Belsazar 2021

von Wilfried Schuler

 

Mene, mene, tekel, upharsin

So schrieb die flammende Hand an die Wand des Königspalastes in Babylon.

Gezählt, gezählt, gewogen, geteilt.

Belsazar im März 2021

Die Mitternacht zog näher schon

In stiller Ruh lag Hamburg Horn

Nur oben in des Springers Schloss

Da feierte des Reichelts Tross

Dort oben in der Friede Saal

Der Reichelt hielt sein Königsmahl

Die Schreiber saßen in langen Reihn

Und soffen giftige Tinte fein

Es tönten die Parolen, es jauchzten die Knecht

Das klang dem hochmütigen Reichelt recht

Des Reichelts Wangen leuchteten Glut

Aus seinen Sprüchen erwuchs ihm Mut

Und blindlings reißt der Wahn ihn fort

Und er höhnt der Wahrheit mit frevelndem Wort

 

Und er brüstet sich frech und lästert wild

Die tumbe Horde ihm Beifall brüllt

Der Reichelt befiehlt mit stolzem Blick

Der Praktikant eilt und kehrt zurück

Er trug viel bleiern Gerät auf dem Haupt

Das war aus dem Tempel des Gensfleisch geraubt

Und der Reichelt ergriff mit frevelnder Hand

Den heiligen Setzkasten gefüllt bis zum Rand

Und er wirft die Lettern quer durch den Saal

Die Wahrheit Gensfleisch, das war einmal

Der Mammon ist unserer Schreiber Lohn

Wir spotten der Wahrheit, wer braucht sie schon

Doch kaum das lästernde Wort verklang

Dem Reichelt ward´s heimlich im Busen bang

Das gellende Lachen verstummte zumal

Es wurde leichenstill im Saal

Und sieh! Und sieh! Dort an der Wand

Da kam hervor des Gensfleischs´s Hand

Johannes schrieb und schrieb an weißer Wand

Lettern von Feuer und schrieb und verschwand

Der Reichelt stieren Blickes maß

Die Bilanz an der Wand, ward totenblass

Die Knechteschar saß kalt durchgraut

Und saß gar still, gab keinen Laut

Die Buchhalter kamen, doch keiner verstand

Zu deuten den Bankrott, gebrannt in die Wand

Der Reichelt aber ward in selbiger Nacht

Vom Aufsichtsrat um seinen Job gebracht.

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Belsazar 2021
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7 Kommentare

    •  Klar macht der mit!  Eine Regierung, eine Religion!  Möchte wohl gerne auf dem Tempelberg residieren!  Ein jeder macht aus Prophezeihung, was er möchte!

  1. Sehr schön Wilfried!
    Ist das jetzt Heinrich Heine wie von David erwähnt, oder umgedichtet/ergänzt?

    Bin paarmal den Heinrich Heine Weg von Ilsenburg zum Brocken gelaufen…oben trohnt dann der Goethe. Die Sprache kommt mir irgendwie bekannt vor…die Bücher muß i gestehen, hab i allerdings net alle gelesen. Kann man ja noch nachholen!
    Klingt jedenfalls sehr…vertraut. Ansprechend.

  2.  Ja nun!  Der Herr Reichelt, wie will man ihm beikommen, wenn er es wagt, Kanzlerin dermaßen in Frage zu stellen, zumal als Chefredakteur?  Hatte sich da wohl seinen "Lohn",  politisch betrachtet, eben nicht verdient!

     Aber, sehr schöne Adaption!  Mal was anderes!    🙂

  3. Tolle Neudichtung, Herr Schuler, ich kann Ihnen nur ein ganz großes Kompliment machen!

    (Und es ist die Gelegenheit, mal wieder Heinrich Heine zu lesen!)

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