Das Hohelied der Liebe

1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so, daß ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir ’s nichts nütze. 4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 Sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 Sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. 8 Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. 11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. 12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Tja, da wollte ich etwas besonders geistreiches und erhebendes zu Weihnachten schreiben und bin dabei über diesen Bibeltext gestolpert … Und da verließ mich beinahe der Mut, mich überhaupt noch dazu äußern zu wollen, weil, wie könnte man es treffender ausdrücken?!

Der Glaube, für sich betrachtet, egal an was man glaubt, vermag einem Sicherheit geben, aber, wenn er ohne Liebe ist, nicht von ihr geleitet wird, was ist er noch wert?

Die Hoffnung, für sich betrachtet, ist etwas imaginäres, eine Projektion des Wünschenswerten, mehr nicht!

Was also bleibt noch? Diese, so hochgehaltene Liebe? Spätestens seit Fromm und seiner Abhandlung über “Die Kunst des Liebens“ unterscheidet man zwischen unterschiedlichen Formen der Liebe. Die Liebe der Eltern, die Geschwisterliebe, die erotische oder auch die Liebe zu Tieren, der Natur oder sonstigem, was des Liebens wert erscheint.

Allein, was alles überstrahlt, ist die Liebe des Lebens an sich, welche alle Formen der Liebe mit einschließt! Wer die Schöpfung nicht achten kann oder will, der liebt nicht! Sei es die Natur selbst oder die Vielfalt der Geschöpfe, die in ihr leben.

Womit wir bei denen angekommen sind, die eben keinerlei Interesse an der Liebe bezeugen. Die ausbeuten, Kriege schüren und die Menschen gegeneinander aufhetzen. Warum auch immer. Was nichts anderes bedeutet wie, daß sie liebesunfähig sind!

Was machen wir daraus? Wie gehen wir damit um? Vergelten wir Gleiches mit Gleichem? Lassen wir uns deshalb unsere Liebesfähigkeit nehmen? Sollten wir uns deshalb in Verzweiflung oder gar Hoffnungslosigkeit stürzen?

Ich denke, wir haben nur einen Trumpf im Ärmel, der allein uns, auch vor uns selbst, bestehen läßt! Es ist allein die Liebe, so schwer es auch oftmals fallen mag! Wie in obigem Bibelzitat beschrieben!

In diesem Sinne,

wünsche ich allen ein besonnenes Weihnachtsfest

und die liebevollsten Absichten für die Zukunft!

Euer Jürgen

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Das Hohelied der Liebe
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3 Kommentare

  1. Arthur Schopenhauer, Aphorismen zur Lebensweisheit, Von dem, was einer ist:

    Ich habe in dieser ganzen Betrachtung der persönlichen Eigenschaften, welche zu unserm Glücke beitragen, nächst den physischen, hauptsächlich die intellektuellen berücksichtigt. Auf welche Weise nun aber auch die moralische Trefflichkeit unmittelbar beglückt, habe ich früher in meiner Preisschrift über das Fundament der Moral dargelegt (§ 22), wohin ich also von hier verweise.

    In Schopenhauers „Preisschrift über die Grundlage der Moral“ lautet die gemeinte Stelle in § 22: „Das Vorwalten der einen oder der andern jener beiden Erkenntnisweisen zeigt sich nicht bloß in den einzelnen Handlungen, sondern in der ganzen Art des Bewußtseins und der Stimmung, welche daher beim guten Charakter eine von der des schlechten so wesentlich verschiedene ist. Dieser empfindet überall eine starke Scheidewand zwischen sich und allem Außer-ihm. Die Welt ist ihm ein absolutes Nicht-Ich und sein Verhältnis zu ihr ein ursprünglich feindliches: dadurch wird der Grundton seiner Stimmung Gehässigkeit, Argwohn, Neid, Schadenfreude. – Der gute Charakter hingegen lebt in einer seinem Wesen homogenen Außenwelt: die andern sind ihm kein Nicht-Ich, sondern ‚Ich noch einmal‘. Daher ist sein ursprüngliches Verhältnis zu jedem ein befreundetes: er fühlt sich allen Wesen im Innern verwandt, nimmt unmittelbar teil an ihrem Wohl und Wehe, und setzt mit Zuversicht dieselbe Teilnahme bei ihnen voraus. Hieraus erwächst der tiefe Friede seines Innern und jene getroste, beruhigte, zufriedene Stimmung, vermöge welcher in seiner Nähe jedem wohl wird. – Der böse Charakter vertraut in der Not nicht auf den Beistand anderer: ruft er ihn an, so geschieht es ohne Zuversicht: erlangt er ihn, so empfängt er ihn ohne wahre Dankbarkeit: weil er ihn kaum anders denn als Wirkung der Torheit anderer begreifen kann. Denn sein eigenes im fremden Wesen wiederzuerkennen, ist er dann noch unfähig, nachdem es von dort aus sich durch unzweideutige Zeichen kundgegeben hat. Hierauf beruht eigentlich das Empörende alles Undanks. Diese moralische Isolation, in der er sich wesentlich und unausweichbar befindet, läßt ihn auch leicht in Verzweiflung geraten. – Der gute Charakter wird mit ebensovieler Zuversicht den Beistand anderer anrufen, als er sich der Bereitwilligkeit bewußt ist, ihnen den seinigen zu leisten. Denn, wie gesagt, dem einen ist die Menschenwelt Nicht-Ich, andern ‚Ich noch einmal‘. — Der Großmütige, welcher dem Feinde verzeiht und das Böse mit Gutem erwidert, ist erhaben und erhält das höchste Lob, weil er sein selbsteigenes Wesen auch da noch erkannte, wo es sich entschieden verleugnete.“

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