Der angebliche frühere Isolationismus der USA

Quelle: (Fortunanetz)

Die USA gelten als Macht des Friedens. So lehrt man es uns in der Schule. So lehrt man es uns in den Nachrichten. Die USA greifen nur ganz selten andere Länder an, tun dies aber auch nur dann, wenn sie als Ordnungsmacht auftreten um Schlimmeres zu verhindern. Und dass sie es jetzt verstärkt tun, liegt eben daran, dass derzeit sehr viel # Schlimmes geschieht.

Dies alles wird begründet mit der Hypothese, die USA hätten die längste Zeit ihrer Existenz eine isolationistische Politik betrieben. Diese haben sie erst aufgegeben, als sie die „bösen Krauts“ dazu gezwungen haben. Nähere Betrachtungen lassen aber ein anderes Bild erkennen!

Die USA waren ursprünglich britische Kolonien die sich gegen ihre Kolonialherren erhoben, weil Amerikaner nicht mehr eingesehen haben, weshalb sie nur ein Objekt der Ausbeutung sein sollten. Ihre Unabhängigkeit wurde ihnen nicht geschenkt, sondern sie haben sich diese in einem langen und blutigen Unabhängigkeitskrieg erkämpft.

Die von Großbritannien gewonnene Unabhängigkeit versetzte die junge USA in die Lage, auf dem Nordamerikanischen Kontinent eine eigene Politik zu verwirklichen, die die ersten 50 bis 60 Jahre darin bestand, neue Bundesstaaten in die Union aufzunehmen. Dies geschah abwechselnd, indem man z. B. den Franzosen das Mississippi-Gebiet abkaufte, oder Mexiko große Teile des Territoriums mit militärischen Mitteln weg nahm. Während dieser Zeit verdoppelte sich das US-amerikanische Staatsgebiet alle paar Jahre, bis der Staat ein Gebiet quer durch den ganzen nordamerikanischen Kontinent vom Atlantik bis zum Pazifik umfasste.

Darüber hinaus gab es in den jungen Jahren der USA einen missglückten Versuch, Kanada zu erobern, sowie vielfältige Pläne Mexiko zu erobern, die Karibik zu erobern oder in Lateinamerika zu intervenieren, alles Pläne die nicht ausgeführt wurden, weil ein derart schnelles Wachstum nicht praktikabel war.

Dessen ungeachtet formulierten die USA die sogenannte Monroe-Doktrin im Jahre 1823. Diese Doktrin besagte, dass sich die USA (damals noch ein relativ kleiner Staat) nicht in die europäischen (und damit damals internationalen) Angelegenheiten einmischen wollen und neutral blieben. Die Monroe-Doktrin sagt auch, dass die USA gegen eine erneute Kolonialisierung Mittel- und Südamerikas seien. Der Fall dass eine europäische Macht dies dennoch versuchen würde, hätte militärische Aktionen der USA zur Folge. Damit stellte sich die USA auf dem amerikanischen Kontinent an die Spitze einer anti-kolonialistischen Bewegung. Das war eine Haltung, die bei der Geschichte des Landes verständlich war. Zugleich versuchten sich die USA als Schutzmacht der anderen amerikanischen Staaten zu profilieren.

Aber die Tatsache, dass sich die USA nicht in die europäischen Angelegenheiten einmischen wollten machte sie nun angeblich zu einer isolationistischen Macht.

Stellen sie sich vor, sie wohnen z. B. in Hintertupfingen. Dort gibt es keine Bahn und keinen Zug. Ein Auto haben sie auch nicht und auch kein Geld, eines zu kaufen. Nun stellen sie sich vor ihr Haus und verkünden: Hiermit gebe ich bekannt, dass ich mich nicht in die Belange der Stadt Shanghai einmischen werde, solange sich Shanghai nicht bei mir einmischt. Nun sind sie Isolationist geworden! Und genau so machten es die USA damals. Und das brachte ihnen das Prädikat ein, eine „Friedensmacht“ zu sein.

Ungeachtet der sogenannten isolationistischen Politik waren die USA aber in Nordamerika ihren Nachbarn gegenüber eher kriegerisch eingestellt. Doch immerhin reichte dieser Schachzug der USA, ihr ein positives Image als anti-kolonialistische und demokratische Macht zu verschaffen ohne dass es das Land irgend etwas gekostet hätte.

Mit dem friedlichen Kauf Alaskas vom Kaiserreich Russland im Jahr 1867 war nicht nur das Image einer isolationistischen Macht bestätigt, sondern auch das positive republikanische, fortschrittliche und freiheitliche Image des Landes.

Viele US-Amerikaner lebten damals in der Vorstellung, ihr Land hätte nun ein genügend großes Territorium und sie könnten auf diesem riesigen Gebiet in Freiheit und Frieden daran gehen, die Wirtschaft zu entwickeln und die Früchte ihrer Arbeit dauerhaft zu genießen.

Doch diese Leute haben nicht mit dem Wirken von Alfred Thayer Mahan und seinen Bundesgenossen g erechnet! Mahan war ein Marineoffizier und an mehreren kleineren Kriegshandlungen der relativ kleinen und jungen US-amerikanischen Marine beteiligt. Mahan schrieb nebenher auch noch für verschiedene Zeitschriften, um für die US-Marine Werbung zu machen. Aus dieser journalistischen Tätigkeit Mahans entstanden mehrere Bücher, unter anderem eines der einflussreichsten Werke über Kriegsmarine in der Geschichte der USA überhaupt: „Der Einfluss der Seemacht auf die Geschichte“. Das Buch erschien 1890 erstmalig.

In diesem Werk analysierte Mahan die Schlüsselstellung der Seemacht für einen Staat. Besonders deutlich arbeitete er dabei heraus, dass die Seemacht überhaupt DAS entscheidende Merkmal für die Stellung eines Landes in der Welt ist.

Diese Erkenntnis traf und trifft insbesondere auf USA zu. Dies ist darauf zurück zu führen, dass die USA im Weltkonzert nur dann eine einflussreichere Rolle spielen können, wenn es diesem Staat gelingt, mit Hilfe von Schiffen ihre eher abseits liegende Position zu überwinden. Die USA sind ein Land, das eingegrenzt von Atlantik und Pazifik eine territoriale Erweiterung nur in Kanada und Mexiko haben kann. Das würde zwar das Land größer machen, aber eben nicht verhindern, dass eine eurasische Zentralmacht ein derartiges wirtschaftliches, politisches und militärisches Übergewicht bekommen könnte, dass dies die USA in eine dauerhaft unbedeutende Rolle stürzte.

Im Grunde genommen bestätigen die Analysen von Mahan die Heartland-Theorie des Briten Halford Mackinder aus amerikanischer Sicht. Die USA würden eine Marine brauchen, um politisches Gewicht in der Welt zu bekommen.

Mahan stieg mit seinem schriftstellerischen Werk in den USA zu höchsten Ehren auf. Diese umfassten nicht nur militärische Ehrungen und Preise, sondern auch die Präsidentschaft der „American Historical Society“. Darüber hinaus avancierte Mahan zum Berater der amerikanischen Regierung. Vor allem Theodore Roosevelt gehörte zu den führenden Politikern, die Mahans Ideen zur offiziellen Politik der USA machten. Konkret wirkte sich das darin aus, dass die USA mit Hilfe der neuen, von Mahan wesentlich mit konzipierten Kriegsmarine im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 Mahans Konzept auch in die Tat umsetzten.

In diesem Krieg eroberten die USA Kolonien des Königreichs Spanien. Hierzu gehörten Kuba, Puerto Rico, Guam und die Philippinen. Diese Territorien waren ganz ausdrücklich keine Bundesstaaten der USA, sondern deren Kolonien!

Zudem annektierten die USA im Juni 1898 Hawaii. Dafür war ebenfalls die Kriegsflotte der USA der entscheidende Faktor. Hawaii wurde erst 1959 der 50te Bundesstaat der USA.

Alle diese Aktivitäten ab 1890 wären nicht möglich gewesen ohne den Aufbau einer gewaltigen Kriegsmarine. In der Tat hat Mahan Recht wenn er klar macht, dass große Transporte von Truppen und Material auf andere Kontinente nur über eine gut ausgebaute Kriegsmarine möglich sind. Die amerikanische Kriegsmarine war und ist entscheidend bei der Aufgabe der US-Armee, einen Krieg dauerhaft oder wenigstens für einen längeren Zeitraum auf einem anderen Kontinent führen zu können. Diese Fähigkeit zeichnet die US-Armee vor jeder anderen derzeit existierenden Armee der Welt auch aus.

Diese Fähigkeit ist heute noch zentral, denn fast 91 Prozent aller Waren und Rohstoffe werden auch heute noch über Wasser transportiert. Dies gilt natürlich auch für militärische Güter. Eine Seemacht wie sie die USA darstellen, die auf allen Weltmeeren präsent ist, kann jederzeit den transkontinentalen Verkehr zwischen Staaten empfindlich stören oder gar verhindern – mit katastrophalen Folgen für die Betroffenen.

Der spanisch-amerikanische Krieg war ein Probelauf für die Richtigkeit dieser Hypothese. Und dieser Probelauf war schon 1898 erfolgreich, lange vor dem Ersten Weltkrieg in Europa.

Nicht einmal 20 Jahre später sollte im Ersten Weltkrieg erprobt werden können, ob dieses Modell einer starken Kriegsflotte als wichtigstes Kernstück der amerikanischen Militärstrategie auch in anderen Fällen anwendbar sein würde. Das dort geübte Vorgehen wurde zur Blaupause für alle weiteren militärischen Aktivitäten außerhalb des nordamerikanischen Kontinents: Die Eroberung der Philippinen wurde damit begründet, dass man den Rebellen gegen die spanische Herrschaft „helfen“ müsse. Natürlich „halfen“ dann die USA im Ersten Weltkrieg den Briten und den Franzosen, die „bösen Krauts“ zu besiegen. Und bei jeder weiteren Wiederholung des Modells, das schon beim spanisch-amerikanischen Krieg so gut funktionierte, zeigte sich wie effektiv diese Strategie war und ist!

Im Zweiten Weltkrieg „halfen“ die USA wieder! Doch diesmal war nicht nur die Logistik ausgereifter. Es gab auch erstmals die Möglichkeit, militärisch auf dem europäischen Kontinent Fuß zu fassen und zwar in Deutschland. Der Kalte Krieg trieb zudem Westeuropa in die Arme der USA und machte alle diese Staaten zu einer Vasallengruppe. Das alles wäre niemals möglich gewesen ohne die vorherige Arbeit von Alfred Thayer Mahan. Und man erkennt in dem Ablauf der Ereignisse ab 1890 die ungeheuer große Kontinuität der amerikanischen Politik bis heute.

Bei Licht betrachtet waren die USA ab dem Zeitpunkt, an dem eine weitere Expansion auf dem Nordamerikanischen Kontinent nicht mehr möglich war, keine „isolationistische“ Nation mehr, sondern schon lange vor dem Ersten Weltkrieg eine imperialistische und aggressive Macht. Und bei Licht betrachtet stellt sich heraus, dass das Grundmuster der Politik seit den Zeiten von Alfred Thayer Mahan nur leichte Variationen erfahren hat.

Der Koreakrieg wurde durch amerikanische Logistik zu Wasser und durch amerikanische Flugzeugträger ermöglicht. Das Bombardement in Libyen wurde ebenfalls durch Flugzeugträger ausgeführt. Der Vietnamkrieg war überhaupt erst möglich geworden durch die amerikanische Marine. Briten und Franzosen fehlte schon damals die Logistik dafür und genau deshalb traten die USA als kriegsführende Partei auf. Und ausgerechnet die Lüge vom Tonkin-Zwischenfall war die Begründung der USA, den Vietnamkrieg zu führen. Dabei ging es um die angebliche Versenkung amerikanischer Schiffe durch Vietnam.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch daran wie der erste Irakkrieg der USA gegen Saddam Hussein begann? Richtig! Überall liefen Flugzeugträger in größerer Zahl in den Persischen Golf ein… Auch die Drohung der USA in Syrien zu intervenieren wurde untermauert durch die Präsenz von Flugzeugträgern im Mittelmeer. Das US-amerikanische Engagement in Afghanistan wäre ebenfalls ohne die Kriegsmarine undenkbar gewesen. Und selbst heute würde dem Kampf gegen den „Islamischen Staat“ die logistische Infrastruktur fehlen ohne die Kriegsmarine der USA.

Es sollte eigentlich jedem klar sein: Die USA wären ohne das Konzept von Mahans Kriegsmarine, das lange vor dem Ersten Weltkrieg entstanden ist, heute auf den Nordamerikanischen Kontinent verwiesen und müssten dem Treiben anderer Mächte in Europa und Asien hilflos zusehen.

Und es sollte damit auch klar sein, dass die USA in ihrer Geschichte niemals wirklich eine „isolationistische“ Macht waren, sondern von Anfang an sehr methodisch, gezielt und mit viel Planung ein imperialistisches Konzept mit dem Ziel der Kontrolle der Welt verfolgen,

meint

Michael Obergfell

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