Das EU-Diktat (II)

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Kapitel II: Zum Lob des Kleinstaates

Teil 2: (Teil 1 hier)

Dabei ist hervorzuheben, dass bei einer gewissen Höchstgrenze der Größe eines Staates dieses Problem nicht auftritt. Die zahlreichen Beispiele des deutschen Föderalismus zeigen, dass im kleineren Rahmen der notwendige oder erwünschte strukturelle Ausgleich sozusagen mit Bordmitteln bewerkstelligt werden kann, das heißt, im Rahmen der staatlichen Struktur- und Wirtschaftspolitik und mit den Ressourcen des ordentlichen Haushalts, nicht mit Sondermitteln, die per Transfer teuer umgeleitet werden müssen und lediglich die eine Wirkung haben, dass die Begünstig-ten keinen Anreiz zu mehr Leistung verspüren und sich an das geschenkte Geld gewöhnen. Ähnlich-keiten mit den Misserfolgen der Entwicklungspolitik wären nicht zufällig.

Dabei ist zu unterscheiden zwischen einem allzu großen politischen Konglomerat und der Möglichkeit der Einzelstaaten, selbständig mit anderen zusam-menzuarbeiten. Die Vorzüge der Zollfreiheit etwa, die man heute in der EU genießt, sind nicht abhängig von Brüssel; derlei hat es schon vorher gegeben, so im Deutschen Bund des 19. Jahrhunderts. Im Jahre 1834 trat der Zollverein in Kraft und bewirkte Zoll- und Handelsfreiheit unter den deutschen Ländern, die dabei souverän blieben und keiner völlig über-flüssigen Zentralbehörde unterstellt wurden. Das Ergebnis war ein großer Binnenmarkt mit allen wirtschaftlichen Freiheiten. Politische Folge aller-dings war die von Bismarck erzwungene, katastrophenträchtige Reichsgründung, die peinlich an die heutige Lage erinnert: Auch jetzt soll ein Reich gegründet werden, auf dem kein Segen liegen kann. Was aber die derzeitige Reisefreiheit angeht, so ist sie keineswegs eine Errungenschaft der EU, sondern von dieser nur usurpiert. Das Schengen-Abkommen nämlich ist entstanden auf dem Wege einer multinationalen Vereinbarung, wie es sie schon lange vor dem EU-Monopol-Anspruch gegeben hat, eine klassische Einrichtung, womit man auch andere Dinge ganz ohne Brüssel geregelt hat, etwa den Bau des Airbus.

Das überschaubare Österreich hat, nebenbei bemerkt, Deutschland beim Pro-Kopf-Wohlstand schon seit einiger Zeit überrundet. An der Größe des Landes kann das nicht liegen. Wenn also ökonomische Gründe nicht für einen großen oder allzu großen Staat sprechen, welche sind es dann?

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Die Ansprüche an die nationale Sicherheit, so könnte man einwenden, verlangen, dass der Staat groß sei, denn je größer, umso besser könne er seine Bürger schützen. Das ist nur bedingt richtig, wobei wiederum ein Blick auf die Schweiz sehr lehrreich ist. Auch hat in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg die Bedrohung durch die Sowjetunion mehr zur Stabilität in Westeuropa beigetragen als EWG, EG und EU. Immerhin waren Frankreichs taktische Atomwaffen 40 Jahre lang auf westdeutsches Territorium gerichtet.

Dass Große stärker sind als Kleine, steht gleichwohl außer Frage. Doch die Kleinen können sich zusammenschließen und den Großen besiegen. Das klassische Griechenland war ein Musterbeispiel für kulturellen Höhenflug und politische Zerrissenheit und Streitsucht, aber auch für die Freiheit der Bürger. Als aber Persien sich daranmachte, seine Armeen nach Europa zu schicken, taten sich die griechischen Streithähne zusammen und besiegten ein Weltreich. Auf den Katalaunischen Feldern, bei Lepanto oder vor Wien war es vergleichbar. Und immer siegte eine heterogene Minderheit gegen den monolithischen Klotz. Auch die Erfahrungen aus jüngerer Zeit mit asymmetrischer Kriegsführung sowie die Niederlagen der USA in Vietnam und der UdSSR in Afghanistan relativieren die militärische Bedeutung der reinen Masse. Was also die Verteidigungs-fähigkeit angeht, so gibt es andere und bessere Möglichkeiten als die Schaffung von Großreichen. Wie so etwas in der Moderne aussehen kann, hat jahrzehntelang die NATO gezeigt, bis sie nach dem Kalten Krieg die Ausschließlichkeit ihrer Verteidigungsstrategie ablegte. Denn anders verhält es sich natürlich, wenn es um ein Aggressions-potential geht. Hier gilt die Regel: Eine Großmacht ist dadurch gekennzeichnet, dass sie imstande ist, über ihr Einflussgebiet hinaus militärisch zu agieren. Wer das im globalen Maßstab kann, ist eine Weltmacht. Bemerkenswert ist alleine schon, dass die Begrifflichkeit einer Großmacht rein militärisch festgelegt ist, allerdings entspricht das auch der allgemeinen Erfahrung.

Florian Stumfall

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