Das falsche Spiel mit Russlands angeblichen Angriffsplänen

Von Peter Haisenko  (anderwelt)

Für den Westen geht es im Ukraine-Konflikt vor allem um Gesichtswahrung. Mit den Drohungen gegen Russland für den Fall eines Angriffs gegen die Ukraine werden die Voraussetzungen für die Behauptung geschaffen, man habe Russland von diesem Angriff abschrecken können. So soll die „Überlegenheit“ des Westens demonstriert werden.

Schon seit geraumer Zeit grassiert in politischen Kreisen die Methode, ein Problem zu erfinden, das es eigentlich nicht gibt, um dann stolz die Lösung für dieses erfundene Problem zu präsentieren. So kann man als Macher und Retter auftreten und den ahnungslosen Bürgern weismachen, wie kompetent man für das Wohlergehen seiner Bürger agiert. Das wird landesintern praktiziert und noch mehr auf internationaler Ebene. Ich erinnere dazu an den Umgang mit dem Iran im Zusammenhang mit Atomwaffen.

Der Iran hat den Atomwaffensperrvertrag vor langer Zeit unterschrieben und fortlaufend bekräftigt, dass man sich daran gebunden fühlt; dass man keine Absicht hege, eigene Atomwaffen zu bauen. Das wurde vom Westen einfach als unglaubwürdig hingestellt und der Iran wurde mit Sanktionen überzogen, um ihn von etwas abzuhalten, was er von Anfang an nicht tun wollte. So könnte man annehmen, dass es nie um iranische Atomwaffen ging, sondern nur darum, aggressiv Sanktionen gegen einen Staat begründen zu können, der sich der US-Hegemonie widersetzt.

Man kann so behaupten, mit diesen Maßnahmen Iran vom Bau von Atomwaffen abgeschreckt zu haben, obwohl er solche gar nicht bauen wollte. Der Westen hat dann augenscheinlich richtig gehandelt und mit seinen Aktionen die Welt vor einem aggressiven Iran gerettet. Dass sich der Iran jetzt eventuell durch das Verhalten des Westens genötigt fühlen könnte, zum Selbstschutz doch Atomwaffen zu bauen, sei einfach in den Raum gestellt. Vergessen wir dazu nicht: Iran hat bezüglich des Atomwaffensperrvertrags den exakt gleichen Status wie Deutschland. Auch Deutschland hat die Fähigkeit, jederzeit Atomwaffen herzustellen, aber man glaubt einfach, dass man sich an den Atomwaffensperrvertrag halten wird. Deutschland ist vollständig unter Kontrolle der USA, der Iran eben nicht.

Russlands Ansage, die Ukraine nicht angreifen zu wollen, wird beiseite gewischt

Nun zu Russland. Da geht es los mit unablässigem „Framing“ in der Wortwahl. Es wird nicht einfach gesagt, man bereite Maßnahmen vor für den Fall, Russland würde die Ukraine angreifen. Mantra-artig wird ein „erneut“ oder „wieder“ vor den Angriff gestellt und so vermittelt, Russland hätte die Ukraine schon einmal angegriffen. Wann, wie und wo muss nicht angeführt werden. Es wird einfach kolportiert und es ist einfach nicht wahr. Dennoch wiederholen alle MS-Medien andauernd diese gelogenen Adjektive.

Aktuell wird den Menschen Angst gemacht mit der Behauptung, die Ukraine stehe kurz vor einem Einmarsch russischer Truppen und müsse davor geschützt werden. Dass in der Ukraine selbst gewichtige Stimmen dem widersprechen, nämlich dass man dort keine neue Bedrohung erkennen könne, wird unterschlagen. Ebenso wird die klare Ansage Russlands beiseite gewischt, dass man keine Absicht hegt, einen Angriff auf die Ukraine zu starten. Man bezichtigt also Russland der Lüge, wenn es seine Friedfertigkeit betont. Nebenbei wird auch ausgeblendet, dass Russland überhaupt kein Interesse haben kann, sich einen derart desolaten und korrupten Staat wie die Ukraine ans Bein zu binden. Einen Staat, von dem selbst die EU sagt, dass er auf lange Zeit nicht einmal mit dem Geld der EU zu einem EU- oder NATO-tauglichen Staat gemacht werden kann.

Betrachten wir dazu die Ereignisse um die Baltischen Staaten. Seit Jahren marschiert die NATO in den Baltischen Staaten und in Polen an Russlands Grenzen auf und hält Manöver ab. Das wird begründet mit der erfundenen Annahme, Russland wolle diesen Teil Europas besetzen. Dass das blanker Unsinn ist, ist selbsterklärend. Aber auf diese Weise kann man wiederum behaupten, man hätte Russland von einem Überfall abgehalten, den es aber nie machen wollte und will. Kommt aber gut: Wir sind so stark, dass wir Russland in seine Schranken weisen können. Die Realität ist aber, dass man außer Ressourcenverschwendung durch Manöver und Truppenbewegungen gar nichts erreicht hat, denn was angeblich verhindert werden sollte, stand gar nicht zur Diskussion.





Drohszenario gegen Russland wegen einer angeblichen Bedrohung, die nicht existiert

Jetzt also wieder die Ukraine. Russland wird die Ukraine nicht angreifen. Sagt Russland selbst und unabhängige Analysten sehen das auch so. Warum also wird dann dieser Zirkus abgehalten? Ich denke, es ist ganz einfach: Es geht wieder um Gesichtswahrung. Die Methodik funktioniert beispielhaft folgendermaßen: Der als solcher bekannte Schulklassenrüpel, Schläger, pickt sich ein Opfer heraus und droht diesem, er werde ihn verprügeln, wenn er von ihm geschlagen werden sollte. Dass dieses Opfer gar nicht die Absicht hat, zuzuschlagen, spielt keine Rolle. Aber der Schläger kann anschließend seinen Status festigen, indem er behauptet, er wäre angegriffen worden, wenn er seine Drohung nicht ausgesprochen hätte. Er, der Rüpel, kann sich so als Friedenswahrer und Sieger aufführen, obwohl ein Angriff gegen ihn niemals geplant war.

Nach diesem Muster sollten die Aktionen des Westens um den Ukraine-Konflikt analysiert werden. Der Westen behauptet, Russland stehe kurz vor einem Einmarsch in die Ukraine. Russland widerspricht und sagt klar, man wolle das nicht tun. Der Westen sagt, das wäre eine Lüge, ohne das irgendwie zu begründen. Der Westen baut ein Drohszenario gegen Russland auf, wegen einer angeblichen Bedrohung, die es nicht gibt. Es wird „verhandelt“, wobei zu beachten ist, was sich gerade die USA unter „Verhandlungen“ vorstellen. Nämlich dass die Amerikaner mit ultimativen Forderungen in Verhandlungen einsteigen und diese nur so enden können, dass die USA alle ihre Forderungen durchgesetzt haben. Jedes anderslautende Ergebnis wird einfach nicht akzeptiert.

Mit Russland geht das aber so nicht mehr. Die USA wissen, dass sie Russland auf europäischem Terrain militärisch nicht schlagen können. Also versucht man es jetzt mit „diplomatischen Erfolgen“, die aber herbei konstruiert werden müssen. Man droht Russland mit schrecklichen Folgen, sollte es etwas tun, was es gar nicht tun will. Ganz gleich, wie die „Verhandlungen“ ausgehen, kann man dann großspurig behaupten, man hätte erfolgreich verhandelt, weil Russland die Ukraine nicht angegriffen hat. Dass die Verhandlungen überhaupt kein Ergebnis gebracht haben, also wieder einmal am imperialen Anspruch der USA gescheitert sind, spielt dann keine Rolle mehr. Der Westen hat Russland in die Knie gezwungen, weil man es daran gehindert hat, etwas zu tun, was es gar nicht tun wollte.

Das Erfinden von Problemen, die es gar nicht gibt, hat Methode

Es ist wie mit Corona. Man behauptet einfach, die irrsinnigen Maßnahmen hätten Schlimmeres verhindert und entzieht sich so der Pflicht, einen Nachweis für die Wirksamkeit der Maßnahmen vorlegen zu müssen. Der Gegenbeweis ist nur schwer, wenn überhaupt, zu führen. Auch im Fall der Russlandpolitik ist der Gegenbeweis kaum zu führen. Die notorischen Russlandhasser werden selbstverständlich darauf beharren, dass Russland nur deswegen nicht angegriffen hat, weil die Sanktionen und Drohungen gewirkt haben. So ist es von Anfang an gleichgültig, ob die Verhandlungen irgendein positives Ergebnis haben werden. Im Gegenteil ist das vom Westen nicht erwünscht, denn mit dem von mir erwarteten Scheitern gibt es auch keinen Grund, irgendwelche Sanktionen gegen Russland aufzuheben.

Die Transatlantiker werden selbstverständlich sagen, die Verhandlungen wären an der Kompromisslosigkeit Russlands gescheitert. Aber man habe immerhin verhindern können, dass die Ukraine angegriffen worden ist. Wir haben also Erfolg gehabt, wir haben wieder einmal gesiegt und können so unsere „harte“ Grundhaltung gegenüber Russland nur bestätigt und bekräftigt sehen.

Die Wahrheit ist aber, dass die Verhandlungen an der kompromisslosen Haltung der USA, des „Wertewestens“, gescheitert sind, denn von dieser Seite ist weder Deeskalation gewünscht, noch Beendigung des Sanktionsregimes. So wird genau diese Methodik auch in diesem Fall bestätigt, dass man Probleme erfindet, die es gar nicht gibt, um dann als strahlender Retter vor dem angeblichen Problem reüssieren zu können. Es ist ein perfides, falsches Spiel, mit den angeblichen Angriffsplänen des „aggressiven“ Russland, bei dem der Westen nur gewinnen kann, weil er Herr über die Regeln und die Medien ist. Der Westen konnte seine Überlegenheit demonstrieren, auch seine moralische, indem er das größte Land der Erde von einer Aggression abhalten konnte, die dieses Land gar nicht vorhatte. Die Frage ist, wie lange das noch gutgehen soll, bis es der Dümmste auch erkannt hat.

Dass der Westen keine Deeskalation mit Russland wünscht, hat der Vorgang um den Vize-Admiral Schönbach gezeigt, der wegen konstruktiver Vorschläge zur Deeskalation gefeuert worden ist:
https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20221/vize-admiral-will-frieden-und-wird-gefeuert/

https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20221/die-wahrheiten-des-vize-admirals-und-die-arroganz-der-ukrainer/

Zum Abschluss sei noch ein Blick in die Geschichte anempfohlen. Merke: Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten. Die aktuelle Situation erinnert stark an die Abläufe vor dem Ersten Weltkrieg. Mit dem Unterschied, dass diesmal nicht Deutschland, sondern Russland eingekreist und von einer geschickt eingefädelten „Allianz“ bedroht wird. Lesen Sie dazu den ersten Band der Geschichtsreihe von Reinhard Leube und es wird Ihnen wahrscheinlich ähnlich gehen wie mir. Die Parallelen sind beängstigend und wir wissen, welch katastrophale Folgen diese Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts hatte und bis heute hat. Und wieder wird Deutschland instrumentalisiert als Feind Russlands. Genau darum geht es, wie Herr Friedmann vom Chicago-Institut gesagt hat: Die USA arbeiten seit mehr als 100 Jahren daran, die deutsch-russische Freundschaft und Zusammenarbeit zu verhindern. Die anenzephalen Psychopathen in den deutschen Führungskreisen arbeiten wieder einmal am eigenen Untergang. Ja, das wird verstehen, wer Leubes Werke gelesen hat und man sollte mit dem ersten Band beginnen: „Londoner Außenpolitik & Adolf Hitler“, „gibt es einen blinden Fleck?“ Bestellen Sie ihr persönliches Exemplar direkt beim Verlag hier oder erwerben Sie es in Ihrem Buchhandel.

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Das falsche Spiel mit Russlands angeblichen Angriffsplänen
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2 Kommentare

  1. „Die aktuelle Situation erinnert stark an die Abläufe vor dem Ersten Weltkrieg. Mit dem Unterschied, dass diesmal nicht Deutschland, sondern Russland eingekreist und von einer geschickt eingefädelten „Allianz“ bedroht wird.“

    Vor dem Ersten Weltkrieg hat England sehr geschickt alle Konflikte beseitigt, die irgendwelche Großmächte gehindert hätten mit England gemeinsam das Deutsche Reich mit Krieg zu überziehen. Dies gilt insbesondere für Frankreich und Rußland.

    Das von Humanitätsdusselei nur so überbordende England hat damals sich nicht gescheut, die russische Aggression gegen Persien zu unterstützen, um Rußland in dem von ihm erwartenden Krieg gegen Deutschand auf seine Seite zu ziehen.

    Auch jetzt ist Großbritannien der hauptsächliche Brandstifter, der mit Unwahrheiten den europäischen Kontinent mit den Russen in einen Konflikt zu treiben versucht, während die Engländer selbst durch das Meer vor ihren Intrigen relativ gut geschützt sind.

    Heinrich Friedjung

    Das Zeitalter des Imperialismus 1884 – 1914

    Dritter Band
    Erstes bis zehntes Tausend

    Verlag Neufeld & Henius-Berlin 1922

    „Die genannten Lords und die Zeitungen, die Gladstones politisches Vermächtnis hüteten, waren darin einig, daß die Politik Greys den Frieden gefährde. Die „Daily News“, das Sprachrohr des linken Flügels der liberalen Partei, forderte geradezu seinen Rücktritt, indem sie am 10. Januar 1912 schrieb: „Die Zeit ist jetzt gekommen, mit einer nicht mißzuverstehenden Klarheit festzustellen, daß Sir Edward Grey als Staatssekretär des Äußeren unmöglich ist.“ Um Neujahr 1912 erschienen in der „Fortnightly Review“ und in der „Contemporary Review“ Artikel mit bitteren Klagen über die unselige englische Marokkopolitik, wozu dann noch der schlechte Eindruck der Zertretung Persiens kam, die im Winter 1912 vor sich ging. Die Seele dieses Feldzuges war der Pazifist E. D. Morel, der sich schon früher einen Namen gemacht hatte, als er die im belgischen Kongostaate an den Eingeborenen verübten Greuel ans Tageslicht zog. Morel vereinigte seine während der Marokkokrise geschriebenen Aufsätze in einem Buche, das wichtige Beiträge zur Geschichte des Jahres 1911 bietet. Man erfährt daraus, daß Lloyd George seine Rede vom 21. Juli zwar im Einvernehmen mit Asquith und Grey gehalten hatte, daß dagegen die anderen Minister nicht zu Rate gezogen worden waren; sie und die liberale Partei seien zum Teil von der Aussprache unangenehm berührt gewesen. Er stellt ferner fest, daß die Falschmeldung Deutschland schreite soeben zur Besetzung Agadirs, um den Hafen zu behalten, von den „Times“ in die Welt gesetzt worden war, daß dieses Blatt unaufhörlich zum Kriege gehetzt hatte. Erst durch die „Times“ sei die Aufregung über das Erscheinen des deutschen Kanonenbootes auch in die französische Presse hineingetragen worden. In einem der Aufsätze wies Morel überdies darauf hin, daß Deutschland einen friedlichen Ausgleich anstrebte, ferner, daß es volles Recht auf eine Landentschädigung besaß. Mit ihm zusammen stritt das demokratische Wochenblatt „Nation“ gegen Grey, dem es am 18. Januar 1912 in einem kraftvollen Artikel vorwarf, „er habe alles geopfert, nur nicht seine Vorurteile, alles geduldet, nur keine friedliche Verständigung, er habe jeden Handel abgeschlossen, nur keinen mit Deutschland“. Der europäische Friede sei von seinem Rücktritte bedingt.

    Es ist oft gesagt worden, die englische Diplomatie habe im 20. Jahrhunderte die deutsche an Umsicht und Geschicklichkeit übertroffen, sonst hätte sie nicht das gewaltige Bündnis gegen Mitteleuropa zustande bringen können. Sicherlich ist dies richtig; indessen fällt in zwei wichtigen Aktionen, bei der bosnischen Krise von 1908 und im Marokkostreite von 1911, die Plumpheit auf, mit der sich das Londoner Kabinett dort Österreich-Ungarn, hier Deutschland, entgegenwarf, wobei es sich jedesmal eine Schlappe holte. Im ersten Falle hatte Bülow, im zweiten Staatssekretär Kiderlen besser manövriert. Allerdings wurde der Verlauf der Dinge in der Hauptsache dadurch nicht geändert. Die Politik der Einkreisung wurde mit echt britischer Zähigkeit und erfolgreich fortgesetzt, so daß das Deutsche Reich immer enger umstellt und in eine ungünstige Verteidigungsstellung gedrängt ward. Die offenkundige Übermacht Großbritanniens aber erfüllte die große Mehrheit des britischen Volkes mit Stolz, so daß sie König Eduard wie dem Ministerium Asquith-Grey das Mißlingen eines oder des anderen von ihnen geführten Schlages bald verzieh. Diese Männer hatten doch höchstens durch Übereifer im Dienste des Imperiums gefehlt und das war in den Augen der Nation, eine kleine Minderheit abgerechnet, eine läßliche Sünde. Es war dieselbe Sachlage wie im Burenkriege; auch damals fühlten sich die gerecht urteilenden Engländer in ihrem Gewissen durch die Brutalität der amtlichen Politik beschwert, ohne daß dem Niedertreten des Burenvolkes dadurch Einhalt getan wurde. Der starke, die britische Nation erfüllende Machtwille setzt sich in solchen Fällen über die moralischen Bedenken hinweg, er ist ebenso die Wurzel der Größe Englands wie die Ursache des Unheils, das es nur zu oft über das europäische Festland gebracht hat.“

    „Erdrosselung Persiens

    Während in bezug auf China nur Zukunftssorgen und Zukunftshoffnungen mitspielten, erforderte die Persische Frage eine schleunige Antwort, die auch im Winter von 1911 auf 1912 gegeben wurde. Haldane erzählt uns, daß er sich in Berlin Mühe gab, herauszubringen, ob ein geheimes Übereinkommen zwischen Rußland und dem Deutschen Reiche bestünde. Das war nicht der Fall. Aber schon jener Augustvertrag von 1911 war ein Dorn im Fuße der englischen Regierung, der sie im Gehen nicht hinderte, aber doch belästigte. Grey war entschlossen, ihn herauszuziehen, und zwar um den Preis der Überantwortung Persiens an die russische Regierung.

    Den Russen war es unleidlich, daß die persischen Patrioten, die Partei des Fedaïs, alle Anstrengungen machten, um in ihrem Lande Ordnung herzustellen und dessen Selbständigkeit aufzurichten. Das Notwendigste war die Regelung der zerrütteten Finanzen, welche Aufgabe im Mai 1911 dem sachkundigen Amerikaner Morgan Shuster anvertraut wurde. Er ging rüstig an die Arbeit und traf eine Reihe geeigneter Maßregeln.·Da trat die russische Regierung mit der Beschwerde dazwischen, Shuster hätte gewisse von ihr erworbene Rechte angetastet. Sie schob Truppen an die Grenze und schickte am 29. November 1911 ein Ultimatum ab, in welchem sie nicht nur Shusters Entlassung, sondern auch Ersatz für die Kosten ihres bewaffneten Aufgebotes verlangte. In tiefer Trauer, den Untergang der Freiheit vor Augen, beriet das persische Parlament über das Ansinnen. Es unterwarf sich nicht, sondern trat dem Antrage eines angesehenen Geistlichen bei, dessen Rede bloß in den Worten bestand: „Es mag der Wille Allahs sein, daß Freiheit und Unabhängigkeit uns mit Gewalt genommen werden, wir aber wollen ihren Verlust nicht mit eigenen Händen unterzeichnen.“ Darauf rückten die russischen Truppen vom Nordwesten ins Land auf Täbris los, dessen Bewohner Widerstand versuchten und einige in der Stadt wohnende Russen erschlugen. Furchtbar war die über die Stadt verhängte Strafe, in der ein Blutbad angerichtet wurde. Im Januar 1912 besetzten die Russen auch die Hauptstadt Teheran, Persien wurde niedergetreten und Shuster kehrte in seine Heimat zurück, worauf er ein eindrucksvolles Buch „Die Erwürgung Persiens“ veröffentlichte. Darin legte er dar, in welcher Art die englische Regierung der russischen ihre Unterstützung geliehen hatte; die eine habe mit Gewalt, die andere mit vollendeter Heuchelei alles getan, um dem persischen Volke die Mittel zu nehmen, sich aus Wirrsal und Ohnmacht zu erheben.

    Die Vorgänge bei der Einnahme von Täbris waren der Anfang der Ereignisse, über welche Georg Brandes folgendermaßen berichtet: „Auf diesen Staatsstreich folgte die Schreckensherrschaft in Täbris, Rescht, Meschhed und in anderen Städten. Allein in Täbris wurden weit über hundert angesehene Patrioten, darunter der höchste mohammedanische Geistliche, nationale Führer, Landtagsabgeordnete usw., den grausamsten Foltern unterworfen und darauf gehenkt. In der Provinz Aserbeidschan ernannten die Russen zum Gouverneur einen berüchtigten Räuberhauptmann, der dort mit ihrer Zustimmung drei Jahre hindurch die entsetzlichsten Barbareien beging; so ließ er einen persischen Freiwilligen kaltblütig mitten durchschneiden und je eine Hälfte der Leiche an zwei verschiedenen Enden der Stadt öffentlich zur Schau stellen; ein anderes Opfer, einen Geistlichen, ließ er zu Tode martern, nachdem er ihm vorher die Augen ausgestochen hatte. Professor Edward Brown in Cambridge, wohl der beste europäische Kenner des modernen Persiens, hat über die russischen Schandtaten des Jahres 1912 in Täbris ein ganzes Buch veröffentlicht, in dem sich die russische Kultur, mit der wir nun auch in Europa bedacht werden sollten, an der Hand eines reichen photographischen Materials in ihrer wahren Gestalt studieren läßt.

    Das Verhalten Greys erfuhr den schärfsten Tadel der englischen Radikalen, die aber auch diesmal der geschlossenen Mehrheit des Parlaments gegenüberstanden, welche die amtliche Politik billigte. Über die Beschönigung, Persien hätte sein Unglück sich selbst zuzuschreiben, schrieb die „Nation“: „Es ist ein Fall von Wolf und Lamm, so flagrant und so zynisch, daß man sich kaum versucht fühlt, ihn weiterer Untersuchung wertzuhalten.“ Im „Manchester Guardian“ war zu lesen: „Kein Engländer kann diese Erzählung ohne ein tiefes Gefühl von Scham und Verwunderung lesen, – von Scham über die Schmach, mit der wir jeden Grundsatz geopfert haben, der unser Land in Asien großgemacht hat, und von Verwunderung über die Gründe, die einen liberalen Staatsmann zum Agenten der Erniedrigung gemacht“ Das radikale Blatt findet also, Greys Liberalismus habe nicht die Probe bestanden, aber die Beweggründe des Staatssekretärs wurden von dem Oxforder Professor Bertrand Russel sachgemäß gekennzeichnet: „Seitdem wir im Schrecken vor der Annäherung des Zaren und des Kaisers lebten, waren wir Rußland vollständig unterwürfig.“

    Wichtiger aber als die Gedankengänge der radikalen Opposition sind für das Geschehene die der britischen Imperialisten, welche es für richtig fanden, den persischen Stein auf dem Schachbrette zu verwenden. Man lernt ihre Vorstellungen gut aus dem Buche kennen, das Murray der Politik des ihm befreundeten Grey widmete. Murray nennt sich einen Liberalen und Radikalen, sieht aber die persischen Zustände völlig mit den Augen der russischen Regierung. „Die persische Revolution“, so schreibt er, „war angeregt und geleitet durch das Beispiel der russischen Revolution. Die Neigungen der amtlichen russischen Kreise waren instinktmäßig monarchisch und verfassungsfeindlich; dabei ist es überraschend, daß sie sich so korrekt und ehrenhaft verhielten, wie sie es taten.“ Dann hält Murray den persischen Parteien einen Sündenspiegel vor und verspottet ihre Anstrengungem im Lande Ordnung zu schaffen. Wohl gibt er zu, daß Grey die Perser in ihrem Streben, sich zu erholen, nicht unterstützt habe, faßt aber sein Urteil dahin zusammen: „Verständig, hilfreich, fest, manchmal übergewissenhaft, unveränderlich, loyal und ehrenhaft, haben die Entscheidungen des englischen Staatssekretärs des Äußeren die Lage fast immer zu einer besseren gestaltet, als sie früher war. Alles in allem ist es nicht immer Schuld der Ärzte, wenn der Kranke stirbt.“ Der Kranke ist aber besonders schlimm daran, wenn der Arzt mit den gewissenlosen Erben im Einverständnisse ist. Die Brücke zwischen London und Petersburg war geschlagen; Grey aber genoß bei den Russen um so höhere Schätzung als er in England um seiner Freunde willen angefeindet wurde.“

  2. Der Zweite Weltkrieg ist ein wunderbares Beispiel zur derzeitigen Ukraine-Krise, nur daß Putin die russisch-sprechende Bevölkerung auf der Krim und im Donetz schützen will, Hitler die damals deutsch-sprechende Bevölkerung in Polen. Putin verletzt dadurch eine gezogene Grenze wie Hitler die 1939 vom Versailler Vertrag künstlich geschaffene Grenze Polens.

    Hiter am 30. Januar 1940 im Sportpalast Berlin

    http://www.worldfuturefund.org/wffmaster/Reading/Hitler%20Speeches/Hitler%20Rede%201940.01.30.htm

    „So hat man ohne Rücksicht auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker Europa zerhackt, Europa aufgerissen, große Staaten aufgelöst, Nationen rechtlos gemacht, indem man sie zuerst wehrlos machte, und dann endlich eine Einteilung getroffen, die von vornherein Sieger und Besiegte auf dieser Welt übrigließ. Man sprach dann auch nicht mehr von Abrüstung, sondern im Gegenteil, man rüstete weiter. Denn man hat auch dann nicht etwa begonnen, nun die Konflikte friedlich zu bereinigen, sondern im Gegenteil, die gerüsteten Staaten führten Kriege genau wie zuvor. Nur die Abgerüsteten waren nicht mehr in der Lage, sich die Gewalttaten der Gerüsteten zu verbitten oder gar vom Leibe zu halten. Parallel damit kam natürlich auch nicht die wirtschaftliche Wohlfahrt, sondern im Gegenteil, ein wahnsinniges System von Reparationen führte zu einer wirtschaftlichen Verelendung nicht nur der sogenannten Besiegten, sondern auch der Sieger selber. Die Folgen dieser wirtschaftlichen Verelendung hat kein Volk mehr gespürt als das deutsche. Die allgemeine wirtschaftliche Desorganisation führte gerade bei uns zu einer Erwerbslosigkeit, an der unser deutsches Volk zugrunde zu gehen schien. Auch die Kultur hat keine Förderung erfahren, sondern im Gegenteil, sie wurde vernarrt und verzerrt. Die Religion trat ganz in den Hintergrund; in diesen 15 Jahren hat sich kein Engländer der Religion erinnert; kein Engländer sich der christlichen Barmherzigkeit oder der Nächstenliebe erinnert. Da sind die Herren nicht mit der Bibel spazierengegangen, sondern da war ihre Bibel der Vertrag von Versailles! Das waren 448 Paragraphen, die alle nur eine Belastung, eine Verpflichtung, eine Verurteilung und eine Erpressung Deutschlands oder an Deutschland darstellten. Und dieses Versailles wurde garantiert von dem neuen Völkerbund – nicht einem Bund der freien Nationen, der gleichen Nationen, überhaupt gar keinem Völkerbund – die eigentliche begründende Nation [Anm.: die USA] blieb von Anfang an ferne -, sondern einem Völkerbund, dessen einzige Aufgabe es war, dieses gemeinste Diktat, das man nicht ausgehandelt hatte, sondern das man uns einfach aufbürdete, zu garantieren und uns zu zwingen, dieses Diktat zu erfüllen.“

    Hitler hat dann als erste Amtshandlung alle Reparationszahlungen aufgekündigt, was ihn natürlich bei den Banken sehr verhaßt machte, worauf Putin bisher jedoch verzichtet hat.

    Bei der Lügerei des anglo-zionistische Westens würde ein normaler ehrlicher Deutscher regelrecht aus der Haut fahren, was jedoch sehr unklug wäre. In Putin hat jedoch der eiskalte anglo-zionistische Westen einen ebenbürtigen Gegner gefunden, der sich durch deren Provokationen nicht voreilig zu unvorsichtigen Handlungen – wie üblicherweise die Deutschen im 20. Jahrhundert – hinreißen läßt.

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