Autogipfel – ob die Wahrheit auf den Tisch kommt?

PaD 39 /2025 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad39 2025 Autogipfel

von Egon W. Kreutzer

Die Vermutungen über Inhalt und Ergebnis des heute angesetzten Autogipfels im Kanzleramt sind von sanfter Hoffnungslosigkeit geprägt. So heißt es zum Beispiel beim Bayerischen Rundfunk:

„In der Autobranche sind die Erwartungen an den „Gipfel“ am heutigen Donnerstag gering. Bei einem großen Unternehmen, dessen Vertreter auch im Kanzleramt dabei sein werden, sprach man leicht genervt von einem „durchgehenden Plateau“. Angesichts der vielen „Gipfel“ und „Spitzentreffen“ in der Vergangenheit kann man tatsächlich eher von einer Gebirgskette sprechen. Aber an der Lage in der Industrie hat sich unterdessen nichts entscheidend geändert.“

Dass es der deutschen Automobilindustrie sehr schlecht geht, ist kein Geheimnis mehr. Warum es der deutschen Automobilindustrie schlecht geht, wird immer noch versucht zu verschleiern. Wie schlecht es der deutschen Automobilindustrie wirklich geht, will ich heute versuchen darzustellen.

Das sichtbare Problem lege ich seit sechs Jahren in meiner Statistik der Arbeitsplatzvernichtung in Deutschland offen.

Was sagt es uns, dass BOSCH, einer der weltgrößten Automobilzulieferer über die in den letzten Jahren bereits angekündigten und umgesetzten Stellenstreichungen nun erneut 13.000 Jobs abbauen wird?

Was sagt es uns, dass Kiekert, vor Kurzem noch Weltmarktführer bei Zentralverriegelungen Insolvenz angemeldet hat?

Was sagt es uns, dass Breyden, ein Hersteller von Bremsscheiben, den Standort Lolland schließen wird?

Was sagt es uns, wenn Stabilus in Koblenz, ein Hersteller von Gasfedern für Automobile, Stellen abbauen muss?

Was sagt es uns, wenn Mahle, auch einer der ganz großen, ankündigt, sollte es beim Verbrenner-Aus bleiben, würden 20.000 von 30.000 Jobs in Europa wegfallen?

Das sind nur einige Beispiele aus dem September 2025 – und diese Beispiele sagen uns klipp und klar, dass nicht nur, vor allem aber auch die deutsche Automobilindustrie, insgesamt zu wenige und darunter zu viele „falsche“ Automobile baut.

Es sagt uns auch, dass die Arbeitslosigkeit weiter ansteigen wird, dass damit die Ausgaben der Arbeitslosenversicherung und anschließend die Ausgaben für das Bürgergeld steigen werden, während die Beitragseinnahmen sinken. Es sagt uns zudem, dass die Kaufkraft im Binnenmarkt sinken wird, was den Einzelhandel, die Gastronomie, den Tourismus treffen wird.

Es gibt ein zweites Wunder, dass jenen Marienstatuen Konkurrenz macht, die hin und wieder blutige Tränen weinen und damit Pilgerströme auslösen. Dieses Wunder findet sich in den Zulassungszahlen und auf riesigen Parkplätzen rings um die Automobilfabriken.

Das Handelsblatt berichtete darüber, dass in Deutschland alleine im ersten Halbjahr 2025 128.000 frisch vom Band gerollte Automobile von den Herstellern auf sich selbst zugelassen wurden.

Das heißt: Jeder 11. zwischen Januar und Juni in Deutschland zugelassene Pkw ist von den Herstellern gar nicht an Endkunden verkauft worden.

Hinzu kommt, dass die Zahl der Neuzulassungen im ersten Halbjahr 25 gegenüber dem ersten Halbjahr 24 schon um knapp 5 Prozent zurückgegangen ist. Das ist ein Rückgang um etwa 70.000 Einheiten.

Nimmt man beides zusammen, dann fehlten den deutschen Herstellern alleine auf dem deutschen Markt Umsatzerlöse (zu Herstellkosten + Hersteller-Gewinn) in der Größenordnung von 6 Milliarden Euro – und bis zum Jahresende werden es zweifellos mehr als 12 Milliarden Euro sein.

Man darf die verlorenen Umsätze der deutschen Zulieferer auf dem Weltmarkt getrost noch einmal mit 10 Milliarden Euro ansetzen und bewegt sich damit schon im Bereich von einem halben Prozent des BIP.

Wirtschaftsweise und Frau Reiche würden sich freuen wie die Schneekönige, wäre dieses halbe Prozent nicht verloren, es gäbe dann vielleicht schon keine Rezession mehr, sondern nur noch eine Stagnation. Man gönnt sich ja sonst nichts. Doch Hoffnung besteht nicht.

Nun mögen manche denken, es macht doch nichts, wenn statt 1,5 Millionen Fahrzeugen nur noch 1,3 Millionen verkauft werden. Wenn BMW, Daimler, VW, Audi, Opel und Ford an jedem Auto 2.000 Euro verdienen, dann beläuft sich der Gewinn der Branche im deutschen Markt halt nicht mehr auf 3 Milliarden Euro, sondern nur noch auf 2,6 Milliarden Euro – ist doch immer noch genug!

Völlig falsch gedacht!

Tausende von Ingenieuren, Kaufleuten, Fertigungstechnikern arbeiten jahrelang daran, um ein Auto zu konstruieren, ein neues Modell zu entwickeln, hunderte Millionen Euro müssen investiert werden, um den Fertigungsprozess, bis hin zur Endmontage überhaupt durchführen zu können. Da ist eine Milliarde schnell verbraten – und noch kein einziges Automobil verkauft. Wenn die Produktion dann anläuft, müssen Material und Zulieferteile beschafft und die Energie für die Fertigungsprozesse bezahlt werden, und auch die Löhne für die Arbeiter werden fällig.

Ich habe das Prinzip in dieser Grafik dargestellt, allerdings an einem sehr viel billigeren Produkt, das nicht für 33.000 Euro verkauft wird, wie z.B. ein VW Golf mit mittlerer Ausstattung, sondern lediglich für 33 Euro, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass aus allen Verkaufserlösen erst einmal die Fixkosten gedeckt werden müssen, dann die Kosten pro Stück, die in der Fertigung entstehen, und erst danach wird die Schwelle überschritten, ab der überhaupt der erste Euro als Gewinn ausgewiesen werden kann.

Nehmen Sie es als Daumenwert: Wenn die Auslastung einer Fertigung um 10 Prozent zurückgeht, halbiert sich der Gewinn, geht die Auslastung um 20 Prozent zurück, bleibt kein Gewinn mehr übrig.

 

Bei Statista findet sich eine Grafik über den Gewinnrückgang der großen deutschen Automobilhersteller, wobei sich die Zahlenwerte dort nicht auf den deutschen Markt beziehen, sondern auf die Gewinne aus dem weltweiten Geschäft. Erschreckend, oder?

Das dicke Ende kommt allerdings erst noch.

Daran hat mich heute ein Leser meiner Seiten aufmerksam gemacht und damit den Anstoß für diesen Paukenschlag gegeben.

Die Gewinnermittlung der Industrie ist ja nicht einfach so, dass man Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellt und die Differenz als Gewinn verbucht. Damit kann ein Kleingewerbe-Treibender beim Finanzamt antanzen – nicht aber VW oder Mercedes.

Hier erfolgt die Gewinnermittlung über den Vermögensvergleich. Das bedeutet, dass die Vermögenswerte des Unternehmens zu Beginn und zum Ende des Geschäftsjahres verglichen werden – und da geht es nicht nur um das Geld in der Kasse.

Da finden sich im Vermögen der deutschen Hersteller zum Beispiel auch die 128.000 Eigenzulassungen. Die wurden als Fertigbestände angesehen und mit den Herstellkosten in die Bilanz übernommen. Je schlechter der Absatz von Neufahrzeugen läuft, desto schwieriger wird es, diese „Ladenhüter“ noch zu verkaufen. Noch schlimmer ist es, dass auch Milliardenbeträge für nagelneue Fabrikanlagen (z.B. zur Produktion von E-Fahrzeugen), mit ihren Gestehungskosten in die Anfangsbilanz eingestellt wurden.

Was Ladenhüter und Fabrikanlagen einmal gekostet haben, stellt nämlich nicht zwingend auch deren aktuellen Wert dar, den auszuweisen die Unternehmen aber verpflichtet sind. Erweisen sich Ladenhüter als unverkäuflich, muss der Bilanzwert reduziert werden. Können Fabrikanlagen nicht im erforderlichen Maße ausgelastet werden und ist daher anzunehmen, dass ihr Beitrag zur Wertschöpfung nicht den ursprünglichen Erwartungen entsprechen wird, müssen ebenfalls Sonderabschreibungen vorgenommen werden, so dass dieses Vermögen am Ende des Geschäftsjahres stärker geschrumpft sein wird als über die reguläre Abschreibung geplant war.

Es fehlt also nicht nur an Umsatzerlösen in der Kasse, es fehlt auch am Wert des Anlagevermögens. Dieser Doppeleffekt kann schnell dazu führen, dass die im letzten Jahr noch ausgewiesenen Gewinne noch einmal drastisch sinken werden.

Sinkende Gewinne – oder gar ausgewiesene Verluste – ziehen weitere unschöne Entwicklungen nach sich. Die Börse reagiert mit sinkenden Kursen. Plötzlich kann der Börsenwert eines Unternehmens unter das Sachwertvermögen fallen. Ein gefundenes Fressen für Hedge-Fonds und Großinvestoren, sich einen deutschen Automobilhersteller zum Schnäppchenpreis unter den Nagel zu reißen, in Einzelteile zu zerschlagen und am Ende einen Weltmarktkonkurrenten komplett auszuschalten, so dass vielleicht gerade noch der Name als Marke übrigbleibt.

Wenn der Autogipfel etwas bringen soll, dann darf dort nicht über Larifari wie die Verlängerung der Steuerbefreiung für E-Mobile gesprochen werden.

Es darf auch nicht einfach immer weiter ergebnislos über das Verbrenner-Aus diskutiert werden. Merz muss sich eindeutig gegen die nicht gewählten und nicht demokratisch legitimierten EU-Bürokraten stellen und das Verbrenner-Aus für Deutschland aufheben. Die EU ist ohne Deutschland nicht lebensfähig. Genügt das nicht, um nationale Interessen kraftvoll durchzusetzen?

Das Wichtigste aber ist es, im Zweifelsfall Zig-Milliarden zur Verfügung zu stellen, um dem Ausverkauf der deutschen Automobilindustrie vorzubeugen.

Wenn es in Deutschland noch etwas gibt, das „Too big“, vor allem aber „Too important to fail“ ist, dann ist es die deutsche Automobilindustrie.

Das einzig Richtige, was Merz in dieser Situation tun kann, ist, sich hinzustellen und zu verkünden:

„Wir werden die deutsche Automobilindustrie retten.

What ever it takes.“

Tun muss er das dann allerdings auch noch.


Wer glaubte, ein hoch industriealisiertes Land wie Deutschland mit einer Verdoppelung von Gas- und Strompreisen innerhalb weniger Jahre eine funktionierende Wirtschaft auf Dauer aufrecht erhalten zu können, dem kann man unmöglich abnehmen, dass er/sie zum Wohle des Volkes handelte, indem er/sie Sanktionen gegen Russland verhängte, die der Wirtschaft und auch der Staatskasse Mrd.-Verluste bescheren werde.

Hinzu kommt, dass durch den Einsatz der künstlichen Intelligenz Millionen von sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze verschwinden werden. Die Volkszertreter – und die, die es noch werden wollen – sowie deren Medien-Huren werden darüber selbstverständlich schweigen. Das war schon immer so. Über die Wahrheit schweigen und die Lügen unters Volk zu bringen.

Gute Nacht Deutschland!

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