Das Atomabkommen mit dem Iran

Ein »Muskelaufbauprogramm« für die EU (politonline)

Einem Bericht von »German Foreign Policy« zufolge dringen

deutsche Außenpolitiker und Regierungsberater auf neue Bemühungen Berlins und der EU um die Bewahrung des Atomabkommens mit dem Iran. Zum einen könnten, wie Fachleute erklären, erneut Millionen von Flüchtlingen nach Europa streben, sollte der Iran von Unruhen oder gar von einem Krieg erschüttert werden. Zum anderen stehe, heißt es, die Fähigkeit zur eigenständigen EU-Weltmachtpolitik auf dem Spiel: Wenn Brüssel sein Streben nach einer strategischen Autonomieernst meine, müsse es die dazu notwendigen Instrumente schaffen, verlangt die Stiftung Wissenschaft und Politik‹ ›SWP. Dazu biete sich der Konflikt um das Nuklearabkommen mit Teheran an. Führende Politiker von CSU und Grünen fordern den Außenminister der BRD, Heiko Maas, einhellig dazu auf, nach Teheran zu reisen: »Deutschland muß mit lauterer Stimme sprechen«, erklärt der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Experten sind allerdings skeptisch: Denn ein Schwenk Berlins sowie der EU hin zur Beteiligung an den US-Aggressionen gilt, sollte Brüssel im Machtkampf gegen Washington den Kürzeren ziehen, als jederzeit vorstellbar.

Der Iran hat unterdessen scharfe Kritik am US-Wirtschaftskrieg gegen das Land geübt. Sollte die US-Administration, wie Präsident Donald Trump am Wochenende 11./12. behauptet hat, ernsthaft mit Teheran verhandeln wollen, müsse sie – wie dies der Iran bislang getan hat – das Nuklearabkommen mit dem Land einhalten, so die Forderung von Irans Präsidenten Hassan Rohani. Dazu ist Washington jedoch nicht bereit.

Über die Ziele, die die Trump-Administration mit ihrer Aggressionspolitik verfolgt, bestehen keine Zweifel. »Die Amerikaner wollen einen Regimekollaps im Iran herbeiführen«, urteilt beispielsweise Volker Perthes, Direktor der Stiftung SWP und ausgezeichneter Kenner des Nahen und Mittleren Ostens. Erfahrungen mit früheren derartigen Versuchen gibt es im Irak und in Libyen, wo der Sturz bestehender Regierungen gelang, sowie in Syrien, wo sich die Regierung jedoch im Amt halten konnte. Die katastrophalen Folgen in allen drei Ländern sind bekannt. Iran wäre in dieser Reihe das vierte Land. Wie andere Experten hält Perthes Washingtons Pläne für eine sehr gefährliche Strategie und darüber hinaus für eine, die aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Erfolg verspricht. »Denn wenn es etwa zu Brotunruhen käme, würden die Sicherheitskräfte der Islamischen Republik stark genug sein«, um sie »in den Griff zu bekommen«, urteilt Perthes. Zu rechnen sei in diesem Fall mit einer weiteren Verhärtung des Systems.

Bei einer weiteren Steigerung der Aggressionen gegen den Iran droht die EU auch anderweitig unter Druck zu geraten. So hat Präsident Hassan Rohani ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Iran erhebliche Anstrengungen unternimmt, den Drogenschmuggel etwa aus Afghanistan in die EU zu verhindern. Gerät das Land stärker unter Druck, wird der Iran diese Priorität kaum beibehalten. Außerdem ist nicht damit zu rechnen, dass Teheran der EU dann weiterhin den Gefallen täte, Flüchtlinge aus Afghanistan an der Weiterreise nach Europa zu hindern, wofür sich Berlin und Brüssel in der Vergangenheit stark gemacht hatten. Gegenwärtig halten sich Schätzungen zufolge 3 Millionen afghanische Flüchtlinge im Iran auf. Dass sie im Land bleiben wollen, wenn sich die Krise zuspitzt und es möglicherweise sogar zum Krieg kommt, kann bezweifelt werden.

Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) bei der Europawahl, Manfred Weber, verlangte bereits am 9. Mai, Brüssel müsse umgehend »Gespräche mit unseren iranischen Freunden starten, weil wir keine Eskalation irgendeiner Art wollen«. In Think Tanks sind konkrete Vorschläge laut geworden, die darauf abzielen, Teheran mit wirtschaftlichen Zugeständnissen zur Einhaltung des Atomvertrags zu bewegen. So heißt es beim European Council on Foreign Relations ECFR, man könne es dem Iran zumindest gestatten, seine in der EU eingefrorenen Guthaben ins Land zu holen.

Die SWPwiederum schlägt vor, auch eindeutige Signale nach Washington zu senden: Brüssel müsse »deutlich machen, dass Militärschläge gegen den Iran unter den gegebenen Umständen keine europäische Unterstützung erfahren werden, auch durch die NATO nicht«. So müsse man »ausschließen, dass amerikanische Stützpunkte in Europa für Angriffe genutzt werden können«. Gleichzeitig müsse die EU »beginnen, Instrumente zu schaffen, die sie langfristig gegen extraterritoriale Sanktionen schützen«. Ein solcher Schritt sei ohnehin nötig, wenn das Streben nach einer strategischen Autonomie Europas ernst gemeint ist: Es gehe um die außenpolitische Handlungsfähigkeit Europas. Der Gedanke findet Zustimmung bei Leitmedien-Kommentatoren, die eng mit den außenpolitischen Apparaten vernetzt sind. So schreibt etwa Stefan Kornelius, Ex-Beiratsmitglied der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, in der Süddeutschen Zeitung, die EU benötige, wolle sie sich »vor der Willkür Teherans wie auch Washingtons schützen, ein Muskelaufbauprogramm: Es fehlt bislang eine glaubwürdige Strategie zur Abschreckung oder gar zum Gegenschlag – dies im Finanzsektor, mit Hilfe von Handelssanktionen, am Ende auch militärisch«. Gefragt sei »eine unabhängige europäische Finanzarchitektur mit einem starken Bankensektor«.





Die transatlantische Option

Dabei gilt es auch im Establishment als zumindest unklar, ob Berlin und Brüssel ihr Streben nach einer eigenständigen Weltmachtpolitik gegen Washington durchsetzen können. Alternativ käme eine Beteiligung an der US-Aggressionspolitik in Betracht, um deutsch-europäische Interessen wie bisher an der Seite Washingtons zu realisieren. Die Regierungen der EU-Mächte könnten »versucht sein, der US-Pressionskampagne gegen den Iran beizutreten«, vermutet etwa der ECFR. Er nennt dies zwar »einen gefährlich törichten Schritt«, was transatlantische Aggressionen gegen den Iran allerdings nicht ausschließt. [1]

Anmerkung politonline d.a.

Zur Erinnerung: »Deutsche Politikberater verlangten im Januar 2012 einen Schulterschluß des Westens zugunsten möglicher Militärschläge gegen den Iran. Der Versuch, im sogenannten Nuklearkonflikt mit Teheran diplomatische Lösungen zu fördern, gehe schon lange an den Realitäten vorbei, behauptete ein Beitrag in der Zeitschrift Internationale Politik, dem einflußreichsten Medium des außenpolitischen Establishments in der BRD. Die iranische Bedrohung entziehe sich der Logik traditioneller Politik; sie ähnle klassischen griechischen Tragödien, die in der Regel in einem Gemetzel endeten. Berlin dürfe sich Militärschlägen nicht verweigern und müsse die Bevölkerung auf mögliche Folgen, etwa Attentate gegen Ziele in Europa oder höhere Benzinpreise, vorbereiten. Diese Forderungen richteten sich ausdrücklich gegen eine zweite Fraktion der Berliner Außenpolitik, die den deutschen Interessen mit kooperativen Einflußmitteln wie Wandel durch Annäherung besser zu dienen meinte«. [2]

Zu der Ankündigung Teherans, nuklear betriebene U-Boote zu bauen, vermerkte ein ehemaliger Leiter des Planungsstabes im Bundesverteidigungsministerium im Juli 2012: Beginne Iran mit der dafür notwendigen Hochanreicherung, dann sei mit einer Intervention Israels und wohl auch der USA zu rechnen. Derlei Kriegsszenarien seien höchst riskant und auf lange Sicht dazu geeignet, die Interessen des Westens dramatisch zu schädigen, lautete das Urteil eines Regierungsberaters von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Dem Iran sei die Fähigkeit, die Atombombe zu bauen, auf Dauer allenfalls mit regelmäßigen Bombardierungen zu nehmen. Hingegen waren in den Vereinigten Staaten Stimmen laut geworden, die forderten, eine iranische Atombombe zu tolerieren. Nukleare Waffen hätten bislang immer Stabilität gebracht, behauptete ein Autor der renommierten US-Zeitschrift Foreign Affairs. [3]

Diesen März hatte die US-Regierung weitere Sanktionen gegen den Iran verhängt; das Finanzministerium setzte am 22. März 31 Personen und Firmen mit Verbindung zur iranischen Organisation für Verteidigung, Innovation und Forschung, auf persisch SPNDabgekürzt, auf eine Sanktionsliste. Zur Begründung hiess es, die Betroffenen hätten die Bemühungen der iranischen Führung um eine Aufrüstung mit nuklearen Waffen unterstützt. Ihre Vermögen in den Vereinigten Staaten werden eingefroren und Geschäfte mit ihnen werden untersagt. Laut US-Finanzminister Steven Mnuchin übten die USA weiterhin maximalen Druck auf das iranische Regime aus, um dieses von der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen abzuhalten. Jedem, der Geschäfte mit dem iranischen Verteidigungssektor insgesamt und der Organisation SPNDim besonderen tätige, drohten Konsequenzen. [4]

Indessen schrieb auch Jason Ditz am 12. Mai, dass der Iran keinen Krieg mit den USA erwartet; Washington wolle einen psychologischen Krieg und keinen militärischen Konflikt. Nach einer Klausursitzung mit Abgeordneten sagte der Vorsitzende des iranischen Nationalen Sicherheitsausschusses, Heshmatollah Falahatpisheh, gegenüber den staatlichen Medien, dass die Analysten trotz der jüngsten US-Aufmärsche in der Region keinen Krieg mit den Vereinigten Staaten von Amerika erwarten. Dies hatte ihm der Befehlshaber der Revolutionsgarde, General Hossein Salami, mitgeteilt. Dieser hat die Idee eines Angriffs der Vereinigten Staaten zurückgewiesen und erklärt, dass ein US-Militärangriff im Moment fast unmöglich sei und dass die jüngsten Verlegungen keine echte Bedrohung darstellten. Salami betonte die defensive Seite der Vorbereitungen des Irans und sagte, das Land sei bestens vorbereitet, tätigten die Amerikaner gegen sie einen Zug. Er fügte hinzu, dass die Anwesenheit von mehr US-Schiffen in unmittelbarer Nähe, wenn überhaupt, die Fähigkeit des Irans zur Vergeltung eines amerikanischen Angriffs erhöhen würde. [5]

[1] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7935/   13. 5. 19
Ein Muskelaufbauprogramm für die EU

[2] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58235  9. 1. 12
Ende im Gemetzel

[3] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58365   4. 7. 12
Die Präventivkriegslogik

[4] https://www.faz.net/aktuell/politik/trumps-praesidentschaft/amerika-verhaengt-weitere-sanktionen-gegen-iran-16103180.html   22. 3. 19

[5] http://antikrieg.com/aktuell/2019_05_13_iran.htm   12. 5. 19
Iran erwartet keinen Krieg mit den USA – Jason Ditz

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6 Kommentare

  1. Wenn ich nicht genau wüßte, daß das alles nur Unterhaltungsprogramm zur Verschreckung der Massen ist … ich müßte mich direkt um meine Zukunft sorgen …

    • Hoffentlich wird aus diesen ganzen "Unterhaltungsprogrammen" nicht mal Ernst. Da braucht nur einer mal richtig die Nerven verlieren dann rumpelt`s. Für mich sind die alle verrückt geworden.

      •  Angsthase.
         freilich sind die alle verrückt, im wahrsten Sinne des Wortes. Die stehen wirklich neben sich! Aber doch nicht so weit, daß sie nicht wüßten, was sie tun! Es könnte auf sie selbst zurückfallen! Und somit nimmt dieses Theater immer einen Ausgang, der die Hauptrollen unversehrt zurückläßt! 🙂

        • Also bei unseren Kasperle-Akteuren bin ich mir da nicht so ganz sicher, ob die wirklich alle wissen, was sie tun. Irgendwann rauscht das ganze Kartenhaus zusammen, dann will es keiner gewesen sein.

            • Nein, natürlich nicht. Ich meinte das ja auch allgemein. Sie wollen überall mit den großen Hunden pinkeln gehen, können aber das Bein nicht heben. Zum Glück haben die keinen roten Knopf.

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