Agrarmultis erhalten aus Steueroasen überdurchschnittlich viel Kapital für Investitionen in der Amazonasregion. Brasilianische Minister profitieren privat
von Mario Schenk (amerika21)
Belém/George Town. Für Investitionen in die Landwirtschaft im Amazonasraum haben internationale Agrarkonzerne im vergangenen Jahrzehnt rund 18,4 Milliarden US-Dollar aus Steuerparadiesen erhalten. Wie die Zeitung Folha de São Paulo berichtet, stammen die Investitionen in Viezucht, Sojaanbau und Fischfang aus Steueroasen wie den Caimaninseln, Panama oder den Bahamas. Häufig stehen damit Rodungen im Zusammenhang.
Die Enthüllungen stammen aus einer Studie, die die Finanzströme zwischen Steuerparadiesen und Agrarkonzernen, die im Amazonas aktiv sind, ausgewertet hat. „Theoretisch könnten wir beweisen, dass diese Investitionen zu Rodungen geführt haben“, so Studienleiter Victor Galaz. „Aber dafür bräuchten wir mehr Finanzdaten, zu denen wir aber keinen Zugang bekommen. Unter anderem deshalb nicht, weil die Beziehungen mit den Steuerparadiesen den Grad des Finanzgeheimnisses erhöhen“, wird Galaz in der Folha zitiert.
Aus diesem Grund lassen sich in der Mehrheit der untersuchten Fälle keine direkten Rückschlüsse zwischen kriminellen wirtschaftlichen Aktivitäten oder Umweltverbrechen und der Verbindung in die Steuerparadiese nachweisen, so das Ergebnis der Studie. Aber gerade der laxe Umgang mit Finanzfonds in diesen Ländern kann neben Steuerhinterziehung zu fehlender Transparenz und Kontrolle über die wirtschaftlichen Aktivitäten führen, in die investiert werde.
Das Forscherteam von der Universität Stockholm griff für die Studie auf Daten internationaler Finanzbehörden und der brasilianischen Zentralbank aus den Jahren 2000 bis 2011 zurück. Spätere Daten unterlagen aufgrund einer neuen gesetzlichen Regelung der Geheimhaltung. Steuerparadiese zeichnen sich insbesondere durch eine symbolische oder inexistente Kapitalbesteuerung und fehlende Finanztransparenz aus.
Die Gruppe untersuchte Informationen zu den neun internationalen Agrarkonzernen Bertin, JBS, Marfrig, Minerva aus dem Fleischsektor sowie die Unternehmen Bunge, Cargill, Archer Daniels Midland, Amaggi und Louis Dreyfus aus dem Sojasektor. Die erste Gruppe ist für circa 33 Prozent der brasilianischen Viehschlachtung verantwortlich, auf die zweite Gruppe entfallen etwa 50 Prozent der nationalen Verarbeitung von Soja.
„Zwischen Oktober 2000 und August 2011 wurden 68 Prozent des gesamten untersuchten ausländischen Kapitals an die neun Schwerpunktunternehmen im Soja- und Rindfleischsektor im brasilianischen Amazonasgebiet über einen oder mehrere bekannte Steuerparadiese transferiert. Dies entspricht bei einigen untersuchten Unternehmen 90-100 Prozent des ausländischen Kapitals“, heißt es im Vorwort der Studie vom August dieses Jahres.
Insgesamt erhielten die Unternehmen aus dem Ausland 26,9 Milliarden Dollar. Rund 70 Prozent davon, also 18,4 Milliarden Dollar, stammten aus den karibischen Steueroasen. Dabei machen die brasilianischen Agrarunternehmen mit 38 Prozent der Großteil der Empfänger aus.
Immer wieder geraten Politiker rechtskonservativer Parteien durch Ermittlungen und Verfahren wegen Verstößen gegen Umweltauflagen in die Schlagzeilen. Im August 2016 hatte die Staatsanwaltschaft des nördlichen Bundesstaates Pará bekannt gegeben, dass sie Ermittlungen gegen den Landwirtschaftskonzern von Agrarminister Maggi, Amaggi, aufgenommen hat. Dieser war in einen großen Fall illegaler Rodung von Amazonasregenwald involviert gewesen. Zwischen 2012 und 2015 waren insgesamt 300 Quadratkilometer Regenwald zerstört, mehr als 500 Millionen Euro waren bewegt worden. Zusammen mit dem auf Rindfleisch-Verarbeitung spezialisierten Lebensmittelkonzern JBS habe Amaggi einem Mittelsmann 2,7 Millionen Euro überwiesen. Die Regenwaldflächen seien zum Zweck der Rinderzucht gerodet worden.
Erst Ende Juli 2016 hatte Maggi als neuer Landwirtschaftsminister mit den USA eine drastische Erhöhung brasilianischer Rindfleisch-Exporte in die USA vereinbart. Auf einen Gesamtwert von rund 900 Millionen Dollar sollen die Exporte zukünftig ansteigen, was einer Vervierfachung der bisherigen Quote entspricht.
Im Kontext der aktuellen Ergebnisse zu den Verwicklungen zwischen Agrarmultis und Investitionen aus Steuerparadiesen verkündete der Amaggi-Konzern, dass seine Operationen stets der nationalen Gesetzgebung unterliegen und „in Abstimmung mit den höchsten Nachhaltigkeitskriterien erfolgen.“ Auch der Minerva-Konzern bekräftigte seine Verpflichtung gegenüber nachhaltiger Viehwirtschaft. Er beziehe nur Rind, dass zu 100 Prozent von Betrieben aus dem Amazonas stamme, die überwacht würden.
Der Soja-Konzern Bunge erklärte in einer Mitteilung, „dass es unser Ziel ist, nachhaltige Versorgungsketten zu entwickeln, die ohne Rodung auskommen“. Der Konzern bekräftigte seine Selbstverpflichtung im Rahmen des Soja-Moratoriums für den Amazonas, kein Soja aus kürzlich entwaldeten Feldern zu beziehen. Auch die Soja-Multis Louis Dreyfus und Cargill verwiesen auf ihre Mitgliedschaft im besagten Moratorium und ihr Bemühen, Gefährdungen für das Klima verringern zu wollen.
Erst im Mai waren Bunge und Cargill wegen Bezugs von illegal angebautem Soja von der brasilianischen Umweltbehörde IBAMA zu Strafen von 1,87 Millionen (400.000 Euro), beziehunsgweise 50 Millionen Reais, (11 Millionen Euro) verurteilt worden.
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