Bail-in: Die kriminelle Aufopferung der Bürger

Die internationale Finanzblase ist heute größer als vor Beginn der Finanzkrise 2007/2008. Wie Junkies hängen die Großbanken am Tropf des billigen Geldes der Zentralbanken. Allein die amerikanische Fed pumpt monatlich 85 Mrd. Dollar ins System, also über 1 Bio. Dollar jährlich. Dieses billige Geld ist zum überwiegenden Teil wieder in Spekulationsgeschäfte geflossen. So ist die Deutsche Bank inzwischen weltweit die größte Derivatebank, mit offenen Verträgen, die auf etwa 72 Billionen Dollar an Nominalwert geschätzt werden. Das ist fast das 25fache des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Wird die Politik des Gelddruckens zur Bankenrettung beibehalten, droht Hyperinflation wie 1923 in Deutschland – vor allem, wenn durch die gleichzeitig verordnete rigide Sparpolitik das produzierende Gewerbe weiter zerstört wird. Andererseits führt die Beendigung der Politik des billigen Geldes sofort zum Kollaps. Der Bankrott des ganzen Systems ist also nicht mehr abzuwenden, wenn nicht sofort das Trennbankensystem in der ursprünglichen Form des amerikanischen Glass-Steagall-Gesetzes von 1933 eingeführt wird. Denn in diesem Falle würden die platzenden Spekulationsblasen in erster Linie die Investmentbanken treffen und bankrottieren, während die der Realwirtschaft zugeordneten Funktionen der Geschäftsbanken geschützt wären.

Kein Wunder also, daß die Bankenlobby vor keinem Erpressungsversuch zurückschreckt, um die Verabschiedung eines Trennbankengesetzes in den USA oder Europa zu verhindern, und leider hat sie in den meisten Politikern und EU-Kommissaren devote Gefolgsleute, die das Gemeinwohl und selbst das Leben der Bürger aufs Spiel setzen, wenn es darum geht, die Kasinowirtschaft und ihre Posten noch für ein paar Monate zu retten.

Das Zypernmodell

Als Finanzminister Schäuble im Mai sein Bankenabwicklungsgesetz durch den Bundestag brachte, verkündete er lauthals, daß ab sofort keine Steuergelder (Bail-out) mehr zur Bankenrettung oder deren geordneter Abwicklung zum Einsatz kämen. Verschwiegen (und in öffentlichen Veranstaltungen sogar geleugnet) hat er allerdings, daß nach den EU-Vorgaben alle Bankeinlagen oberhalb 100.000 Euro, wie im Frühjahr in Zypern geschehen, im Ernstfall herangezogen werden sollen (Bail-in). Das trifft dann neben den Sparern vor allem Mittelständler, Kommunen, Rentenkassen – also alle, die allein auf Grund ihrer Zahlungsverpflichtungen gegenüber Angestellten, Rentnern, Lieferanten usw. permanent über größere Bankguthaben verfügen müssen. Wenn dann Gehälter oder Renten nicht mehr oder nur noch teilweise gezahlt werden, trifft diese Politik aber vornehmlich wieder die unteren und mittleren Einkommensschichten!

In den USA und der Schweiz ist das Bail-in bereits Gesetz und in der seit 1. August gültigen EU-Verordnung für Bankenhilfen ist es auch enthalten. Darin sei vorgeschrieben, so die FAZ (11.10.2013), „daß die Staaten Banken mit Kapitallücken erst dann unterstützen dürfen, wenn diese vorher Anteilseigner und nachrangige Gläubiger mit einem ‚angemessenen Beitrag‘ zur Deckung des Kapitalbedarfs herangezogen haben.“ Diese Verordnung der Kommission ist für alle EU-Staaten also schon verbindlich, bevor das EU-Parlament die Möglichkeit hatte, über die Bail-in-Klausel in der von den Finanzministern beschlossenen Richtlinie zur Bankenabwicklung zu beraten, geschweige denn abzustimmen.

Besonders perfide ist, daß bei der sog. Haftungskaskade (zuerst die Aktionäre, dann die Anleihehalter und drittens die Konteninhaber) die Derivatpositionen aus der Haftung herausgenommen werden können. Man opfert also die Realwirtschaft, um die Spekulationsblase zu erhalten! Und genau das ist in Zypern passiert: Die europäischen Großbanken wurden noch schnell ausbezahlt, um dann die Kosten den Zyprioten aufzuerlegen. 75% der Bevölkerung wurden an den Rand oder unter die Armutsgrenze gedrückt, Betriebe mußten schließen, die Arbeitslosigkeit nahm zu.

Ob Zypern, Griechenland oder Spanien: wo immer die Troika aus EU, EZB und IWF ihre Hand im Spiel hat, steigt die Todesrate. Wie jüngste Berechnungen des Robert-Koch-Instituts zeigen, leben in Deutschland Wohlhabende jetzt schon 11 Jahre länger als Arme. Das gilt sicherlich in allen Industrienationen in ähnlicher Weise. Aber die von außen aufgezwungenen drastischen Sparmaßnahmen, Senkung der Rentenzahlungen, Schließung von Krankenhäusern und Arztpraxen, Verfall der Infrastruktur und dergleichen mehr verurteilen in Südeuropa immer mehr Menschen zusätzlich zum frühzeitigen Tod. Das sich ausbreitende Gefühl der Ohnmacht und das Fehlen jeglicher Hoffnung auf Besserung hat auch die Zahl der Selbstmorde auf nie gekannte Höchstmarken getrieben.

Ungewollte „Nebeneffekte“? Wohl kaum. Wie die jüngst vom Wall Street Journal veröffentlichen Geheimprotokolle des IWF zu den Griechenland-Hilfspaketen zeigen, waren die verheerenden Folgen für das Land von vornherein bekannt.

Daß zur Formulierung der EU-Richtlinien wesentlich die in Organisationen wie dem Finanzstabilitätsrat (FSB) und der Internationalen Swaps- und Derivate-Vereinigung (ISDA) sitzenden Bankenvertretern beigetragen haben, überrascht dann auch nur wenig.

Die verschiedenen Formen des bail-in

Die Beteiligung der Bankkunden an der Rettung angeschlagener Banken ist aber auch schon in anderer Form angewandt worden. Die durch faule Immobilienkredite ausgelöste schwedische Bankenkrise Anfang der 1990er Jahre wurde dadurch „gelöst“, daß die Banken Kredite, Kreditlinien und Bürgschaften kurzfristig kündigten und damit den Bankrott von 60.000 Firmen verursachten. 400.000 Menschen verloren so ihre Arbeit.

Und als im Juli 2013 der Finanznotverwalter Kevin Orr für die Stadt Detroit Insolvenz anmeldete, hatte er kurz zuvor noch mit den Gläubigerbanken ausgehandelt, daß sie freiwillig auf 15-20% ihrer Forderungen verzichten, während nach der Insolvenz die städtischen Angestellten um 95% ihrer Rente gebracht wurden.

Diese kriminelle Aufopferung der Bürger kann aber die Krise gar nicht lösen, sondern nur verstärken. Die auf 1-2 Billiarden Dollar geschätzte internationale Derivatblase wird unweigerlich platzen und alles produktive Potential hinwegfegen, was nicht schon vorher von bail-ins und Sparpolitik zerstört wurde. Wenn aber solche Summen im Feuer stehen, wird auch niemand mehr die Einlagen bis 100.000 Euro garantieren können. Es gibt nur einen Ausweg: Das Glass-Steagall-Trennbankensystem sofort in den USA und Europa einführen.

Quelle: bueso

 

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