten und öffentlichen Konsumausgaben nahmen zu. Die Konsumausgaben stiegen, obwohl es keine entsprechenden Ersparnisse gab. Die Spanier lebten über ihre Verhältnisse, verschuldeten sich und tätigten Investitionen, die einfach durch neue Kredite finanziert wurden; die Geldpolitik der EZB machte dies möglich. Die Spanier ließen sich durch die künstlich niedrigen Zinsen blenden – bei geringen Ersparnissen sollten die Zinsen in der Regel höher sein. Viele der aufgrund der niedrigen Zinsraten als profitabel erscheinenden Investitionen stellten sich im Nachhinein als Fehlinvestitionen heraus. Dies wurde mit dem Platzen der Immobilienblase in Spanien besonders deutlich: ,,In traditionell hochinflationären Ländern sank die Schuldenlast, woraufhin ihre privaten und öffentlichen Konsumausgaben emporschnellten. Mit den relativ hohen Umrechnungskursen bei der Umstellung auf Euro wurden die hochinflationären Länder ebenfalls begünstigt. Es wurden langlebige Konsumgüter wie Autos oder Häuser auf Kredit gekauft, was zu Immobilienblasen führte, wovon die spektakulärste in Spanien zu besichtigen ist.“ (ibid.)

Mit diesem kreditfinanzierten Überkonsum, den Fehlinvestitionen und vernachlässigter Produktivität nahm die Wettbewerbsfähigkeit Spaniens und anderer peripherer Euroländer ab, was sich etwa in einem starken Überschuss von Importen gegenüber Exporten äußerte: ,,Südliche Staaten verloren an Wettbewerbsfähigkeit, während Lohnsätze fortgesetzt stiegen. Mehrere Jahre lang wurden Überkonsum und der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit durch immer höhere private und öffentliche Schulden sowie durch den Zustrom neuen, vom Bankensystem erzeugten Geldes aufrechterhalten.“ (ibid.)

Zum Vergleich: Nahm die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, gemessen mit dem auf Arbeitsstückkosten basierenden Indikators der EZB, seit der Einführung des Euro bis 2010 um 13,7% zu, so sank Spaniens Wettbewerbsfähigkeit im selben Zeitraum um 11,2%. Niedrigere Preise und Löhne, sowie ein flexiblerer, nicht dergestalt überregulierter Arbeitsmarkt hätten Spanien wieder wettbewerbsfähig machen können.

Dieser notwendige Anpassungsprozess wurde übergangen, stattdessen entsprang neues Geld in Spanien und den anderen peripheren Euroländern des Südens weiterhin schneller als in den nördlichen Euroländern. Die Folge: ,,Die Leistungsbilanzdefizite blieben erhalten, und die südlichen Länder blieben relativ unproduktiv, während sie sich an ein Konsumniveau gewöhnten, das ohne die für sie vorteilhafte Geldproduktion nicht möglich gewesen wäre.’’ (ibid.: 67).

Früher oder später musste dieser künstliche Aufschwung in Spanien sein Ende nehmen. Die Immobilienblase platzte, die verschuldeten Spanier konnten ihre Schulden nicht mehr bedienen, zumal viele von ihnen arbeitslos wurden. Baugesellschaften und private Haushalte stellten ihre Zahlungen ein, was für das Bankensystem große Probleme mit sich brachte. Es brach auseinander: ,,Die Auflösung von Fehlinvestitionen – sinkende Immobilienpreise und faule Kredite – verursachte Probleme im Bankensystem. Zahlungsunfähigkeit und der Verlust von Investitionen bedrohten die Solvenz von Banken.’’ (ibid.: 153). Die Folge: eine Liquiditätskrise – Banken hatten zunehmend Schwierigkeiten ihre Verbindlichkeiten zu refinanzieren.

Regierungen gaben den Banken nun Kapitalspritzen und bürgten für deren Verbindlichkeiten. Einige Banken wurden teilweise oder ganz verstaatlicht. Finanziert wurde all dies nicht durch neue oder höhere Steuern – immerhin sind Steuern in der Bevölkerung unbeliebt, was für die Regierungen nicht unerheblich ist, da sie wiedergewählt werden wollen -, sondern durch öffentliche Verschuldung. Philipp Bagus fasst zusammen: ,,Die vom inflationären Bankensystem ausgelösten Fehlinvestitionen fanden einen endgültigen Kostenträger – die Regierung – in Form explodierender öffentlicher Verschuldung.’’ (ibid.: 154). Aber es war nicht einzig der Bankensektor, der durch öffentliche Verschuldung gestützt wurde. In Spanien etwa wurde der völlig überdehnte Bausektor weiterhin gestützt. Eine Selbstreinigung der Wirtschaft wäre hingegen viel sinnvoller gewesen: ineffiziente Investitionen, wie sie im Bausektor anzutreffen waren, wären eliminiert worden und die Produktionsstruktur hätte sich den Konsumentenpräferenzen entsprechend umorientieren können.<

Ein solcher Selbstreinigungsprozess hätte allerdings zumindest kurzfristig den bisher künstlich hoch gehaltenen Lebensstandard der Bevölkerung gesunken, was der Regierung geschadet hätte. Dementsprechend nahm die spanische Regierung Abstand davon und setzte stattdessen auf weitere Verschuldung, um den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Der im Folgenden beschriebene Prozess machte dies möglich.

III. Race to the printing press

Die EZB schöpfte Geld, welches an die Nationalregierungen ihren Defiziten entsprechend ungleich verteilt wurde: ,,Die Nationalregierung gibt mehr aus, als sie über Steuern einnimmt (so auch die spanische Regierung, Anm.: T.M.F.). Um die Differenz, d. h. das Haushaltsdefizit, zu finanzieren, druckt die Nationalregierung Staatsanleihen. Die Anleihen werden an das Bankensystem verkauft, das wiederum die Anleihen zur EZB bringt und sie als Sicherheiten für Kredite hinterlegt, deren Vergabe Teil des Geldschöpfungsvorgangs ist. Auf diese Weise können Nationalregierungen praktisch Geld drucken. Solange ihre Anleihen von der EZB als Sicherheiten akzeptiert werden, sind sie so gut wie Geld. Infolgedessen steigt die Menge an Euros an. Die ersten Empfänger des neuen Geldes, die Nationalregierungen mit Haushaltsdefiziten, können noch den Vorteil alter, niedriger Preise genießen. Sobald sich das neue Geld auf andere Länder verteilt, werden Preise in der gesamten Europäischen Währungsunion (EWU) nach oben getrieben. Spätere Empfänger des neuen Geldes sehen ihre Kaufpreise steigen, bevor ihre Einkommen zu steigen beginnen.“ (ibid.: 117)

Auf diese Weise finanziert die EZB die Defizite der verschuldeten Länder. Diese betreiben ein ,,race to the printing press’’ (Prollius 2011: 175): Länder, die das neu geschöpfte Geld als erstes empfangen, profitieren, da sie noch zu Preisen kaufen können, die noch nicht durch das neue Geld in die Höhe gestiegen sind. Spätere Empfängerländer verlieren, da die Einkommen ihrer Bevölkerung erst nach dem Anstieg der neuen Preise ansteigen, was einem realen Einkommensverlust gleichkommt. Es findet eine Art inflationärer Umverteilung statt, die dem Cantillon-Effekt ähnelt (vgl. Cantillon 1755/2010). Das ,,race to the printing press’’ schmälert die Kaufkraft des Euro und treibt die Zinssätze nach oben. Darunter leiden vor allem die fiskalisch verantwortungsbewussteren Länder, die sich weniger oder gar nicht am ,,race to the printing press’’ beteiligen. Dies erzeugt zusätzliche innereuropäische Spannungen, wie sie einst von Ralf Dahrendorf prophezeit wurden.

IV. Was kann Spanien tun, um die Krise zu beherrschen?

Die spanische, aber auch die anderen Regierungen krisengeschütteter Euroländer des Südens haben im wesentlichen sechs Möglichkeiten, um das Schuldenproblem zu lösen (vgl. Bagus 2011: 156-161).

1. Senkung der Staatsausgaben: Ein schlanker, aber effizienter Staatsapparat birgt ein großes Einsparpotential, allerdings auch die Gefahr großer gesellschaftlicher Unruhen. Als beispielsweise die griechische Regierung angekündigt hat, den öffentlichen Sektor abzubauen, kam es in der Folge zu großen, landesweiten Ausschreitungen.

2. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit: Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft bringt dem Staat mehr Steuerzahler und entsprechend mehr Steuereinnahmen. Derzeit mangelt es der spanischen Wirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit. Seit dem Beitritt zur Eurozone wurde primär in den Konsum und nicht in die Produktivität investiert. Beträchtliche Arbeitsmarktregulierungen erzeugen eine höhere Arbeitslosigkeit und somit mehr Steuerempfänger als Steuerzahler. Die Wettbewerbsfähigkeit lässt sich aber auch durch den Abbau sozialstaatlicher Leistungen stärken. Wird beispielsweise die Subventionierung der Arbeitslosigkeit gestrichen oder gekürzt, würden die Löhne im produktiven privaten Sektor sinken. Dadurch würde die Wettbewerbsfähigkeit spanischer Unternehmen steigen. Die Gewerkschaften hätten allerdings mit großer Sicherheit etwas dagegen.

3. Schuldenabbau durch Privatisierungen: Durch Privatisierungen könnte Spanien seinen Schuldenberg verringern. Problem: die privaten Eigentümer würden die überhöhte Belegschaft zuvor staatlicher Unternehmen aus Kosten- und Nutzengründen verringern, was wiederum zu Unruhen führen würde. Ein solcher Schritt könnte der Regierung – nicht dem Staatshaushalt – schaden, weshalb sie ihn kaum gehen würde.

4. Höhere Einkünfte durch höhere Steuern: Es scheint, dass höhere Steuern gleichbedeutend mit höheren Einkünften für den Staat sind. Dass dies nicht zwingend der Fall sein muss, erklärt die Laffer-Kurve: ab einem gewissen Steuersatz steigt der Widerstand der Besteuerten, das heißt, dass sie ihren Arbeitseinsatz und damit einhergehend ihre Produktivität mindern. Würde man zum Beispiel den Steuersatz bei 100% ansetzen, würde es schlichtweg für niemanden mehr einen Anreiz geben außerhalb des Schwarzmarktsektors zu arbeiten. Man könnte niemanden mehr besteuern (vgl. Laffer 1981: 1-21). Außerdem wird im Zuge höherer Steuern Wohlstand vom produktiven privaten Sektor in den unproduktiven öffentlichen Sektor umgeleitet, wodurch der Anreiz zur Produktivität, zum Sparen und zum Investieren geschmälert wird. Das Wachstum lässt nach.

5. Wachstum durch Deregulierung: Durch Abbau von Regulierungen und Privilegien wird der Wettbewerb angeregt. Wachstum könnte stattfinden.

6. Hilfe von Außen: Bailouts können eine mildernde Wirkung auf den Staatshaushalt haben, haben allerdings keinen disziplinierenden Charakter: Ein Bailout scheint zum Anrecht verantwortungsloser Regierungen geworden zu sein. Das ist kein wünschenswerter Zustand für die Zukunft.

Die spanische Regierung kann zwar mittels der genannten Maßnahmen das Ausmaß der Krise schmälern, das System, an dem sie teilnimmt, bliebe aber das gleiche. Dabei scheint es das System zu sein, das große Mitschuld an der Krise in Spanien trägt. Gemeint ist das EZB- und Eurosystem.

V. Alternativen zum Euro

Die Konstruktion und der Aufbau des Euro bargen von Anfang an ein hohes Krisenpotential. Konnten Länder wie Spanien vor der Einführung des Euro ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Abwertungen der eigenen Währung stärken, so ist dies mit dem Euro als einheitlicher Währung nicht mehr möglich. Das Eurosystem provozierte vielmehr eine Staatsschuldenkrise: ,,Mitgliedstaaten können ihre Defizite mit der Notenpresse finanzieren; diese Eigenschaft der Europäischen Währungsunion (EWU) führt unweigerlich in eine Staatsschuldenkrise.’’ (Bagus 2011: 24). Die Wettbewerbsfähigkeit der peripheren Länder des europäischen Südens bleibt auf der Strecke. Außerdem spielt der Euro die Interessen der nördlichen Euroländer gegen die südlichen Euroländer aus. Die Folge: eine zunehmende Spaltung Europas. Eine Abkehr von diesem selbstzerstörerischen System erscheint daher als notwendig.

Im Laufe der letzten Jahre wurde vermehrt über Alternativen zum derzeitigen Euro-System gesprochen.

Großer Beliebtheit erfreuen sich Vorstellungen, die eine Rückkehr der Euroländer zu ihren ehemaligen, nationalen Währungen vorsehen. Hier gilt das Argument, dass die einzelnen Länder mit einer stärkeren Autonomie bezüglich ihrer Währungspolitik ausgestattet wären: Würde beispielsweise ein Land seine Wettbewerbsfähigkeit steigern wollen, könnte es seine Währung abwerten, was im derzeitigen Euro-System nicht möglich ist.

Dem ähneln Vorstellungen von einer Aufteilung der Eurozone in einen nördlichen (Nordeuro) und einen südlichen Euroraum (Südeuro), wo davon ausgegangen wird, dass an sich homogenere Staaten auch eine harmonischere Währungspolitik führen würden.

Auch der Austritt einzelner Länder aus dem Euroraum steht zur Debatte. Immerhin sind nicht alle EU-Staaten Mitglieder der Eurozone und fahren dennoch mit ihren eigenen nationalen Währungen ganz gut, seien es die Schweden, Dänen und Tschechen mit ihrer Krone oder die Polen mit ihrem Zloty.

All die genannten Alternativen scheinen im Vergleich zum derzeitigen Euro-System viele Vorteile zu haben. Und dennoch: Bei all diesen Alternativvorschlägen handelt es sich, wie auch beim Euro, um Zwangsgeldsysteme. Zwangsgeld ist ungedecktes Papiergeld, welches durch staatlichen Zwang geschaffen wird und im Umlauf bleibt.

Zu bevorzugen ist ein freies Geldsystem. Zwei Optionen hierfür: der klassische Goldstandard, der eine 100%ige Deckung des Geldes vorsieht, oder ein System konkurrierender Privatwährungen.

1. Der Goldstandard

Das System des Goldstandards würde das genannte ,,race to the printing press’’ unmöglich machen. Gold lässt sich nun mal nicht drucken. Dennoch wäre ein Goldstandard auf die heutige Zeit womöglich nur schwer übertragbar. Ludwig von Mises und Murray Rothbard, beides Vordenker der Österreichischen Schule der Ökonomie, plädierten zwar für eine rigorose Einführung des Goldstandards (vgl. Mises 1953/1981: 451-500, Rothbard 1991), dieses Vorhaben wäre jedoch in der heutigen Zeit mit radikalen Einschnitten verbunden, deren weitere Folgen nicht absehbar wären: Die Einführung des Goldstandards würde implizieren, dass das Teilreserveprivileg der Banken abgeschafft wird und nicht durch reale Ersparnisse gedeckte Kredite gesetzlich verboten gehören. Dies hätte einen Zusammenbruch des gesamten Bankensystems und des Finanzsektors zur Folge. Was das wiederum für kurzfristige Folgen hätte, lässt sich nicht prognostizieren. Die langfristigen Folgen wären hingegen positiv.

2. Ein System konkurrierender Privatwährungen

Die EU als Geldproduktionsmonopolist mit eigener Zentralbank ist nicht in der Lage, wirtschaftliche Kooperationsprozesse von Millionen oder gar Milliarden von Menschen effektiv zu koordinieren. Das käme einer Anmaßung von Wissen gleich (vgl. Hayek 1945). Frank Schäffler, der als Eurorebell der FDP Aufsehen erregte, und Norbert F. Tofall schreiben:
,,Marktwirtschaft ist ein Oberbegriff für die millionenfache dezentrale direkte und indirekte Kooperation von einzelnen Menschen. Diese millionenfache und in Zeiten der Globalisierung milliardenfache dezentrale Kooperation lässt sich nicht von oben gesetzlich befehlen. Diese millionen- und milliardenfache direkte und indirekte Kooperation einzelner Menschen kann sich nur evolutionär entwickeln.“ (Schäffler, Tofall 2010: 146)

Diese evolutionären Entwicklungsprozesse beziehen Schäffler und Tofall auch auf eine marktwirtschaftliche Geldordnung.

Um dieser Entwicklung auf die Sprünge zu helfen, gilt es, neben dem Staatsgeld – auch dem Euro – konkurrierende Privatwährungen zuzulassen, um so einen Währungswettbewerb zu ermöglichen, in dem sich die besten Währungen durchsetzen würden. Schon Friedrich August von Hayek schrieb: ,,Wenn wir wollen, dass freies Unternehmertum und die Marktwirtschaft fortbestehen […], haben wir keine andere Wahl, als das Geldmonopol der Regierung und nationale Währungssysteme durch freien Wettbewerb zwischen privaten Emissionsbanken zu ersetzen.“ (Hayek 1977: 127)

Hierfür müssten sich die Staaten dieser Welt verpflichten, private Währungsanbieter in ihrer Tätigkeit nicht zu benachteiligen, um so einen fairen Währungswettbewerb zu ermöglichen. So könnten die Menschen in dezentralen Entdeckungsverfahren herausfinden, welches Geld für sie das optimalste ist. Da jedoch kaum jemand schlechtes, ungedecktes Geld möchte, würden die Geldproduzenten, sowohl die privaten, als auch die staatlichen, stets dazu neigen, besseres, gedecktes Geld zu produzieren. Schäffler und Tofall wagen folgende Prognose:
,,Die individuelle Nachfrage nach gutem Geld würde bei einem allumfassenden Währungswettbewerb und der Möglichkeit für alle Menschen, die Produzenten von schlechtem Geld durch Abwanderung zu bestrafen, auch dazu führen, dass sich evolutionär eine neue Geldordnung entwickelt, in der die Möglichkeiten zur Geld- und Kreditschöpfung aus dem Nichts aufgrund von Wettbewerb beschränkt sind und dadurch die Wahrscheinlichkeit von gefährlichen Investitionsblasen sinkt.“ (Schäffler, Tofall 2010: 150)

Es liegt schließlich auf der Hand, für regionale Unterschiede regional angepasste Lösungen zu finden, anstatt ein Geldsystem rigoros zu zentralisieren, wie es gegenwärtig der Fall ist (vgl. Prollius 2011: 145). Die regional optimalsten Lösungen ließen sich in der Tat am besten in einem evolutionären Entdeckungsverfahren ermitteln, nicht mit zentralistischer Willkür.

Von einem solchen System würden Länder wie Spanien profitieren. Gefährliche Blasen wie die Immobilienblase würden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auftreten.

Fazit

Ralf Dahrendorf behielt Recht: Der Euro hat Europa nicht geeint. Der Euro hat Europa gespalten. Er ermöglicht eine Umverteilung zugunsten der Länder, deren Regierungen und Bankensysteme das Geld schneller inflationieren als andere. Philipp Bagus spricht treffend von einer ,,Tragödie der Allmende’’: ,,Ein Land profitiert vom Umverteilungsprozess, wenn es schneller als andere Länder inflationiert, d. h. wenn es höhere Defizite hat als andere.’’ (Bagus 2011: 164). Es findet ein ,,race to the printing press’’ statt, der zu ständig steigenden Defiziten der peripheren Euroländer des Südens führt. Die steigenden Defizite müssen früher oder später zwangsläufig zum Kollaps führen.

Sinnvolle Alternativen zum Euro sind der Goldstandard und ein System konkurrierender Privatwährungen, das die Möglichkeiten expansiver Kreditschöpfung aus dem Nichts stark einschränken würde. Staatsschuldenkrisen wie etwa in Spanien wären äußerst unwahrscheinlich.

Literatur

Bagus, Philipp (2011): Die Tragödie des Euro. Ein System zerstört sich selbst. München: FinanzBuch Verlag.
Concheiro, Isabel (2011): Spain Interrupted: On the Form of the Financial Bubble. In: Digital Architectural Papers, Issue 1. URL: http://www.architecturalpapers.ch/pdf.php?ID=4 (Letzter Zugriff: 14.02.2014)
Dahrendorf, Ralf (1995), zit. n. Homburg, Stefan (2010): Aktionismus schädigt Gemeinwohl. In: Wirtschaftsdienst, Jg. 90, Nr. 7, S. 431-443.
Cantillon, Richard (1755/2010): Essay on Economic Theory. Auburn, Alabama: Ludwig von Mises Institute.
Hayek, Friedrich August von (1945): The Use of Knowledge in Society. In: The American Economic Review, Jg. 35, Nr. 4, S. 519-530.
Hayek, Friedrich August von (1977): Entnationalisierung des Geldes. Eine Analyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufmittel. Tübingen: Mohr.
Huerta de Soto, Jesus (2011): Vorwort. In: Bagus, Philipp: Die Tragödie des Euro. Ein System zerstört sich selbst. München: FinanzBuch Verlag, S. 9-14.
Laffer, Arthur B. (1981): Government Exactions and Revenue Deficiencies. In: The Cato Journal, Jg. 1, Nr. 1, S. 1-21.
Mises, Ludwig von (1953/1981): The Theory of Money and Credit. Monetary Reconstruction. Indianapolis: Liberty Fund.
Prollius, Michael von (2011): Die Euro-Misere. Essays zur Staatsschuldenkrise. Jena: TvR Medienverlag.
Rothbard, Murray N. (1991): The Case for a 100 Percent Gold Dollar. Auburn, Alabama: Ludwig von Mises Institute.
Schäffler, Frank; Tofall, Norbert F. (2010): Währungswettbewerb als Evolutionsverfahren. In: Altmiks, Peter (Hrsg.): Im Schatten der Finanzkrise. Muss das staatliche Zentralbankwesen abgeschafft werden? München: Olzog, S. 135-155.
Schwartz, Nelson D. (2009): In Spain, a Soaring Jobless Rate for Young Workers. In: New York Times, 31.12.2009. URL: http://www.nytimes.com/2010/01/01/business/global/01jobless.html?_r=2& (Letzter Zugriff: 14.02.2014)

 

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