Atmen ist böse

Wenn ich mal Regierungschef wäre

Autor: Uli Gellermann (rationalgalerie)

Wenn ich mal Regierungschef wäre, würde ich mir so ein tödliches Virus wünschen. So ein ganz fürchterliches, das allen Angst macht, so eines, an dem man qualvoll stirbt. Dann könnte ich zu den Wahlbürgern sagen: Ich schütze Euch! Wenn ihr mir nur vertraut und mich mal machen lasst. Wenn ihr mich nicht machen lasst, dann könnt ihr sterben. Weil das Leben Regeln zum Überleben braucht, mache ich dann die Regeln.

Atmen muß geregelt werden

Als erstes müsste festgelegt werden, wie das Virus verbreitet wird. Gewöhnlich fliegen Viren durch die Luft. Also müsste der Luftverkehr geregelt werden. Luft: Das ist Atmen. Also muss das Atmen geregelt werden. Schon wenn mir einer widerspricht, atmet er. Nun kann man das Atmen nicht komplett verbieten, das fiele auf. Die Leute würden sagen: Der will uns umbringen, denn ohne jede Luft macht man es nicht lange. Erst läuft man blau an, würgt vielleicht noch ein wenig, dann wars das. Das werden nur sehr wenige wollen. Da gäbe es ja zweiMöglichkeiten: Atmen und bei Gelegenheit durch das Virus sterben oder sofort durch den Atemstillstand verbleichen. Da spielen die Leute lieber das Todes-Lotto: Vielleicht erwischt es mich ja nicht, könnte so mancher denken. Aber dann wären ja meine Regeln überflüssig und somit ich auch. Das geht gar nicht. Also muss es eine Überlebenschance geben, damit die Leute mitspielen.

Einfache Regeln lassen sich besser durchsetzen

Als erstes würde ich festlegen, wie weit das Virus fliegen kann, sagen wir mal, ein bis zwei Meter. Warum? Weil man ein, zwei Meter ganz gut überblicken kann, was man überblickt, das kann man in einfache Regeln fassen. Und einfache Regeln lassen sich besser durchsetzen als komplizierte. Dann muss man dem Regelwerk einen Namen geben. Im Namen muss das Wort SCHUTZ vorkommen. Denn jeder hätte gern Schutz. Sicherheitsgurte zum Beispiel schützen bei Unfällen. Schutz ist nicht immer bequem, wird aber aus Gründen der Sicherheit akzeptiert. So kommt eins zum andern. Denn Schutz verlangt auch Solidarität, die Solidarität mit denen, die geschützt werden sollen. Für die Christen unter den Bürgern kann man auch noch Nächstenliebe draufpacken.

Der Atem aller ist viral vergiftet

Nur darf man es mit der Liebe und der Solidarität nicht zu weit treiben. Denn wer nur noch an seinen Nächsten denkt, der denkt nicht ständig liebevoll an mich, dessen Solidarität könnte sich ja gegen mich wenden. Also verlangt mein Virus gebieterisch den Abstand zum Nächsten! Denn der Atem aller ist ja viral vergiftet. Also ist der Nächste des Nächsten Feind. Wie sonst könnte man den Bürger zum Aufpasser erziehen? Zum unbezahlten Spitzel im Staatsdienst. So ein Virus ist perfekt. Der Bürger denkt, er täte nur Gutes, wenn er den anderen verpfeift: Er schützt doch nur sich und andere.





Singen verboten

Wer den Atem im Griff hat, der hat alles im Griff. Wer singt, der atmet, also muss das Singen verboten werden. Weil man das absichern muss, werden auch musikalische Darbietungen verboten, denn schon das Mit-Summen kann den ganzen Saal in den Tod schicken. Auch rund um den Sport geschieht immer wieder Mörderisches: „Hah Hoh Heh – Die Mannschaft ist Okeh“ schreit dort eine enthemmte Menschenmenge häufig rhythmisch, und mit den Hahs und den Hehs nimmt das Virus seine Bahn, um ganze Stadien zu entvölkern.

Sex bringt gefährliche Atem-Stöße

In unkontrollierter Sexualität liegt ein total anarchisches Element: Wer kopuliert, ist für die Welt und mich verloren. Nun würde ein Sexverbot gewiss auf Widerstände aller Art stoßen. Aber wie fängt sie denn an, die Sexualität? Erst umarmt man sich, dann geht es ans Küssen! Da werden jede Menge Viren freigesetzt. Ich will mich nicht in Einzelheiten verlieren, aber gerade rhythmisches Atmen, das lehrt die Wissenschaft, bringt gefährliche Atem-Stöße an den Tag. Von den Körperflüssigkeiten will ich gar nicht reden.

Explosive Konsonanten

Wer nun denkt, dass einfaches Sprechen unterhalb der Gefahrenschwelle läge, der kennt meine Wissenschaftler noch nicht. Die werden „explosive Konsonanten“ finden, die das Virus explosiv verbreiten. Bei Stopp-Konsonanten wie P, B, K wird festgestellt werden, dass sie von Viren nur so triefen. Nun werde ich Sätze wie „Pappe brennt kaum“ nicht verbieten können, das wäre zu albern. Also kann nur das gesamte unmittelbare Sprechen eingeschränkt werden. Denn das Sprechen über Kommunikationsapparate kann kontrolliert werden, das bekäme meinem Regierungsstil sehr.

Nicht als atemlos, aber lautlos

So wird meine Regierungszeit zwar nicht als atemlos, aber als ziemlich lautlos in die Geschichte eingehen. Sie wird gesund erscheinen, zumindest wird sich dieser oder jener gesund stoßen. Ganz sicher aber wird sie sicher vor unliebsamen Überraschungen sein.

KEIN ZUSTAND
STIMMEN GEGEN DEN AUSNAHME ZUSTAND

Der Promedia-Verlage hat mit Hilfe des „Vereins für kulturelle Information“ eine Initiative gegründet, die Stimmen gegen den nicht endenwollenden Ausnahmezustand versammelt. In einem ersten Schritt meldeten sich jede Menge namhafter Persönlichkeiten. Von Dieter Hallervorden über Ulrike Baureithel und Walter van Rossum bis zu Diether Dehm. Aus dieser Sammlung ist der Text „Atmen ist böse“.

Die Stimmen sind über diesen Link zu finden: https://keinzustand.at/

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