Der Bundestag gegen den BND

Der BND-Präsident hat am 8. Oktober vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium verkündet, dass der Bundesnachrichtendienst über Beweise verfügt, wonach prorussische Separatisten für den Abschuss der malaysishen Boeing in der Ostukraine verantwortlich seien und damit seine Behörde und sich selbst disqualifiziert

von Franz Krummbein (berlin-athen)
Der BND-Präsident Gerhard Schindler hat am 8. Oktober vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium verkündet, dass der Bundesnachrichtendienst über Beweise verfügt, wonach prorussische Separatisten für den Abschuss der malaysishen Boeing in der Ostukraine verantwortlich seien. Angeblich belegen Fotos und Satellitenaufnahmen, dass sie ein Buk-System besessen haben. Damit sollen sie eine Rakete gestartet haben.
Darüber berichtete der “Spiegel“ vom 20. Oktober, so als ob es sich um die ultimative Wahrheit handeln würde. Aber wo wird hier ein Beweis erbracht, dass die MH17-Maschine mit einer Flugabwehr-Rakete abgeschossen wurde?
Mit seinem Bericht hat der BND-Präsident seine Behörde und sich selbst disqualifiziert. Was er dem Parlament als Beweise vorgebracht hat, waren allenfalls Hinweise auf den Verlauf der Ereignisse. Beweise über die Urheberschaft des Absturzes können nur durch wissenschaftliche Untersuchungsmethoden an den Opfern und den Trümmerteilen erbracht werden, so z.B. durch forensische Analysen, Materialuntersuchungen an den Durchschlagstellen und ballistische Gutachten zu den Eintritts- und Austrittsöffnungen der Löcher in den getroffenen Teilen des Flugzeugs. Außerdem wäre eine Offenlegung der Aufzeichnungen auf dem Voice-Rekorder und den beiden Flugschreibern unerlässlich.
Auf der Webseite des deutschen Bundestags ist eine Denkschrift (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/025/1802521.pdf) veröffentlicht worden, die Nachweise dafür enthält, dass die malaysische Boeing 17 keinesfalls von einer Buk-Rakete der „prorussischen Separatisten“ abgeschossen wurde, was der Westen früher behauptet hat, sondern von einer Rakete des Flugabwehrsystems mit dem Nato-Codenamen SA-3 GOA.
Beim SA-3 handelt es sich um ein altes sowjetisches Flugabwehrraketensystem, das in Russland längst ausrangiert und durch S-300 ersetzt wurde. Allerdings ist es immer noch im Besitz der Streitkräfte der ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken einschließlich der Ukraine. Eine modernisierte Variante des S-125 Petschora (so lautet die russische Bezeichnung für SA-3) wird sogar ins Ausland ausgeführt. Dieses FlaRak-System besitzt gute Kampfeigenschaften. Während des Krieges in Jugoslawien wurde gerade mit ihm das gepriesene amerikanische Tarnkappenflugzeug F-117 abgeschossen, was die USA auch gestehen mussten.
In welchem Zusammenhang wird aber dieses System in der Bundestag-Denkschrift erwähnt? Aus diesem Anlass wurden keine spektakulären Presseerklärungen im Westen abgegeben.
Grund dafür ist wohl, meint der deutsche Politikwissenschaftler Kret Mayer, dass man auf das Dokument mit Antworten auf die Anfrage der Fraktion Die Linke nicht unnötig aufmerksam machen wollte.“ Im Zusammenhang mit dem MH 17-Absturz hat sich Die Linke bei der Regierung insbesondere erkundigt, welche Angaben zu den Umständen des Abschusses der Boeing im Luftraum über Donbass ihr zur Verfügung stehen? Darauf teilte die Regierung mit, sie besitze Aufzeichnungen der Funksprüche, dürfe sie aber ohne Zustimmung der Niederlande nicht veröffentlichen, die für die Ermittlungen zuständig sind. Dabei erklärte die Bundesregierung, ihr lägen angeblich keine gesicherten Nachweise vor, dass die MH17 von einer Flugabwehrrakete abgeschossen worden wäre. Dabei hat der Westen bekanntlich von Anfang an einmütig behauptet, das Flugzeug wäre von einer BUK-Rakete der „prorussischen Separatisten“ vernichtet worden.
Weiter kommt es noch besser: im Dokument heißt es, am 17. Juli hätten sich im polnischen und rumänischen Luftraum zwei AWACS-Aufklärungsflugzeuge der Nato befunden, die alles mitverfolgten, was in der Ukraine passierte, einschließlich der Funktion der Luftabwehrsysteme mit ihren Radargeräten. Aus dem Dokument resultiert, dass die beiden AWACS-Aufklärer Signale von einem Flugabwehrraketensystem erfasst haben, welches sie als eben dem FlaRak-System SA-3 gehörend klassifizierten, sowie ein weiteres Radarsignal, das nicht zugeordnet werden konnte.
Was ein SA-3 ist, wird nicht präzisiert, und zwar kaum durch Zufall. Experten wissen ja, dass ein SA-3 keinesfalls mit dem Fla-Raketensystem Buk identisch ist, auf dessen Einsatz alle Beschuldigungen gegen Russland basieren. Übrigens haben die Systeme Buk und SA-3 auch äußerlich nichts gemeinsam. Das Buk-Flugabwehrsystem hat eine panzerähnliche Selbstfahrlafette. Das System SA-3 ist an einer unbeweglichen Lafette befestigt (später kam ein Folgetyp mit Lastwagen dazu) und gewöhnlich mit vier Raketen bestückt.
Diesen wesentlichen Unterschied suchen die westlichen Medien zu vertuschen. Beispielsweise berichtete der deutsche Fernsehsender n-tv, bei automatischer Zuordnung des Signals von einem SA-3 könne es angeblich mit dem eines Buk verwechselt werden. Allerdings nur in dem einzigen Fall, wenn beim Buk die Radaransteuerung ausgeschaltet ist. In die Laiensprache übersetzt bedeutet es: wenn es aufs Geratewohl durcheinander feuert. Dennoch würde jeder Offizier bestätigen, dass ohne Radar ein 10.000 m hohes Ziel vom Boden aus keinesfalls getroffen werden kann.
Aus alledem schlussfolgert der deutsche Politikwissenschaftler Kret Mayer, dass die deutsche Regierung mit seiner Erklärung die Beschuldigungen gegen die Milizen faktisch widerlegt, die vermeintlich mit einer Buk-Rakete die МН 17 abgeschossen hätten. Zu dieser Schlussfolgerung kommt auch der Abgeordnete von Die Linke Alexander Neu: „Es findet somit eine Schuldzuweisung auf der Grundlage wilder Spekulationen, von Wunschdenken und vor allem aufgrund politischer Interessen gegenüber Russland statt, die jeglichen rechtsstaatlichen Ansprüchen auf hinreichende Beweislagen widersprechen. Und mit diesen bislang nicht bewiesenen Beschuldigungen wird die Sanktionsspirale gegen Russland hochgedreht.“
Die Frage ist aber, ob man in Washington die Informationen bemerken will, die auf der Webseite des Bundestags veröffentlicht wurden, oder sie lieber ignoriert, wie es bei den absolut überzeugenden Daten des russischen Generalstabs der Fall war, die von russischen Militärs bereits am dritten Tag nach der Tragödie vorgelegt wurden.
Tatsächlich zeugt das alles davon, dass die Untersuchung des Absturzes der Boeing über der Ukraine nicht normal durchgeführt wurde. Der Vorbericht der Experten stützte sich auf Bilder. Selbst jetzt, wo in der Ukraine eine Waffenruhe hergestellt wurde, beeilen sich die internationalen Experten nicht, an die Absturzstelle zu gelangen. Malaysias Vertreter schlossen nicht aus, dass man die Untersuchung möglicherweise auf das Frühjahr des kommenden Jahres wird verschieben müssen. Was die Experten nach dem schneereichen Winter dort noch vorfinden können, ist unverständlich.
Übrigens steht nicht fest, dass die Experten, wenn sie dennoch zu den Flugzeugtrümmern kommen sollten, darauf aus sind, die Wahrheit herauszufinden.
Zweifellos kann man im Absturzraum der Trümmer der Boeing, nachdem ihn die ukrainische Armee anderthalb Monate lang aus Artilleriegeschützen und Grad- und Uragan-Mehrfachraketenwerfern umgepflügt hat, alles Mögliche finden. Doch eine Antwort auf die Anfrage des russischen Verteidigungsministeriums, welche ukrainischen Raketensysteme an jenem Tag in Betrieb waren und warum die Aufzeichnung der Gespräche der ukrainischen Fluglotsen mit der Boeing-Crew immer noch nicht zugänglich gemacht wurden, gibt es bis heute nicht. Außer Russland scheint niemand auf die Antworten auf diese Fragen zu warten.
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