1945 – Sie kamen als Sieger nicht als Befreier

von helmut mueller

Der Sieger schreibt die Geschichte. Immer noch. Einem anscheinend erforderlichen Hollywood-Unterhaltungswert Rechnung tragend, dieselbe angereichert mit Lügen und Halbwahrheiten. Doch so unbeschwert von Skrupeln diese eine Sicht locker daherkommt, so unerbittlich erscheint sie vor Gericht. Ist doch Zeitgeschichte seit 1945 ein strafrechtlich gut behütetes semantisches Minenfeld. Meinungsfreiheit ist…?

Wer, etwa unter Berufung auf diese, leichtsinnigerweise sein deutsches Herz öffentlich ausschüttet, riskiert mehr als nur ein blaues Auge. So atmen einige seit vielen Jahren gesiebte Luft für ihre, zugegeben, manchmal wenig intelligente Meinungsäußerung. Während zur selben Zeit Schwerkriminelle, mit oder ohne Fußfessel, nach relativ kurzer Haft in die Freiheit entlassen werden. Echter Rechtsstaat scheint auch in deutschen Landen ein absolutes „No-Go“.

Rechtsstaatliche und demokratische Defizite werden zusätzlich sichtbar gemacht, wo einer das Leid seines eigenen Volkes oder gar die massenhaften Kriegsverbrechen und unbeschreiblichen Schandtaten der Gegenseite thematisiert. Ein solcher ist gleich ein Nazi, im günstigsten Fall Gaga. Damit wird mit Absicht nicht nur jedes Bemühen um eine objektive und umfassende Geschichtsbetrachtung – zuweilen schon unter Sanktionsandrohung abgewürgt. Aus Angst vor berechtigten deutschen Ansprüchen?

So manches äußerst man heute am besten nur unter vier Augen. Wie jener zwar aufrechte, doch zu politisch korrekter Arbeit genötigte Zeitgeschichteforscher, der sich mir gegenüber vertraulich einmal so äußerte: „Ich weiß eh, daß auf diesem Gebiet viel gelogen und geflunkert wird“. Doch Lügen haben kurze Beine und werden irgendwann von der Wahrheit eingeholt. Was in Ansätzen, etwa die Schuldfrage hinsichtlich der beiden Weltkriege betreffend, ja schon geschieht. Gut möglich, daß auch die Reputation des einen oder anderen Geschichtenerzählers im großen Meer der Lügen einmal Schiffbruch erleidet.

Ganz aktuell stellt sich aber die Frage: Sind wir 1945 befreit worden? Gewiß, NS-Gegner und NS-Opfer mußten es als Befreiung empfinden. Das kann ich auch nachvollziehen, und ehrlich gesagt, auch ich wäre ungern in einem KZ gesessen. Ja gewiß, viele wurden tatsächlich befreit. Die Mehrheit aber, dazu auch mein frühzeitig NS-kritisch, aber gesamtdeutsch eingestellter Vater gehörte, dachte trotz aller Ernüchterung und erst recht angesichts alliierter Übergriffe und Exzesse bei Kriegsende nicht an Befreiung.

Die geschichtsbewußte Generation dieser Zeit war sich sehr wohl im Klaren, daß mit dem schändlichen Vertrag von Versailles von den gleichen Siegermächten der Grundstein für Hitlers Aufstieg und einen neuen Weltkrieg gelegt wurde. Da überrascht es auch nicht, daß die den Ausbruch des Krieges herbeisehnenden Gegner des Reichs von Anfang an keine Sekunde daran dachten, jemand befreien zu wollen. Auch keine KZ-Insassen.

Vor allem US-Amerikaner brachten besonders während des Krieges unverhohlen zum Ausdruck, daß sie diesen Krieg führten, um Deutschland, also auch Österreich, zu besetzen (und das deutsche Volk umzuerziehen). Jahrzehnte später hielt selbst Präsident Obama bei seinem Besuch im deutschen Ramstein mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, als er seinen Soldaten eingebläut haben soll: „Deutschland ist ein besetztes Land…”. Eine Bestätigung für diese Aussage kam unter anderem von Wolfgang Schäuble, der im Nov. 2011 sagte: ” Und wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen“.

Ja, was sollte es denn anderes sein, wenn deutsche (wahrscheinlich auch österreichische) Geheimdienste heute noch für US-amerikanische Aufträge auszuführen haben, deutsche Kanzler zur Akkreditierung in Washington erscheinen müssen und in bestimmten Medien nicht allzu Kritisches über die USA berichtet werden darf? Da können Freiheit und Wahrheit nur auf der Strecke bleiben.

Ein gewißes Negieren von Fakten und Herumdrücken um Wesentliches ist leider eine sehr neudeutsche Spezialität, die sich unübersehbar auf dem Feld der Zeitgeschichte Österreichs bemerkbar macht. Je nach Interessenlage wird eine für das herrschende System lästige Frage einmal dahin, dann wieder dorthin geschoben, aber nie dahin wo sie hingehört.

Als nicht unwesentlich erweist sich dabei, wer eine Frage stellt oder einen Sachverhalt nennt. Oder wenn jemand von außen, gar ein „Piefke“, den Zeigefinger auch nur spaßhalber auf den wunden Punkt legt. Als der Komiker Dieter Hallervorden anläßlich einer Preisverleihung in Wien meinte, nun hole er den Preis „Heim ins Reich“, da fühlte sich das Lager der Superösterreicher erwartungsgemäß ganz schön auf den Schlips getreten.

Aber so wie der Sager Hallervordens einer unnötigen Fleißaufgabe glich, war die Aufregung darüber völlig überflüssig. Ob die versammelte „Society“-Schickeria danach in den Keller ging um doch noch zu lachen, ist nicht bekannt. Bekannt sollte ihr aber schon sein, daß Österreich völkerrechtlich noch immer Teil des Reichs und, wie von mir schon einmal erwähnt, alle zwischen 1938 und 1945 geborenen Österreicher daher weiterhin deutsche Reichsbürger sind.

Gewiß ein Schock für viele. Und für Geschichtsignoranten mit Sicherheit eine sehr merkwürdige Sache. Aber wie man in diesen Kreisen damit umgeht, ist dann doch irgendwie wieder typisch für diese wienerische „Halbheit“. Doch können dieselben immerhin von Glück reden, nicht Bürger jenes Besatzungskonstrukts zu sein, dessen Spitzenrepräsentanten regelmäßig gegenüber den Siegermächten eine Suada an Treuebekundungen abliefern.

Denn diese Betroffenheitsmimen werden sich am 8. Mai mit Asche auf dem Haupt  wieder bemühen, in der ersten Reihe mit ihren Beschützern stehen zu dürfen. Herr Gauck und Frau Merkel könnten in dieser Hinsicht den vom herrschenden „Mainstream“ gelobten Flagellanten Weizsäcker sogar noch übertreffen. Schule macht es bis heute nirgendwo. Aber als Anstoß zu einem deutschen Gedenktag der Selbsterniedrigung schiene mir dieses Buckeln längst geeignet.

Anders die ehemaligen Alliierten und ihre fünften Kolonnen: Sie werden sich auch in Zukunft nicht an diesen Sühnedeutschen orientieren. Jahr für Jahr gebetsmühlenartig die eigenen Mordtaten beim Namen zu nennen, sich selbst anzuklagen und immerwährende Reue zu bekennen, ist deren Sache nicht. Jedenfalls nicht auf Zuruf. Wiewohl einige unter ihnen den Verbrechen der Nationalsozialisten in mancher Hinsicht mehr als Ebenbürtiges entgegenzusetzen hätten.

Insgesamt kann sich die deutsche Tragödie durchaus sehen lassen. 15,8 Millionen deutsche Opfer, darunter brutal vergewaltigte Frauen, zu Tode geschundene oder verhungerte Kriegsgefangene und Vertreibungsopfer, unter Bomben begrabene Zivilisten, Hunger- und Erfrierungstote. Sie alle werden weiterhin als unvermeidbarer Kollateralschaden einer wahrlich mörderischen „Befreiung“ gesehen oder als direkt und indirekt Mitverantwortliche der NS-Verbrechen punziert werden.

Kein nationalsozialistisches Verbrechen rechtfertigt jedoch auch nur ein einziges alliiertes, wie verschiedentlich gemeint wird. Doch gerade eine solch einmalige, erbärmliche Gesinnung fand längst ihren entsprechend verstärkten Niederschlag in korrupten Gessler-Köpfen an Rhein und Donau. Was in manchen anderen Ländern, ja vereinzelt sogar schon in Israel, nur mehr mit Kopfschütteln registriert wird. Armes reiches Deutschland.

Nestbeschmutzung und unnötige Schuldkomplexe verhindern doch, daß Deutschen ehrlicher Respekt entgegengebracht wird. Sie ermuntern die andere Seite nur zu einem „Weiter so“. Und dieselbe Seite verhält sich ähnlich den vielen zugewanderten Bettlern dieser Tage. Sobald nämlich ein solcher großzügig bedacht wird, erdreistet er sich gar nicht selten, von dem edlen Spender noch viel mehr zu ergattern. Soll dies eine tragfähige Grundlage für ein gutes und friedliches Miteinander sein?

Ein solches baut sich inzwischen anderswo auf. Zwei Beispiele mögen uns darin bestärken: Da wird einerseits, anläßlich des Brünner Todesmarsches, der Obmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich vom Bürgermeister der Stadt Brünn/Brno zu einer gemeinsamen Gedenkfeier eingeladen. Was die Betonkopf-Nomenklatura in Prag, und nicht nur sie, ziemlich irritieren muß.

Und da reicht, andererseits, ein betagtes weibliches Opfer der NS-Politik einem angeklagten ehemaligen „Täter“ versöhnlich die Hand. “Ich habe den Nazis vergeben”, sagte sie in berührender Weise. Was eigentlich den eitlen und unversöhnlichen Herrn „Paolo Pinkel“ Friedman auf den Plan rufen müßte. Aber vielleicht hat es ihm die Rede verschlagen.

Ich aber sehe in diesen beiden Beispielen einen von Revanche- und Rachegelüste befreiten europäischen Geist wirken, der eine größere Verbreitung verdiente. Denn dort, wo auf gleicher Augenhöhe und in zivilisierter Weise vorbildliches Verhalten gezeigt und ebensolche Schritte gesetzt werden, darf Hoffnung keimen.

Im Übrigen bin ich der Überzeugung , daß die Lakaien der noch tonangebenden, aber im Abstieg begriffenen Supermacht und all die System-Profiteure in Staat und Gesellschaft, wie jene anderen anno dazumal, im Falle des Falles blitzschnell die Seiten wechseln würden.

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