Denn sie wissen nicht, was sie tun?

Oder wie lässt sich der in den öffentlich-rechtlichen Sendern grassierende Haltungsjournalismus sonst erklären?


Der unverhüllten Propaganda bei ARD und Co. widmete ich unlängst einen weiteren kritischen Beitrag, eingeschlossen ein offener Brief an die Redaktion des WDR-Formats Monitor. Die Antwort eines der dortigen Verantwortlichen lässt mich fragend zurück. Sind diese Leute inzwischen so verstrickt, in ihrer emotional eingeschränkten Wahrnehmung so gefangen, dass ihnen ihre Parteilichkeit, ihr permanentes in Empörung eingebettetes Vorverurteilen gar nicht mehr bewusst wird?


von Peter Frey (peds-ansichten)

Vielleicht sind selbige ja auch in einem grenzenlosen Opportunismus gefangen, eifrig bemüht, es ihren Vorgesetzten recht zu tun. Die Karriere steht auf dem Spiel, da muss man schon hin und wieder sein nagendes Gewissen auf dem Altar der Meinungsherrschaft opfern. Zumal Querdenken, ein im Grunde unverzichtbares Qualitätsmerkmal für profunden Journalismus, spätestens seit „Corona“ ganz und gar nicht mehr opportun ist.

Immerhin: Wieder einmal bekam ich Antwort aus dem Hause der Kritisierten. Das ist schön. Aber wieder einmal war diese Antwort eine Offenbarung. Die Antwort des WDR-Angestellten Nikolaus Steiner sei hiermit zur Kenntnis gebracht und meine Rückantwort gleich mit. Der Leser kann den Brief aus einem Hause der öffentlich-rechtlichen Anstalt, auf den ich mich beziehe, auch in Gänze hier lesen:

Im Folgenden filetiere ich das WDR-Schreiben, um so am besten den Kontext meiner Argumentation sichtbar zu machen.


An: Redaktion Monitor <Redaktion.Monitor@WDR.DE>

Dresden, 6. Mai 2022

Guten Tag, Herr Steiner,

zuerst mein Dank, dass Sie sich für das Team des Sendeformats Monitor bemüht haben, auf meine Kritik im an Sie gerichteten offenen Brief einzugehen. Ihre Bemühungen erzählen viel über Ihr Selbstverständnis und wohl auch das Ihrer Kollegen. Man erahnt, was Sie glauben, unter Journalismus zu verstehen. Außerdem frage ich mich, ob Sie mich für dumm verkaufen wollen oder möglicherweise vielleicht gar nicht das Grundanliegen meiner Kritik verstanden haben. Im Folgenden gehe ich auf Ihr Schreiben abschnittsweise ein. Ihre Worte sind kursiv und dunkelgrün, meine Antworten jeweils dunkelrot eingefärbt gekennzeichnet. Von mir vorgenommene Hervorhebungen in Ihrem Text wurden nachträglich durch mich vorgenommen. Es handelt sich, wie gehabt, um einen offenen Brief.


„Sehr geehrter Herr Frey,

danke Ihnen für die Zuschrift zu dem Beitrag der letzten Sendung. 

Sie werfen uns darin tendenziöse Berichterstattung vor, insbesondere in Bezug auf das Massaker in Butscha, und zitieren dazu folgenden Satz [eben des WDR]:

„In den Kanälen wird vor allem die Propaganda des Kreml verbreitet: Russland kämpfe in der Ukraine gegen Nazis, die mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Butscha und Kramatorsk [sic!] wären nicht von russischen Soldaten begangenen worden.” 

Journalismus bedeutet Sorgfalt, auch in der Sprachwahl. Davon sind Sie weit entfernt. Und gleich in Ihren ersten Auslassungen erzeugen Sie Stimmungen. In dem Sie Ihre eigenen Stimmungen in eine objektiv zu haltende Berichterstattung einfließen lassen. Sie werten und bewerten. Sie manipulieren.

Wenn Sie schon von „Propaganda des Kreml“ schwadronieren, dann machen Sie doch bitte wenigstens deutlich, dass Sie dem ihre ganz eigene Propaganda, nämlich die stimmungsvolle „Propaganda des Wertewestens“ entgegensetzen. Die damit verbundene ideologische Stoßrichtung haben Sie sich zu eigen gemacht. Das Selbstverständnis der Journalisten und Redakteure in Ihrem Hause schwimmt regelrecht in dieser Propaganda und nur deshalb können Sie überhaupt Sätze wie obige formulieren.

Warum jammern Sie, dass man Ihnen tendenziöse Berichterstattung vorwirft, wenn Sie doch in ein und demselben Satz den Beweis für genau dies frei Haus liefern? „Das Massaker in Butscha“ bedeutet, dass Sie von DEM Massaker sprechen. Das zum Beispiel ist tendenziös.

Was meinen Sie mit DEM Massaker? Unzweifelhaft erwiesen ist, dass es in der Stadt Butscha eine Menge gewaltsam zu Tode gekommener Menschen gibt. Zu Tode gekommen irgendwann im März oder Anfang April des Jahres. Wer die Täter und welche Ereignisse es waren, denen die Menschen zum Opfer fielen, ist bis heute keinesfalls gesicherte Erkenntnis. Weder Sie noch ich verfügen hier über ausreichendes Wissen. Wir reden von WISSEN, Herr Steiner, nicht von Mutmaßungen.

Ihre wirklich unverschämte, erneut tendenziöse Manipulation reduziert sich auf zwei Worte, fast beiläufig eingefügt: „und Kramatorsk“.

Wissen Sie, es ist eine Schande, was Sie als vermeintliche Journalisten abliefern. Denn für die Behauptung, dass es russische Truppen gewesen wären, die Kramatorsk mit Totschka-Raketen beschossen hätten, gibt es noch weniger und noch zweifelhaftere Indizien als im Falle Butschas.

Wenn Sie hier schon mit „mutmaßlich“ hausieren gehen, dann sollten Sie doch bitte auch reichlich jene „Beweise“ thematisieren, die nahe legen, dass ukrainische Truppen für DAS Massaker von Kramatorsk verantwortlich sind.

Es handelt sich dabei nämlich um ein, man beachte mutmaßliches Kriegsverbrechen der ukrainischen Armee. Eines das ihre ganze Empörung wecken könnte. Was es nicht sollte. Denn Sie sollen als Journalist arbeiten und in diesem Falle gilt es, die eigenen emotionalen Befindlichkeiten soweit wie möglich zurückzustellen. Das gilt auch für das mutmaßliche Massaker der ukrainischen Armee in Kramatorsk. Übrigens gibt es unter anderem auch wirklich gewichtige Indizien für ein Massaker der ukrainischen Armee in Donezk. Das scheint Sie aber nicht groß zu interessieren. Geschweige denn, dass es Sie empören würde.

Ihre von Haltung getriebenen Verdrehungskünste sind beeindruckend. Sie stellen es als „Propaganda des Kreml“ dar, wenn Kritiker mit Fug und Recht anbringen, dass die reale Möglichkeit in Erwägung gezogen werden muss, dass russische Soldaten eben kein Massaker (welches auch immer) in Butscha begangen haben. Dabei rechtfertigen Sie sich auch noch mit genau dem Argument, dass diese reale Möglichkeit ja zulässt: „mutmaßliche Kriegsverbrechen“.

Sie halten den Internationalen Strafgerichtshof für unabhängig? Ist das der Grund, warum dort Kriegsverbrechen des Wertewestens nicht verhandelt werden, insbesondere Kriegsverbrechen der USA (1)?

„Wir [von Monitor] sprechen dabei von »mutmaßlichen Kriegsverbrechen«, weil unabhängige völkerrechtliche Instanzen wie der Internationale Strafgerichtshof das Massaker von Butscha noch nicht als Kriegsverbrechen anerkannt haben.“

Wiederholt reden Sie von DEM Massaker von Butscha, was falsch ist. Das ist entweder gezielte oder aus Schlampigkeit geborene Desinformation, oder eine Mischung aus beiden.

Sie offenbaren sich — und merken es nicht. Denn eben darum geht es nämlich, nicht um Mutmaßungen sondern um unabhängige Instanzen. Wie Sie richtig bemerken, gab es solche bislang weder im Falle Butschas noch in dem von Kramatorsk. Es gibt auch nach wie vor keine, für ein seriöses Rechtsverfahren brauchbare Ermittlungen. Übrigens: Gab es die eigentlich in Raqqa (2), oder in Mossul (3)? Damals haben Sie, Herr Steiner lobenswerterweise über die Ereignisse in Mossul noch mit einer Journalisten anstehenden Zurückhaltung berichtet (4). Sie haben damals auf eine Vorverurteilung verzichtet. Obwohl das irakische Mossul Tausende Kilometer von den Grenzen der USA entfernt liegt und deren „Sicherheitsinteressen“ dort wohl andere sein dürften, als die Russlands in der angrenzenden Ukraine.

Was kennzeichnet Unabhängigkeit in Ihren Augen? Herr Steiner, mutmaßliche Kriegsverbrechen haben keinen Bestand, bevor sie nicht bewiesen wurden. Deshalb heißt es auch „mutmaßllich“. Mutmaßungen kann jeder aufstellen. Politisch Interessierte mit Zugang zu Massenmedien haben sogar den Vorteil, dass ihre Mutmaßungen die Köpfe von Medienkonsumenten erobern. Und dass mittels Indizien aus Mutmaßungen „Beweise“ gezimmert werden. Sparen Sie sich Ihre Wortkapriolen.

Außerdem empfehle ich Ihnen dringend, da Sie offenbar ein eingebildeter Fachmann des medialen, meinungsbildenden Strafgerichtshofes sind — so frei und ungeniert, wie sie in die Vorverurteilung gehen —, mal im stillen Kämmerlein den Unterschied zwischen Indiz und Beweis herauszuarbeiten.

„Dennoch gibt es viele Beweise, die belegen, dass das Massaker begangen wurde, als Butscha unter russischer Kontrolle war, wie etwa die Analyse von Satelliten-Bildern der New York Times. Untersuchungen von Human Rights Watch vor Ort oder auch die vom Bundesnachrichtendienst abgehörten Funksprüche sind weitere Belege dafür, dass russische Soldaten für das Massaker verantwortlich sind.“

Jetzt mal ganz ehrlich: Das nennen Sie Beweise? Wer hat diese „Beweise“ eigentlich kritisch geprüft? Sie schon mal nicht. Obwohl Sie das jederzeit könnten. Es sind aber keine Beweise. Es sind ziemlich dünne Indizien. Mehr noch sind die Indiziengeber eines ganz und gar nicht: unabhängig. Sie aber bei den öffentlich-rechtliche Medien geben sich mit diesen „Beweisen“ rasch zufrieden. Es passt in Ihr Schwarz-Weiß-Schema. Sie fühlen sich als Ankläger. Wo sind eigentlich die Verteidiger?

Eine Frage: Wissen Sie beim WDR, wie sich rechtsstaatliches Vorgehen im Falle eines mutmaßlichen Verbrechens definiert?

Sie wissen es nicht. Denn Eines verbietet sich in solch einem Falle von vornherein und das ist die Methode der Vorverurteilung. Auch hantieren Sie beim WDR stetig wie fleißig — nicht nur beim Thema Ukraine-Krieg — mit der propagandistischen Methode der Beweislastumkehr. Der Angeklagte soll seine Unschuld vor Gericht, nein sogar vor jeder seriösen Beweisaufnahme beweisen, dazu Ihr unsägliches Versatzstück:

„Der Kreml streitet ab, dass russische Soldaten die Verbrechen begangen haben, konnte aber keine Beweise für diese Behauptung vorlegen. Auch für die Behauptung, Butscha sei eine Inszenierung der Ukraine gibt es keinerlei Belege.“

So läuft das nicht in einem demokratischen Rechtssystem, Herr Steiner. Oder gilt dieses für Sie nur dann, wenn der verdächtige Täter uns sympathisch ist? Jetzt ist „bezweifeln“ bereits ein moralisches Vergehen? Schämen Sie sich nicht?

„Dennoch behaupten Alina Lipp und Thomas Römer [gemeint ist Thomas Röper] auf ihren Kanälen etwa, russische Soldaten hätten die Verbrechen gar nicht begehen können oder bezweifeln, dass es überhaupt Leichen in Butscha gab. Diese Aussagen als Desinformation einzuordnen, halten wir nach wie vor für gerechtfertigt.“

Zweifeln ist verboten? Zweifeln bedeutet Desinformation? Geht es noch blöder? Dann ist Nichtzweifeln also Information? Oder zumindest eine Grundvoraussetzung für Information? Das heißt also, dass eine Information die Ihnen geliefert wird, nicht angezweifelt werden darf? Sie erzählen so viel über sich, Herr Steiner. Wer nicht zweifelt, der glaubt. Der ist unfehlbar überzeugt. Der will keinen Zweifel mehr zulassen. Genau so sieht Ihr journalistisches Selbstverständnis aus. Es ist aber in Wirklichkeit ein Glaubensbekenntnis.

Weisen Sie mir bitte — und zwar kontextbezogen und nicht aus dem Zusammenhang gerissen — nach, dass Thomas Röper „bezweifelt hat, dass es überhaupt Leichen in Butscha gab“. Und wenn er es bezweifelt hat, wie hat er es belegt. Widerlegen Sie dann seine Zweifel auf der Sachebene. Zum Mitschreiben, Herr Steiner: auf der SACHebene!

Sie äußern doch auch Zweifel, dass die ukrainische Armee den Bahnhof von Kramatorsk mit Totschkas beschossen hätte. Also verbreiten Sie auch Desinformation, nicht wahr? Das ist Ihre eigene dümmliche Logik, nur auf Sie selbst zurückfallend.

Auf die entscheidende Frage in meinem offenen Brief sind Sie übrigens in keiner Weise eingegangen. Das ist auch deshalb von Relevanz, weil die schwächlichen Indizien, die Sie zu „Beweisen“ für ein russisches Massaker hochstilisieren, Ihnen am 4. April gar nicht vorliegen konnten; oder etwa doch? Denn am 4. April waren Sie ja im Kreis der Empörten gut aufgehoben. Was allerdings für jeden Journalisten absolut unwürdig ist. Ich wiederhole also die Frage/Aufforderung mit den wohl notwendigen Hervorhebungen:

Alternativ liefern Sie mir bitte umgehend eine nach wie vor ausstehende, verlässliche, prüfbare, evidente Datenlage — und zwar zuerst die Ihnen am 4. April 2022 vorliegende — über nachgewiesene russische Kriegsverbrechen in Butscha, siehe dazu Ihr tendenziöser Beitrag:

  • https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr2/das-thema/audio-massaker-von-butscha-empoerung-und-sanktionen-100.html

Zum Abschluss: Vor vier Jahren hat Monitor es gelegentlich noch gewagt, am Lack der sich so nennenden Gutmenschen in der westlichen Wertegemeinschaft zu kratzen, querzudenken, zu zweifeln, auch in Bezug auf das Feindbild Russland (5). Doch die Zeiten haben sich geändert.

Das Agieren großer Teile der Journaille in den Öffentlich-Rechtlichen gegenüber Andersdenkenden, egal ob einfachen Menschen auf der Straße, Politikern oder Journalisten, die sich dem Kampagnen-„Journalismus“ nicht anschließen wollen, entlarvt Sie alle. Sie führen sich auf wie Blockwarte, Angestellte eines Wahrheitsministeriums und versuchen mit missionarischem Eifer, Ihre angeblichen Gegner in schäbiger Art und Weise unterhalb jeder Gürtellinie zu diskreditieren und auszugrenzen. Auf der Sachebene aber versagen Sie. Das ist öffentlich-rechtliche Berichterstattung in unserer Zeit. In dieser Form sind Sie im Grunde überflüssig.

Mit freundlichen Grüßen,

Peter Frey

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam, liebe Leser.


Anmerkungen und Quellen

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden.

(1) 20.04.2019; Zuerst!; Nach US-Drohungen: Internationaler Gerichtshof verzichtet auf Verfahren gegen US-Kriegsverbrecher; https://zuerst.de/2019/04/20/nach-us-drohungen-internationaler-gerichtshof-verzichtet-auf-verfahren-gegen-us-kriegsverbrecher/

(2) 17.09.2017; der Freitag; Jakob Reimann; Schwerste Kriegsverbrechen der USA in Raqqa; https://www.freitag.de/autoren/jakob-reimann-justicenow/schwerste-kriegsverbrechen-der-usa-in-raqqa

(3) 31.03.2017; WSWS; Bill Van Auken; Luftangriffe auf Mossul: USA werden Kriegsverbrechen vorgeworfen; https://www.wsws.org/de/articles/2017/03/31/moss-m31.html

(4) 06.07.2022; ARD, Monitor; Nikolaus Steiner, Ruben Neugebauer; Die Schlacht um Mossul: Der Mythos vom sauberen Krieg; https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/die-schlacht-um-mossul-100.html

(5) 07.06.2018; ARD, Monitor; Georg Restle; Feindbild Russland: Wie der Westen die Konfrontation verschärft; https://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-feindbild-russland-wie-der-westen-die-konfrontation-verschaerft-100.html

(Titelbild) Brief, Hand, Fingerzeig, Hinweis; Autor: Gerd Altmann (Pixabay); 19.11.2017; https://pixabay.com/de/photos/gesch%C3%A4ftsmann-finger-ber%C3%BChren-2956974/; Lizenz: Pixabay License

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