DER BULLE STIRBT

von Egon von Greyerz (goldswitzerland)
Original in Englisch vom Freitag, 26 Oktober, 2018

Bullen sind nicht leicht totzukriegen, sie sind stark, kämpferisch und haben wirklich Durchhaltevermögen. Und nichts anderes sollte man am Höhepunkt eines säkularen Bullenmarkts auch erwarten. Ob verletzt oder geschwächt, der Bulle wird weiterleben, so wie es bei zahlreichen Aktienmärkten gerade der Fall ist. Während einige Aktienmärkte ihre Höchststände schon erreicht haben, zeigen andere Stärke. Vor einer Woche wurden die Märkte nun durch starke Kursrückgänge erschüttert. War das das Signal für das Ende eines mehrjährigen Bullenmarktes, oder war es nur eine weitere kurze Korrektur, bevor der Bullenmarkt zu viel höheren Ständen aufbricht? Nach einem weiteren Rückgang diese Woche ist der Dow im Oktober schon um 2.000 Punkte gefallen, was sicherlich bestätigt, dass der Bulle schwer verletzt ist. Vielleicht sogar tödlich?

GELD DRUCKEN, UM STIMMEN ZU KAUFEN

Zunächst müssen wir klarstellen, dass die Weltwirtschaft und die globalen Aktienmärkte in der Endphase der größten Blase der Geschichte stecken. Diese Blase wird durch ungekannte Stimuli seitens der Zentralbanken und Regierungen aufrechterhalten, um eine Implosion des Finanzsystems zu verhindern. Wie vielen bekannt sein wird, ist Kreditexpansion die effektivste und kostengünstigste Methode, um Wählerstimmen zu kaufen – und auch der einzige Weg, um die Wirtschaft künstlich am Laufen zu halten, wenn Staaten das Geld ausgeht.

MANIPULIERTER MARKT AUF GRUNDLAGE VON ALGORITHMEN

Auf diesem Weg können sich Blasen viel stärker ausdehnen, als es möglich scheint. Viele Aktienmärkte haben ihres Hoch erreicht, so auch der chinesische, der inzwischen mit 27 % im Minus steht. Andere Aktienmärkte, wie die US-Indizes, machen schließlich den Eindruck, als stünden sie am Ende des Weges. Solide Investmentmärkte funktionieren effizient auf Grundlage von Kapitalknappheit. Wenn Kapital jedoch endlos ist und nach Belieben durch eine Druckmaschine oder elektronische Einträge am Computer geschaffen werden kann, funktionieren die Märkte nicht mehr gesund und effizient. An diesem Punkt sind wir heute. Märkte oder Ökonomien haben heute nichts Stabiles oder Gesundes mehr an sich. Manipulation durch Staaten und Zentralbanken in Kombination mit algorithmischen Handel ist im Grunde das Gegenteil von gesunden Märkten. Dennoch ist dieses kranke System heute marktdominierend. Ein gewöhnlicher Investor kann unmöglich mit „Algo-Systemen“ konkurrieren, die mit unbegrenzten Kapitalbeträgen ausgestattet sind.

Schauen wir uns die Definition von „Algo“ an. Auf Griechisch bedeutet es Schmerz, und das ist sicherlich das, was sie normalen Anlegern bereiten, die im Wettbewerb mit diesen manipulativen Systemen keine Chance haben. Wenn wir uns die Definition von Algos durch das CFI (Corporate Finance Institute) ansehen, bekommen wir die Bestätigung, dass normale Investoren völlig benachteiligt sind:

“Algorithmen werden eingeführt, um den Handel zu automatisieren und um Gewinne in einer Häufigkeit zu erzielen, die für einen menschlichen Händler unmöglich ist. […]“. Weitere Varianten des algorithmischen Handels sind der automatisierte Handel und das Black-Box-Trading. […] Algorithmischer Handel schließt den menschlichen (emotionalen) Einfluss auf die Handelsaktivitäten aus.”

Algos bedeuten also, dass es Systeme gibt, die den menschlichen Händler immer schlagen werden, und das wird Schmerzen verursachen. Was für ein schmerzhafter Nachteil für uns Normalsterbliche. Da die Gewinnchancen für alle Händler ohne Zugang zu massiver Computer-Power und großen Kapitalquellen verschwindend gering sind, ist es nur zu verständlich, dass viele Investmentbanken nie einen Verlustmonat zu verbuchen haben und häufig nicht mal einen einzigen Verlusttag.

KÖNNTE ES VORHER NOCH EINE MARKTSCHWEMME GEBEN?

Wie ich schon im meinen vorhergehenden Artikeln zum Ausdruck gebracht habe, ist mein bevorzugtes Szenario folgendes: Die Aktienmärkte haben ihr Höchststände bereits markiert und es beginnt eine große säkulare Baisse. Es gibt jedoch auch, wie immer, ein alternatives Szenario, welches ich ebenfalls schon erwähnt hatte: Bullen sind nicht so leicht totzukriegen, so wie es beim Nasdaq im Februar 1999 zu beobachten war. Der Index war seit 1990 um das Siebenfache gestiegen und schien massiv überzogen. Zu jener Zeit avancierte jeder Amateur-Anleger, ob nun Hausfrau oder Tankstellenwart, zum Experten für Technologieaktien. Selbst im Januar 1999 – nachdem der Markt 9 Jahre massiv gestiegen war – gab der Bulle nicht so leicht auf. In den folgenden 13 Monaten legte der Nasdaq noch einmal um mehr als das Doppelte zu, bevor der Index um 79 % abstürzte.

Dieses Szenario einer Marktschwemme, vorgestellt von Steve Sjuggerud von Stansberry Research, ist also auf jeden Fall im Rahmen des Möglichen. Sjuggerud, der auf eine großartige Erfolgsbilanz verweisen kann, ist überzeugt, dass wir in den nächsten 6-12 Monaten einen massiven Aufwärtstrend an den Märkten erleben werden, der nach seinem Ende zu einem noch größeren Crash führen wird.

DER RISIKOAVERSE STEIGT AUS DEM AKTIENMARKT AUS UND HÄLT GOLD

Üblicherweise führt das zu jenen Einseits-Andererseits-Abwägungen, wie sie Tewje in „Der Fiedler auf dem Dach“ anstellt. Klar ist zumindest, dass beide Szenarien in einer Katastrophe enden werden. Es stellt sich nur die Frage, ob der unvermeidliche Einbruch in 6-12 Monaten kommen wird oder viel früher eintritt.

Risikoaverse und Vermögensschützer steigen jetzt aus, halten Gold & Silber und machen sich keine Sorgen, wenn der Markt weiter steigt. Sie wissen, dass sie vor der kommenden Katastrophe geschützt sind, wenn sie eintritt. Der Daueroptimist (Perma-Bulle) wird auch dann investiert bleiben, wenn der Markt um 50% gefallen ist, er wird allerdings nervös und ist aufgewühlt, wenn der Markt um 75 % gesunken ist. Die meisten langfristigen Investoren werden auch dann noch investiert bleiben, wenn der Markt um <90% sinkt, was meiner Meinung nach sehr wahrscheinlich ist.

BANKEN WERDEN OHNE BAIL-INS NICHT ÜBERLEBEN

Ich persönlich ziehe es vor, nicht an den allgemeinen Aktienmärkten aktiv zu sein, außer vielleicht mit einer kleinen Position bei Edelmetallaktien. Die wirklich Vorsichtigen sollten sich nicht dem anfälligen Finanzsystem aussetzen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Banken in ihrer jetzigen Form überleben werden. Sie könnten durch massive Bail-Ins gerettet werden, d.h. durch die Beschlagnahmung von Kundenvermögen. Zudem wird all das Geld, das Sie im Bankensystem haben, aufgrund von Geldschöpfung und Währungsentwertung wertlos werden.

Wenn Sie physische Edelmetalle besitzen, werden Sie viel besser schlafen können und Ihr Vermögen schützen, als wenn Sie die letzte potentielle Aufwärtswelle an den Aktienmärkten mitnehmen. Auch wenn sich die Aktienmärkte tatsächlich nach oben bewegen sollten, so hat Gold seine seit 2011 laufende Korrektur allem Anschein nach endlich beendet und befindet sich auf dem Weg zu neuen Höchstständen und weit darüber hinaus.

GOLD IN YUAN – RICHTUNGSWEISEND

Gerade erst hat Gold eine interessante und auch signifikante Bestätigung für das Wiedereinsetzen seines Bullenmarktes erhalten. Seit 2 Jahren bewegte sich Gold in chinesischen Yuan in einer Dreiecksformation. Einige glauben, dass die Chinesen den Goldpreis bewusst gedrückt haben. Ob das der Fall ist oder die Verengung nur zufällig entstand, wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass Gold in Yuan in den letzten 12 Tagen aus diesem 2-jährigen Dreieck ausgebrochen ist. Dies ist ein sehr wichtiges technisches Signal und wahrscheinlich auch die Bestätigung dafür, dass der 19-jährige Aufwärtstrend bei Gold in allen Währungen inzwischen wieder eingesetzt hat.

GOLD – DAS AM BESTEN LAUFENDE ASSET DIESES JAHRHUNDERTS

Es gibt ein weiteres starkes technisches Signal: Das Dow/Gold-Verhältnis ist in den letzten zwei Wochen um 8% gesunken. Sollte sich dieser Durchbruch in den nächsten Wochen bestätigen, so müssten wir erleben, dass das Verhältnis zunächst auf das Niveau von 6 Punkten zurückkehrt, wo es 2011 stand, und anschließend unter das Niveau von 1:1 sinkt, wo es im Jahr 1980 stand. Das würde bedeuten, dass man eine Dow-Einheit für eine Unze Gold bekommt. Heute benötigt man dafür 20 Unzen.

Wie die Grafik deutlich zeigt, weist der Dow seit 1999 eine deutlich schlechtere Performance auf als Gold. Trotz einer großen Aufwärtsbewegung bei Aktien seit 2009 schneidet der Dow in diesem Jahrhundert immer noch 53% schlechter ab als Gold.

Ob wir nun neue Höchststände an der Börse sehen werden oder nicht, Gold und Silber werden sich wahrscheinlich von nun an besser entwickeln als Aktien. In den kommenden Jahren der Vermögensvernichtung wird es keine bessere Versicherung geben gegen die massiven systemischen globalen Risiken, denen wir ausgesetzt sind.

Ich bin nicht für einen neuen Goldstandard, würde aber „FreeGold“ bevorzugen. Ansonsten stimme ich mit dem überein, was Alan Greenspan 1966 sagte, lange bevor er Vorsitzender der Fed wurde:

Abonnieren“Ohne Goldstandard gibt es keine Möglichkeit, Ersparnisse vor der Enteignung durch Inflation zu schützen. Es gibt dann kein sicheres Wertaufbewahrungsmittel [] Defizitfinanzierung ist schlichtweg eine Maßnahme zur Enteignung von Vermögen. Gold steht diesem heimtückischen Prozess im Weg. Es hält stand als Beschützer der Eigentumsrechte. Wer das begreift, wird keine Schwierigkeiten haben, die Kluft zwischen Etatismus und Goldstandard zu verstehen. Eine freie Gesellschaft braucht die Herrschaft des Goldes.“

Egon von Greyerz
Gründer und Managing Partner
Matterhorn Asset Management
Zürich, Schweiz

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DER BULLE STIRBT
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1 Kommentar

  1. Erstens haben wir keine "freie Gesellschaft", und zweitens,

    wenn jeder anfinge, sein Vermögen in Gold anzulegen, woher soll es denn kommen?

    Das reicht doch hinten und vorne nicht, rein physisch betrachtet!

    Und der (gewollte?) Nebeneffekt wäre der, daß es gar nicht mehr bezahlbar wäre!

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