Das EU-Diktat (I)

Printausgabe

Kapitel II: Zum Lob des Kleinstaates

Teil 1:

„Außerdem gibt es ein bestimmtes
Maß für die Größe eines Staates.“ (Aristoteles)

Hätte der Architekt des Turmes von Babel in dem Augenblick, als das Scheitern des Baus abzusehen war, verlangt, man solle ihn aufstocken, wäre er schnellstens abberufen worden. Dennoch machen die meisten Politiker in der EU nichts anderes:

In der voll entbrannten Euro-Krise rufen sie nach „mehr Europa“, wobei diesmal nicht eine neue Erweiterung, sondern eine zusätzliche Kompetenzverlagerung nach Brüssel gemeint ist. Dabei fehlt immer noch, was die EU seit ihrem Anbeginn schuldig ist: eine klare Festlegung, wo die geographischen und staatsrechtlichen Grenzen der Gemeinschaft liegen.

Zweierlei aber ist klar: Die Tendenz geht hin zur Zentralisierung, die bereits vor der Eurokrise eine stetige Zunahme Brüsseler Zuständigkeiten mit sich gebracht hat; das andere aber ist der Wille, möglichst viele Länder unter dem Banner der EU zu vereinen. Dieser Wille entspricht einem aus der Geschichte wohlbekannten Phänomen: dem Drang zur Großmacht. Dieser Drang hat verschiedene, aber durchwegs ephemere Weltreiche hervorgebracht: in der Antike Persien und Rom, im Mittelalter die Reiche des Dschingis Khan und des Timur Leng, in der Neuzeit das Osmanische Reich, das koloniale Spanien und das britische Empire. Aus der langen Liste der umgehend gescheiterten Versuche stechen die Kriege Napoleons und Hitlers hervor.

Wenn also die EU alle Anzeichen des Großmachtstrebens aufweist, so ist das historisch keine neue Erscheinung. Neu ist hingegen die Methodik, womit dies geschieht. Waren es früher durchwegs Kriege, die der Megalomanie dienten, so ist es heute eine Art gelenkter Freiwilligkeit, die als Mittel die Geheimdiplomatie, den wirtschaftlichen Druck, die Macht einer geführten Medienwelt und vor allem den psychologischen Zwang gebraucht, der aus der Angst breiter Bevölkerungsschichten resultiert, das Scheitern der Entwicklung zur Großmacht wäre eine Katastrophe. Es tut daher not zu untersuchen, welche Vorteile eine Großmacht gegenüber einem Kleinstaat den Bürgern bietet. Da steht an erster Stelle die Behauptung, die Notwendigkeit, global wettbewerbs-fähig zu sein, sei vor allem für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie die deutsche, gleichbedeutend mit dem Zwang zur großen politischen Einheit. Ohne EU, so lautet die einfache Gleichung, kein Handel, vor allem kein Welthandel. Doch schon der erste Augenschein widerlegt diese Behauptung.

Deutschland war bereits vor der derzeitigen Zentralisierung unter Brüssel Exportweltmeister und vor allem schon vor der Einführung des Euro. Auch die beliebte Behauptung, niemand habe vom Euro so stark profitiert, ist falsch. Die Entwicklung der Ausfuhren in den Nicht-Euro-Raum ist seit Jahren signifikant besser als diejenige in den Euro- Raum.

Insgesamt liegt bei den Importeuren deutscher Erzeugnisse Frankreich auf Platz eins. Doch dann folgen die USA, die kein Mitglied des Euro-Raumes sind. Schon an 5. Stelle liegt China, das mehr aus Deutschland importiert als etwa Italien oder Spanien. Der Erfolg des Exportes kann also nicht daran liegen, ob ein Land zum Euro gehört oder nicht. Auch die Größe eines Landes spielt nicht unbedingt eine entscheidende Rolle. So importiert die kleine Schweiz mehr als beispielsweise Spanien oder Polen. Nimmt man die Exporte aus Bayern, so ergibt sich folgendes Bild: an erster Stelle stehen die USA, gefolgt von China. An dritter Stelle kommt das vergleichsweise kleine Österreich. Wiederum dasselbe Bild: Weder die Größe des Landes noch die Zugehörigkeit zum Euro-Raum müssen für den Handel eine Rolle spielen.

Kein Amerikaner kauft einen Mercedes, weil ihm die EU-Kommission so sympathisch ist, sondern weil ihm das Auto gefällt. Und wenn sich Oberbayern um internationale Investitionen bemüht, so erfährt es von dem Großraum Mailand keine EU-nachbarliche Unterstützung, sondern erbitterten Wettbewerb. Denn Firmen konkurrieren miteinander – teilweise auch mittelständische im Weltmaßstab – und Regionen, nicht aber Kontinente.

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Für die Unerheblichkeit der Größe eines Wirtschafts-raumes spricht auch der eindrucksvolle Erfolg der asiatischen Tiger-Staaten. Spielten Euro und Staats-Größe für die wirtschaftliche Wohlfahrt tatsächlich eine entscheidende Rolle, so wäre der Erfolg von Korea, dem Sonder-Raum Hongkong oder von Singapur nicht zu erklären. Tatsächlich nämlich sind es unternehmerische Freiheit, technische und wirtschaftliche Kenntnisse, Finanzausstattung, Infra-struktur, Bildungsstand und Leistungsbereitschaft, die den wirtschaftlichen Erfolg begründen, nicht eine Gemeinschaftswährung oder eine zentrale Bürokratie. Die hindert mehr als sie nutzt. Es scheint daher richtig zu sagen, dass Deutschland seinen öko-nomischen Standard trotz Brüssel bislang hat behalten können, nicht wegen der dortigen Bürokraten. Denn die Vereinheitlichung mindert den Wettbewerb und damit die Leistungsfähigkeit. Große zentrale Einheiten führen zu Minimalisierung und Leistungs-abfall, es herrscht das Geleitzug-Prinzip.

Jener deutsche Standard führt freilich gegenüber schwächeren Ländern zu Disparitäten, die indes keine Besonderheit der EU sind, sondern in allen staatlichen Konglomeraten auftreten, die eine gewisse Größe überschreiten. Daher stellt sich in allen großen und mit Sicherheit in allen zu großen Staaten das Problem, wie man die unterschiedlichen Lebens-verhältnisse in den verschiedenen Landesteilen einander angleichen könne.

Es ist kaum ein größerer Unterschied in Entwicklung und Wohlstand denkbar als derjenige zwischen der kantonesischen Küste und China und der Mandschurei, oder, in Südafrika, zwischen dem Kapland und Nordtransvaal. In Deutschland gibt es, um die Unterschiede zu min-dern, den Länderfinanzausgleich. Er bestraft die Tüchtigen und belohnt diejenigen, die über ihre Verhältnisse leben. Trotz vieler politischer Versuche und trotz einschlägiger höchstrichterlicher Sprüche bleibt das auch so. Mehr noch. Die Euro-Krise bringt es mit sich, dass – gegen Recht und Gesetz – in der gesamten EU ein analoges System eingerichtet wird, das einen gewaltigen Geldtransfer organisiert, weg von denen, die die Werte hervorgebracht haben, hin zu denen, die sie konsumieren. Man sieht also: Große politische Einheiten führen zu kostspieligen, ungerechten und unsinnigen Umverteilungsmechanismen.

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