Das russische Militär veröffentlicht erbeutete Angriffsbefehle der Ukraine

Redaktion politonline

Wie dem nachfolgenden Bericht des Autors Thomas Röper zu entnehmen ist, hat die Donezker Armee gemeldet, in einem Stab der rechtsextremen und nationalistischen ukrainischen Organisation »Rechter Sektor« ein Notebook mit NATO-Kennzeichnung sichergestellt zu haben, in dem sich Details über einen geplanten Angriff finden, der für den 8. März geplant gewesen war und bei dem gleichzeitig der Donbass und die Krim angegriffen werden sollten. Die erbeuteten Befehle der ukrainischen Nationalgarde sind in der Folge vom russischen Verteidigungsministerium veröffentlicht worden.

Für die meisten Menschen klingt es unglaublich, dass die kleine Ukraine Russland angreifen wollte; indessen wurde die militärische Rückeroberung der Krim und des Donbass 2021 als Ziel in die ukrainische Militärdoktrin und in andere Dokumente, die alle öffentlich zugänglich sind, aufgenommen. Diese Pläne existierten in Kiew ganz offiziell.  [1]

Nach dem Maidan hatte Präsident Poroschenko 2015 eine neue ukrainische Militärdoktrin in Kraft gesetzt; in dieser wird erstens Russland als Hauptfeind definiert und zweitens eine Angleichung der ukrainischen Streitkräfte an die NATO-Standards bis 2020 verkündet. Die Zusammenarbeit der Ukraine mit der NATO ist daher in den letzten Jahren im Rahmen der Angleichung der ukrainischen Streitkräfte an die NATO-Standards massiv ausgebaut worden. In der Ukraine wurden Tausende von NATO-Soldaten, die offiziell auf Ausbildungsmissionen waren, stationiert, und es fanden praktisch monatlich Manöver statt, in denen die NATO und ukrainische Streitkräfte offen den Krieg gegen Russland trainiert haben.

Am 24. März 2021 setzte dann Präsident Selenskyj die Strategie zur Deokkupation und Reintegration der Krim in Kraft. In der Pressemeldung der ukrainischen Präsidialverwaltung hieß es hierzu u.a.: »Dieses Dokument definiert eine Reihe von Maßnahmen diplomatischer, militärischer, wirtschaftlicher, informativer, humanitärer und anderer Art, die darauf abzielen, die territoriale Integrität und die staatliche Souveränität der Ukraine innerhalb international anerkannter Grenzen durch De-Okkupation und Reintegration der Krim wieder herzustellen«. Mit diesem Dokument, legt Röper dar, hat die Ukraine offiziell und öffentlich einen Krieg mit Russland wegen der Krim angekündigt. Es ist also keineswegs abwegig, dass Kiew einen Angriff auf die Krim – und damit einen Krieg gegen Russland – geplant hat, wie das Selenskyj am 24. 3. 21 per Dekret offiziell anordnete. In dem Dokument war die Rede von Maßnahmen militärischer Art; deutlicher kann man es nicht sagen.

Einen Tag später, am 25. März 2021, setzte Selenskyj auch die Militärdoktrin, die auf die Integration der Ukraine in die Sicherheitsarchitektur der NATO abzielt, und die die Forderung, die Krim auch mit militärischen Mitteln zurückzuerobern, wiederholt, in Kraft.

Im April 2021, also unmittelbar nach der Unterzeichnung der genannten ukrainischen Dokumente, trat eine Eskalation im Donbass ein, die fast zum Krieg geführt hätte; ukrainische Truppen marschierten dort auf und der Beschuß der Donbass-Republiken nahm massiv zu. Russland setzte daraufhin in einer nicht angekündigten Militärübung 100.000 Soldaten in Marsch, um Kiew zu signalisieren, dass ein Angriff auf den Donbass oder gar auf die Krim, was Selenskyj gerade unterzeichnet hatte, keine gute Idee wäre. Wie Röper berichtet, kündigte einer der wichtigsten Berater von Präsident Putin an, den Donbass im Falle eines ukrainischen Angriffs zu verteidigen. Am 13. April 2021 gab es dann auf die Initiative des Weißen Hauses hin ein Telefonat zwischen Biden und Putin und am 21. April wies Putin in seiner alljährlichen Rede an die Nation auch auf die roten Linien Russlands hin. Daraufhin entspannte sich die Situation wieder, die Ukraine zog ihre Truppen teilweise ab und der Beschuß des Donbass ging wieder zurück. Im Sommer 2021 gab es dann bekanntlich das Gipfeltreffen von Biden und Putin in Genf.

Im Dezember 2021 schickte Russland seine Vorschläge für gegenseitige Sicherheitsgarantien an die USA und die NATO, die auch veröffentlicht wurden. Erst Ende Januar 2022 antworteten die USA und die NATO schriftlich. Die russische Kernforderung, die Ukraine weder in die NATO aufzunehmen, noch in der Ukraine US-Atomraketen zu stationieren, wurde von beiden Staaten abgelehnt; jedes Land, ließ man Russland wissen, könne sein Sicherheitsbündnis frei wählen, und Pläne, in der Ukraine Atomwaffen aufzustellen, gäbe es nicht; daher brauche man Russland diesbezüglich auch keine Garantien zu geben. [2]

Unabhängig von der Frage bezüglich der Echtheit des Notebooks, hat der CIA-Chef die dieses betreffende Informationen jedoch am 8. März bestätigt. In einer Anhörung des US-Geheimdienst-Ausschusses sagte er: »Wir haben mit den Ukrainern aktiv Geheimdienstinformationen ausgetauscht und tun das auch weiterhin. Als ich im Januar in Kiew war, habe ich Präsident Selenskyj einige Details zu den russischen Plänen betreffend Kiew, die wir damals hatten, vorgelegt. Wir haben das seitdem täglich getan«. In dem Notebook fanden sich demnach Informationen der NATO über russische   Militärbasen und Truppenstärken usw., was im Gegensatz zu dem steht, was die NATO, die die Weitergabe solcher Daten an die Ukraine bestreitet, behauptet.

Die vom russische Verteidigungsministerium auf einer Pressekonferenz veröffentlichten Befehle der ukrainischen Nationalgarde, die einen geplanten ukrainischen Angriff auf den Donbass belegen, sind von Röper wie folgt übersetzt worden:

»Bei der Militäroperation sind geheime Dokumente des Kommandos der ukrainischen Nationalgarde in den Besitz russischer Soldaten gelangt. Diese Dokumente bestätigen die verdeckten Vorbereitungen des Kiewer Regimes für eine Offensiv-Operation im Donbass im März 2022. Das russische Verteidigungsministerium hat das Original des geheimen Befehls des Kommandeurs der ukrainischen Nationalgarde, Generaloberst Mykola Balan, vom 22. Januar 2022 veröffentlicht. Der Befehl trägt den Titel Über die Organisation der Vorbereitung der taktischen Gruppe des Bataillons der 4. operativen Brigade zur Durchführung von Kampf(sonder)aufgaben im Rahmen der Operation der kombinierten Kräfte innerhalb der Brigade der Streitkräfte der Ukraine.

Das Original ist an die Leiter der nördlichen Kiewer, der südlichen Odessaer sowie der westlichen Gebietsverwaltungen der Nationalgarde der Ukraine gerichtet. In dem Befehl, der den Befehlshabern der ukrainischen Nationalgarde übermittelt wurde, wird der Plan zur Vorbereitung einer der Angriffsgruppen für offensive Maßnahmen in der sogenannten Operation der vereinten Kräfte im Donbass erläutert. Es regelt die organisatorische und personelle Struktur des Bataillons und der taktischen Gruppe der 4. operativen Brigade der Nationalgarde, die Organisation ihrer umfassenden Unterstützung und die Unterstellung unter die 80. separate Luftlandebrigade der Ukraine.





Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Einheit der ukrainischen Luftlandetruppen seit 2016 von amerikanischen und britischen Ausbildern in Lwiw im Rahmen der Ausbildungsprogramme nach NATO-Standard ausgebildet wird. Der stellvertretende  Kommandeur der Nationalgarde wurde mit der Organisation der Vorbereitung der Kampfbereitschaft des Bataillons und der taktischen Gruppe der Nationalgarde als Teil der 80. separaten Luftlandebrigade der ukrainischen Streitkräfte vom 7. bis 28. Februar 2022 beauftragt. Gemäß dem Befehl wurde der stellvertretende Kommandeur der Nationalgarde ferner damit beauftragt, vom 7. bis 28. Februar 2022 eine Gefechtsausbildung für ein Bataillon und eine taktische Gruppe der Nationalgarde innerhalb der 80. separaten Luftlandebrigade der Streitkräfte der Ukraine zu organisieren.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ganze fünf Absätze des 4. Punktes der sorgfältigen Auswahl des Personals, ihrer psychologischen Überprüfung und der Sicherstellung ihrer hohen Motivation gewidmet sind. Zu diesem Zweck wird die Nationalgarde angewiesen, dieses mit visuellem Agitations-, Informations- und Propagandamaterial, Fahnen und Druckerzeugnissen zu versorgen. Der für das Personal zuständige stellvertretende Kommandeur der Nationalgarde wurde angewiesen, ein funktionierendes System der moralisch-psychologischen Unterstützung des Bataillons und der taktischen Gruppe der 4. Brigade für operative Einsätze, der internen Kommunikation der Kommandeure mit den Untergebenen und der Information zu organisieren. Gleichzeitig sei es wichtig, sicherzustellen, dass die Soldaten über die Entscheidungen der Führung und die Wichtigkeit der Erfüllung der anstehenden Aufgaben informiert sind. Ich weise besonders darauf hin, dass Punkt 12 des Befehls den Einsatz von Angehörigen der Nationalgarde, die bei psychologischen Tests zum Kriterium Risikobereitschaft unbefriedigende Ergebnisse erzielt haben, im Bereich der   Kampfbereitschaft und am Ort der Ausführung von besonderen Kampfaufgaben verbietet. Alle Maßnahmen zur Vorbereitung der Kampfbereitschaft sollten bis zum 28. Februar abgeschlossen sein, um die Erfüllung der Kampfaufgaben im Rahmen der ukrainischen Operation der vereinten Kräfte im Donbass sicherzustellen.

Das Dokument trägt die Originalunterschriften der für die Durchführung der Aufgaben Zuständigen des Kommandos der ukrainischen Nationalgarde. Wir erinnern uns noch gut an die Erklärungen der Führung des Kiewer Regimes, die im Februar von den westlichen Medien wiederholt wurden, wonach es angeblich keine Pläne für die bewaffnete Übernahme der Volksrepubliken Lugansk und Donezk gebe, und an ihren Wunsch, alle Probleme angeblich mit politischen und diplomatischen Mitteln zu lösen. Die Originale der geheimen militärischen Dokumente der ukrainischen Nationalgarde beweisen jedoch eindeutig die Unwahrheit dieser Behauptungen«.

Die von den russischen Streitkräften seit dem 24. Februar durchgeführte militärische Sonderoperation kam einer groß angelegten Offensive ukrainischer Stoßtrupps gegen die nicht von Kiew kontrollierten Volksrepubliken Lugansk und Donezk im März dieses Jahres zuvor und vereitelte sie. Somit bleibt nur eine Frage: Wie stark waren die US-Führung und ihre NATO-Verbündeten in die Planung und Vorbereitung der Operation zur Erstürmung des Donbass durch die ukrainischen Truppen Anfang März verwickelt…..

Also alle diejenigen, die sich heute so sehr um den Frieden in der Ukraine sorgen«. [1]

Fakt ist auch, hält Röper ferner fest, dass Selenskyj am 19. Februar in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz offen damit gedroht hat, dass sein Land aus dem Budapester Memorandum, in dem sich die Ukraine verpflichtet hat, auf eigene Atomwaffen zu verzichten, aussteigen werde. Das war keine leere Drohung, denn in der Ukraine sind sowohl das nötige radioaktive Material, als auch das Wissen und die technischen Geräte für dessen Verarbeitung zu kernwaffenfähigem Material vorhanden. Und die Ukraine besitzt auch die nötige Raketentechnologie, um entsprechende Trägersysteme zu bauen. All das Wissen und die Geräte sind in der Ukraine noch aus Sowjetzeiten vorhanden und jederzeit einsetzbar, weshalb die Ukraine nach dieser Ankündigung auch kurzfristig in der Lage wäre, Atomwaffen und erst recht schmutzige Bomben herzustellen. Am 21. Februar – nur zwei Tage nach Selenskyjs Ankündigung, die Ukraine wieder nuklear zu bewaffnen, hat Putin die Donbass-Republiken anerkannt und Kiew gegenüber eine deutliche Warnung ausgesprochen. Putin kündigte den Abschluß von Beistandsverträgen mit den Donbass-Republiken an und beendete seine Rede mit den Worten: »Von denen, die in Kiew die Macht übernommen haben und halten, fordern wir die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten. Andernfalls wird die Verantwortung für die mögliche Fortsetzung des Blutvergießens ausschließlich auf dem Gewissen des Regimes, das das Gebiet der Ukraine regiert, lasten«.

Damit war klar, dass Russland, sollte Kiew den Beschuß des Donbass nicht einstellen, militärisch eingreifen würde. Kiew hat den Beschuß nicht nur nicht eingestellt, sondern sogar stark erhöht. Die OSZE meldete in ihrem täglichen Bericht am 23. Februar 2022 insgesamt fast 2.000 Verstöße gegen die Waffenruhe und fast 1.500 Explosionen – wohlgemerkt an einem einzigen Tag. [2]

Abschließend ein Auszug aus der Analyse des Präsidenten des US-amerikanischen Quincy-Institutes, Andrew Bacevich: Unter dem Titel Die USA können sich von der Verantwortung für Putins Invasion in der Ukraine nicht freisprechen heißt es dort u.a.:

«Das von mehreren US-Regierungen in jüngster Zeit vorgebrachte Argument, die NATO-Erweiterung stelle keine Bedrohung für die russische Sicherheit dar, ist keineswegs stichhaltig. Es geht davon aus, dass die Haltung der USA gegenüber Russland gutartig sei. Das aber ist nicht der Fall, und zwar schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Die NATO-Osterweiterung geht ferner davon aus, Moskau habe keine eigenen Interessen, außer eben jene, die von den USA zugelassen werden. Keine verantwortungsbewußte Regierung wird aber zulassen, dass ein politischer Feind die Hierarchie ihrer eigenen Interessen bestimmt». [3]

 

[1] https://www.anti-spiegel.ru/2022/das-russische-militaer-veroeffentlicht-erbeutete-angriffsbefehle-der-ukraine/   9. 3. 22
Das Original des Angriffsplans ist auf anti-spiegeleingestellt

[2] https://www.anti-spiegel.ru/2022/donezk-beweise-fuer-angriffsplaene-der-ukraine-auf-basis-von-nato-daten-gefunden/   6. 3. 22
Donezk: Beweise für Angriffspläne der Ukraine auf Basis von NATO-Daten gefunden

[3] https://seniora.org/politik-wirtschaft/ukraine/zur-mitverantwortung-der-usa-und-der-nato-am-einmarsch-der-russischen-armee   13. 3. 22
Zur Mitverantwortung der USA und der NATO am Einmarsch der russischen Armee – Von Christian Müller – «US can’t absolve itself of responsibility for Putin’s Ukraine invasion»

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Das russische Militär veröffentlicht erbeutete Angriffsbefehle der Ukraine
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3 Kommentare

  1. Wenn jetzt das perfide Albion uns in einen Krieg mit Rußland verwickeln will, darf man NIE vergessen, daß Menschlichkeit des anglo-zionistischen Westens, vorgetragen von seinen Massenmedien wie jetzt bei Butscha, nur erfolgt, wenn es der britischen Politik nützt. Menschlichkeit ist nie das Ziel der britischen Politik, sondern dient nur dazu indirekt materielle Interessen einzuheimsen!

    Das wird z. B. sehr gut bewiesen, als die heuchlerischen Briten im Herbst 1912 nicht im mindesten die Greuel der Balkanvölker (Bulgaren, Griechen, Serben) an den dort ansässigen Türken zu verhindern suchten, weil die Türkei mit Deutschland befreundet war, zum Krieg gegen Deutschland jedoch Rußland gebraucht wurde, das seinerseits seit 500 Jahren Konstantinopel (heute Istanbul) zu erobern suchte.

    So Heinrich Firedjung, 1922:

    „Das Schicksal Adrianopels (heute Edirne) und Janinas blieb also in Schwebe, ebenso das des albanischen Skutari. Dessen tapferer Verteidiger, Riza Pascha, hatte nicht Lust, sich tatenlos aushungern zu lassen und erkannte den Waffenstillstand nicht an. Mit Ausnahme der drei genannten festen Punkte war aber alles Land bis zur Tschataldscha-Linie den Siegern überlassen worden.

    Das „Wehe den Besiegten!“ blieb den Türken nicht erspart, nicht dem Reiche und nicht dem Volke. Mit Blut und· Greueln hatten sie vor Jahrhunderten ihre Herrschaft auf der Balkanhalbinsel aufgerichtet, und milde Herren waren sie nicht gewesen; dies wurde ihnen jetzt furchtbar heimgezahlt. Mit dem Vorrücken der Heere des Balkanbundes brachen Mord und Plünderung über die unglücklichen Bekenner des Islam herein. Sie hatten sich auf Schlimmes gefaßt gemacht und deshalb die Massenflucht nach der Küste; den Zurückbleibenden, die auf Schonung gerechnet hatten, ward sie fast überall versagt. In den ersten Wochen zumal häuften sich Greuel, später wehrten die Regierungen der Balkanstaaten wenigstens dem Morden, während die Brandschatzung und die Vertreibung von Hof und Acker fortdauerten. Zu dem National- und dem Religionshasse trat die Begierde, sich dort zu rächen, wo die Türken frühere Aufstände in Blut erstickt hatten; dazu der soziale Gegensatz zwischen dem christlichen Bauer und dem türkischen Grundherrn, dem Beg, der alles büßen sollte, was seine Vorfahren sich angemaßt hatten. Bulgaren, Griechen und Serben wetteiferten in dem entsetzlichen Mißbrauche des Sieges. In den Landstrichen um Monastir, so stellte später ein christliches Hilfskomitee fest, wurden 80 Prozent aller mohammedanischen Dörfer verbrannt. Die nach größeren Städten flüchtenden Bewohner starben dort den Hungertod. Überall wüteten am schlimmsten die Banden von Komitatschis, die, an die Greuel des Kleinkrieges gewöhnt, ihre alten türkischen Gegner, obwohl sie jetzt unbewaffnet und wehrlos waren, über die Klinge springen ließen. Die Gegend von Kukusch wurde zuerst unter Aufsicht einer kleinen Garnison bulgarischer Truppen gebrandschatzt, dann zog eine Bande unter Führung eines gewissen Donscheff ein, die 345 Häuser niederbrannte, deren männliche Bewohner aber in die Moschee sperrte und dem Feuertode preisgab. Das waren Bulgaren; in Strumitza aber leitete ein serbischer Offizier die Mordtaten, der mehrere hundert Moslim vor ein eilig zusammengesetztes Kriegsgericht schleppen ließ und die umstehenden Ortsbewohner über jeden einzelnen befragte: Gut oder schlimm? Eine einzige Stimme genügte zur Herbeiführung des Todesurteils, dem kaum einer von zehn Türken entging; die anderen wurden sofort aufgehängt. In der reichen Stadt Seres wurde unter Leitung einer bulgarischen Garnison in derselben Weise gewütet. In dem ersten Sieges- und Blutrausch waltete der Vorsatz, durch Ermordung oder Vertreibung der mohammedanischen Einwohner das ganze Land den Christen zurückzugeben. Dann aber, zumal als am 3. Dezember der Waffenstillstand geschlossen wurde, erwachte bei den verbündeten Regierungem besonders in Bulgarien, das Schamgefühl; strenge Maßregeln machten dem Morden ein Ende, es wurden sogar einige der schlimmsten Ülbeltäter vor. Gericht gestellt und bestraft. Indessen dauerte die Gewaltherrschaft fort und sie verfolgte auch religiöse Zwecke. In den von Bulgaren eroberten Landstrichen lebten 80.000 Pomaken, der Sprache nach ein bulgarischer Stamm, die vor Jahrhunderten zum Islam übergetreten waren. Ihnen, die so gute Moslim geworden waren, wurde von der bulgarischen Kirche vorgeschrieben, zum Christentum überzutreten, was sie auch tun mußten, um nicht Leben oder doch Habe zu verlieren. Irgendein Unterschied zwischen den Greueln der Türkenherrschaft, so oft ein Aufstand einheimischer Bewohner unterdrückt worden war, und der Schuld, mit der die christlichen Sieger sich jetzt beluden, ist nicht aufzufinden. Doch sprach zuungunsten der letzteren, daß der große Kampf zwischen Kreuz und Halbmond jetzt auch nach der Empfindung der Sieger durchgefochten war; es mußten nicht erst Opfer geschlachtet werden, um die neue Herrschaft zu befestigen. Habgier aber und Rachedurst fragen nicht nach Gründen. In den großen Völkerrevolutionen geht menschliche Leidenschaft wie ein Erdbeben über die Scholle und ihre Bewohner wahllos hinweg.

    In England und Frankreich war man taub und blind für die von den christlichen Siegern verübten Grausamkeiten. Pierre Loti, der glänzende Schilderer orientalischer Sitten, nahm sich der bedrängten Moslim an und wollte die an ihnen begangenen Frevel in der Presse zur Sprache bringen; aber der sonst vielumworbene Schriftsteller fand kein großes Blatt, das seine Aufsätze hätte veröffentlichen wollen. Ähnlich in England, wo nur die radikalen Zeitungen Berichte über die Greuel brachten. Als ein Komitee von Moslim, das in Konstantinopel zusammentrat seine Beschwerden in den führenden Blättern der zwei großen englischen Parteien vorbringen wollte, wurde es abgewiesen. In einem späteren Zeitpunkte, September 193, schrieb die der Regierung nahestehende „Westminster Gazett“ den merkwürdigen Satz nieder: England habe genug an den Berichten über die Grausamkeiten, es sei an der Grenze seiner Aufnahmsfähigkeit angelangt. Das war ein Nachklang zu der schon 1912 gegebenen Antwort Greys, als er von einem radikalen Abgeordneten interpelliert wurde; er lehnte die Einmischung Englands als untunlich ab. Wie oft aber war dieselbe Regierung gegen die Pforte eingeschritten, wenn Klagen gegen sie erhoben wurden! Menschlichkeit besaß nur Wert als Vorspann für die britische Politik.“

  2. Es ist schlichtweg unmöglich, dass Selensky all dieses plante , ohne die Unterstützung Washington´s zu geniessen. Dass man sich niemals auf Anglo-Amerikanische Versprechen verlassen kann ist wohlbekannt, Deutschland verliess sich auf President Wilson´s Versprechen im Jahre 1918 und wir wissen was passierte. Das Ehrenwort eines Anglo-Amerikaners ist keinen Furz wert. Das wurde auch den Kossaken nach WW-2 klar, als sie von Engländern, unter ungeheuerlichen Umständen an die Soviets ausgeliefert wurden, nachdem der Englische General ihnen sein Ehrenwort gab, dass solches niemals stattfinden würde. Es scheint, Selensky war ein bissel gutbläubig.

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