Corona: NZZ deckt das Nachplappern anderer Medien auf

Urs P. Gasche (infosperber)

Grosse Medien verschweigen, dass sie sich bei Covid-19-Zahlen auf intransparente Daten stützen. Das hat die NZZ aufgedeckt.

Diesmal geht es um die Zahlen und Anteile der Corona-Erkrankten, die wieder gesund wurden. Viele Medien stützen sich dabei auf Zahlen der privaten Johns-Hopkins-Universität in den USA oder auf das deutsche Robert Koch-Institut. Zeitungen des Tamedia-Konzerns wie «Tages-Anzeiger» oder «Der Bund» veröffentlichen eigene Berechnungen.

Die NZZ hat heute Donnerstag aufgedeckt, dass alle diese Quellen eines gemeinsam haben: Sie geben der Öffentlichkeit nicht bekannt, wie genau sie zu ihren Zahlen der Genesenen kommen. «Geheimniskrämerei statt Transparenz» kritisiert die NZZ. Tatsächlich stützen sich Behörden und Wissenschaftler bei ihren Einschätzungen der Pandemie-Entwicklung unter anderem auch auf die Zahlen der Genesenen.

Von seriösen Medien wäre deshalb zu erwarten, dass sie bei der Weiterverbreitung der Genesenen-Zahlen darauf aufmerksam machen und darüber informieren, dass über das Zustandekommen dieser Zahlen keine Transparenz herrscht und sie weder nachgeprüft noch mit anderen Quellen verglichen werden können.

Die Recherchen der NZZ

In Deutschland verbreiten die meisten Medien die Zahlen des Robert Koch-Instituts RKI weiter. Doch das RKI wollte die genaue Berechnungsmethode und deren wissenschaftliche Grundlage der NZZ nicht bekanntgeben. Die NZZ erhielt nur Angaben über die «grobe Vorgehensweise». RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher zur NZZ: «Formeln können wir hier nicht anbieten». Das macht es anderen Wissenschaftlern unmöglich, Methodik und Datengrundlage des RKI zu überprüfen, einzuschätzen und falls nötig zu verbessern.

Für Zahlen aus der Schweiz stütze sich die Johns-Hopkins-Universität nach deren Angaben auf Zahlen des Online-Dashboards der Tamedia-Zeitungen. Zuerst habe das Dashboard seine Berechnungsformel online veröffentlicht, dann aber wieder entfernt, bemängelt die NZZ. Auf Anfrage der NZZ meinten die Tamedia-Verantwortlichen, man gehe von folgenden Annahmen aus: 80 Prozent der Corona-Infizierten seien leichte Fälle, die nach zwölf Tagen wieder gesund seien. Die restlichen 20 Prozent seien schwere Fälle, die nach drei Wochen wieder gesund seien. So berechne Tamedia dann das Total der Genesenen. Diese rudimentären und gewagten Annahmen machen die Tamedia-Zeitungen ihrer Leserschaft nicht (mehr) transparent.

Transparente Berechnung der NZZ

Für die Schweiz hat die NZZ jetzt den obigen Trend berechnet und grafisch dargestellt. Die Zeitung geht von folgenden Annahmen aus:

75 Prozent der Patienten, die das Virus überleben, sind nach 14 Tagen wieder gesund;

10 Prozent der Patienten, die das Virus überleben, sind nach 21 Tagen wieder gesund;

10 Prozent der Patienten, die das Virus überleben, sind nach 28 Tagen wieder gesund;

5 Prozent der Patienten, die das Virus überleben, sind nach 42 Tagen wieder gesund.

Das Modell der NZZ sei vielleicht nicht besser als die anderen Modelle, räumt die NZZ ein. Dafür sei die Datenlage zu schlecht und die Krankheit noch zu wenig erforscht. Aber im Unterschied zu anderen informiert die NZZ darüber, wie sie vorgeht, was sie weiss und was nicht: «Eine Veröffentlichung des Prozesses und der Formel ermöglicht es den Leserinnen und Lesern, das Modell zu überprüfen und Verbesserungsvorschläge anzubringen.»

  • Die detaillierten Angaben zu den Berechnungen der NZZ sind hier auf NZZ-online zu finden.

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